Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

https://morgenradio.de

subscribe
share






Temporalkunde bei Kostas


play_circle_filled pause_circle_filled volume_down volume_up volume_off

Ein bisschen merkwürdig war ihr der junge Mann immer schon vorgekommen. Etwas arg fürsorglich und ein bisschen gluckenhaft, wenn man das so ausdrücken kann. Aber die ersten beiden Dates waren eigentlich prima gelaufen. Warum also nicht mit ihm zu diesem kleinen Griechen gehen und mal schauen, wie sich das so entwickelt?

Download der Sendung hier.

Frei nach: „Future Boyfriend“ von Ben Rock

Musik im Hintergrund: „Greek Folk Songs“ von Traditional Music Channel

Musiktitel: „ANCIENT GREECE“ by Mr. Nicky

Was denkst Du? Deine Meinung über diese Geschichte bei uns im Forum.
(Nur für Unterstützer)

Die Geschichte zum Lesen

FA: Das ist ja ein schnuckeliger kleiner Grieche! Ich wusste überhaupt nicht, dass es den hier gibt! So eine Großstadt hat immer eine Überraschung parat, oder?
HW: Kostas ist hier im Viertel eine Institution. Auch wenn es anders aussieht, als ich ihn kenne.
FA: Willst Du zur Wand sitzen oder mit der Wand im Rücken?
HW: Das ist mir im Prinzip egal. Aber der Weg zur Toilette ist kürzer, wenn man zur Wand sitzt.
FA: Also?
HW: Gut, ich hänge Ihre Handtasche über den Stuhl, Frau Riesner.
FA: Du sollst mich Kathi nennen, merk Dir das endlich, Elias!
HW: Tut mir leid. Ich hänge Deine Handtasche über den Stuhl, Kathi!
FA: Ist schon gut, vielen Dank. Ich kann selber auf meine Handtasche A cht geben!
HW: Umso besser.
FA: Kuck ma, das ist Samos auf der Karte. Da war ich schon einmal! Da habe ich so geile Bilder gemacht!
HW: Soll ich Dir die Karte vorlesen, Frau R … Kathi?
FA: Nein, vielen Dank, das kann ich schon selber!

(Pause, griechische Musik)

HW: Gut, ich werde dann wohl das Bifteki bestellen. Und Du?
FA: Ich nehme den Lukullus-Teller. Und extra Bohnen. Ich liebe Bohnen!
HW: Ich weiß ja nicht, ob Dir das gut tut.
FA: Was?
HW: Bohnen, meine ich. Die blähen so.
FA: Bei mir nicht!
HW: Oh, doch!
FA: Nein, was redest Du?
HW: Wie Du meinst, Du bist ja erwachsen!
FA: Das will ich wohl meinen! Was ich Dir erzählen wollte …
HW: Musst Du vielleicht noch einmal auf’s Klo, bevor das Essen kommt?
FA: Sonst geht’s Dir aber schon gut, oder? Was ist das denn für eine Frage?
HW: Ich mein ja nur! Dann musst Du wieder während des Essens und dann wird das kalt!
FA: Jetzt reiß Dich aber einmal am Riemen, Elias!
HW: Gut, gut. Was wolltest Du mir erzählen?
FA: Ach ja, das war wegen der Bewerbung bei diesem Reiseveranstalter, erinnerst Du Dich? Da habe ich ja eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch bekommen und dann bin ich da ja auch hingegangen. Das hatte ich Dir ja auch erzählt, oder?

(Überblendung, griechische Musik)

FA: … auf jeden Fall sagt dann die Tante von der Videlis, sie hätten noch nie ein so angenehmes Bewerbungsgespräch gehabt und sie wollten mich unbedingt haben. Aber … hörst Du mir überhaupt zu?
HW: Tante von Videlis will Dich haben, weil das Gespräch so angenehm war.
FA: Sag mal, Elias, könntest Du aufhören, mir mein Essen kleinzuschneiden? Die Leute am Nebentisch kucken schon ganz komisch!
HW: Oh. Tut mir leid. Alte Angewohnheit!
FA: Wie meinst Du das? Alte Angewohnheit? Wir gehen zum dritten Mal aus!
HW: Nein, nein, ich meine von der Arbeit! Ich bin Altenpfleger, musst Du wissen. Aber das ist ja nichts Ungewöhnliches.
FA: Wie, das ist nicht ungewöhnlich?
HW: Na ja, die meisten Männer in meinem Alter sind Altenpfleger.
FA: Wie bitte? So ein Unsinn! Die meisten Altenpflegerinnen sind Frauen aus Osteuropa.
HW: Ach? Na, da habe ich mich dann ja wohl getäuscht.
FA: Du bist manchmal wirklich strange. Kann ich noch von dem Wein haben?
HW: Aber ob uns das wohl so gut tut, Frau Ries … Kathi?
FA: Das tut mir sehr gut, Herr Altenpfleger! Her mit dem Wein!
HW: Ja, ja, ist ja schon gut!
FA: Das mit der Altenpflege erklärt so einiges! Darum redest Du immer so laut mit mir!
HW: Klar, ich bin ja gewohnt, dass Du beinahe taub bist.
FA: Wie bitte?
HW: Dass die Menschen sehr schwerhörig sind, mit denen ich so rede, meine ich!
FA: Und darum erklärst Du mir, wo meine Handtasche hängt.
HW: Ja, weil Du so vergesslich bist.
FA: So so so.

HW: Ja, ich glaube, ich muss Dir etwas gestehen.
FA: Ach? Da bin ich ja gespannt.
HW: Aber ich weiß nicht, ob Du mir glauben wirst. Es ist etwas ungewöhnlich.
FA: Schieß los!
HW: Frau Ries … Kathi. Ich bin …
FA: Du bist?
HW: Ich bin nicht so … Also, eigentlich komme ich … Wie soll ich’s sagen?
FA: Du bist schwul?
HW: Was? Nein, das wäre mir also neu. Nein, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher …
FA: Oh, mein Gott! Du bist ein Außerirdischer?
HW: Nein! Das bin ich nicht … Wie kommst Du darauf?
FA: Du hast Plattfüße?
HW: Plattfüße? Nein. Das heißt, das weiß ich nicht einmal. Hat die nicht jeder?
FA: Du hast eine Geschlechtskrankheit?
HW: Nein. Nicht, dass ich wüsste …
FA: Gut zu wissen.
HW: Ja, gut zu wissen. Aber, warum …
FA: Warte, jetzt hab ich’s! Du bist eigentlich eine Frau!
HW: Nein! Jetzt lass mich einfach einmal ausreden!
FA: Gut. Meine Lippen sind versiegelt!
HW: Ich bin …
FA: Na?
HW. Gut! Ich bin aus der Zukunft!

(Pause)

FA: (lacht)
HW. Was gibt es denn da zu lachen?
FA: Du bist aus der Zukunft? Aus welchem Jahr denn?
HW: Ich bin aus dem Jahr 2074. Und vor vier Wochen in die Vergangenheit gereist. Also hierher, ins Jahr 2019.
FA: Ja, schon klar. Weil Du hier Skynet verhindern musst?
HW: Skynet? Wieso? Ach so, Du meinst, wie in Terminator 24?
FA: Oder, nein, jetzt weiß ich’s: Du musst Donald Trump erschießen! Weil der sonst in Nordkorea einen Krieg anfängt!
HW: Nein! Ich muss gar nichts!
FA: Nein warte, andere Masche! Du bist aus der Zukunft und musst bald zurück. Aber ihr habt in der Zukunft keinen Sex mehr und darum muss ich noch heute mit Dir schlafen!
HW: Na ja, wir haben wirklich keinen Sex mehr, aber …
FA: Trifft sich gut!
HW: Aber das ist nicht der Grund, warum ich … Moment! Wie meinst Du das? Trifft sich gut?
FA: Aber dazu musst Du nicht so einen Quatsch erfinden!
HW: Das ist kein Quatsch! Ich bin nur wegen Dir aus der Zukunft hiergergereist! Und es gibt keinen Weg zurück! Und das hat nichts mit Sex zu tun!
FA: Es gibt keinen Weg zurück?
HW: Nein. Natürlich nicht. Zeitparadox und so. Frag‘ nicht. Ich hab‘ in Temporalkunde nicht aufgepasst. Kapier‘ ich auch nicht.
FA: Moment? Wegen mir?
HW: Ja! Wegen Dir!
FA: Bin ich im Jahre 2074 eine Berühmtheit? Eine wichtige Persönlichkeit?

(Pause)

HW: (lacht) Nein! Nein, so ist das nicht! Du bist im … Wie soll ich’s am besten ausdrücken. Du bist da deutlich älter.
FA: Ja, Moment, das ist in 55 Jahren … Und jetzt bin ich … Da bin ich also 91 Jahre alt.
HW: Genau! Und trotzdem noch so liebenswert!
FA: Und Du bist so alt wie jetzt.
HW: Ja. Aber der Altersunterschied ist ja nicht so wichtig!
FA: Und Du bist Altenpfleger.
HW: Ja. Und als wir uns kennengelernt haben, das hat es gleich geklickt!

FA: Du bist mein Altenpfleger. Ich bin in einem Altersheim.
HW: Ja. Wir sind zwar nur ein staatliches Altersheim, aber wir sind überdurchschnittlich gut von der Versorgung. Auf unserer Station ist noch nie jemand verhungert!
FA: Oh, mein Gott! Was ist denn mit meinen Kindern und Freunden?
HW: Du hast … Du hast keine Kinder, soweit wir wissen.

(Pause)

FA: Ich glaube Dir kein Wort! Egal, was für eine Masche das ist, aber sie funktioniert nicht! Noch nie im Leben hat jemand auf eine schrägere Methode versucht, mich anzubaggern! Du bist total gaga!
HW: Warte, ich kann es beweisen! Warte! Hier!

SFX: Beep, Drone

FA: Was macht denn der kleine Mann auf einmal auf dem Tisch?
HW: Nicht erschrecken! Das ist ein Hologramm! Das ist mein persönlicher digitaler Assistent!

PDA: Oh, mein Gott! Wo hast Du mich nur wieder hingeschleppt, Du kleiner verrückter Pudel, Du! Das muss ja in der Pampa sein! Hier hat es ja nur 4G! Das ist ja wie in der Steinzeit!
HW: Kirby! Sei mal still und zeig‘ mir die Geburtstagsbilder von mir und …
PDA: Aber, wir sind ja in Berlin! Wir sind mitten in Berlin und haben nur 4G! Was hast Du getan, Du Schlimmer! Du hast aber immer Überraschungen auf Lager! Mein Gott!
HW: Kirby! Die Bilder!
PDA: Wird schon gemacht. Hier!

SFX: Beeps

HW: Siehst Du?
FA: Wieso stehen denn diese Personen auf dem Tisch?
HW: Das ist ein Hologramm. Aber diese Personen sind wir!
FA: Ja, stimmt! Dich kann ich erkennen! Aber wer ist …? Mein Gott! Bin das ich?
HW: Das bist Du! Und kuck! Da versuche ich Dir zu zeigen, wie man die Kerzen ausbläst!

FA: Oh, mein Gott! Das ist ja schrecklich! Ich bin ja völlig tatterig!
HW: Na ja, wir haben auch schlimmere Fälle. Das ändert aber nichts an Deinem Charakter, musst Du wissen!
FA: Oh, mein Gott! Das ist ja unglaublich! Und Du bist in die Vergangenheit gereist, um mich kennenzulernen?
HW: Na ja, ich bin ja schon eher offen und tolerant, aber ein Altersunterschied von 55 Jahren war mir dann auch ein bisschen viel. Hat ja nicht soviel Perspektive, weißt Du?

FA: Ich fasse es nicht! Wie stellst Du Dir das denn vor? Ich meine, Du kennst hier ja niemanden! Du kennst Dich hier kaum aus! Und hast keine Freunde, keine Verwandten!
HW: Das stimmt doch gar nicht! Meine Oma geht hier ums Eck in die Grundschule!
FA: Grundschule? Oh, mein Gott! Ich bin älter als Deine Oma!
HW: Aber jetzt doch nicht!

FA: Und ich ende als debile Frau in einem miesen Altersheim, ganz alleine und ohne Geld?
HW: Na ja, der Reiseveranstalter, bei dem Du 30 Jahre angestellt warst, ist pleite gegangen, als fossile Brennstoffe verboten …
FA: Reiseveranstalter? Und was ist mit dem Photographieren? Will keiner meine Photos sehen?
HW: Deine Photos? Ich dachte, das wäre nur so ein Hobby!

FA: Ich krieg‘ es nicht auf die Reihe! Mein Gott! Und ich dachte, Du wärst nett! Ich dachte mir: Heute gehst Du mit dem ins Bett! Der ist so an Dir interessiert und hört Dir zu! Dabei bist Du einfach … spooky!
HW: Das ist aber gut! Mit dem Bett, meine ich. Und ich bin gar nicht spooky!
FA: Wie stellst Du Dir das vor! Ich kann mich doch nicht nackt vor Dir …
HW: Da musst Du Dir nichts denken! Ich kenne Dich doch nackt! Ich wasche Dich doch jeden Morgen mit dem Schwamm …
FA: Hör auf! Ich bin hier raus! Du Perverser!
HW: Aber …

SFX: Tür, Musik, Beep, Drone

PDA: Was? Sind wir immer noch in dem Loch? Oh, mein Gott, was habe ich nur verbro… Aber? Was ist denn los? Ach, wie Du kuckst, mein kleiner Pudel! Was ist denn passiert? Schon wieder abgeblitzt?
HW: Zeig‘ mir das Video vom 90. Geburtstag noch einmal. Mit Ton.
FA: Was wollen Sie von mir? Also, bitte! Fassen Sie mich nicht an! Wie? Ich und Neunzig? Sie machen wohl schlechte Witze! Ist das Geschenk für mich? Oh! Und dazu eine Blume! Ich mag Blumen! Glaube ich …
PDA: Das war’s. Soll ich’s Dir noch einmal vorspielen, mein Pudelchen?
HW: Nein, nein. Ist schon gut!

SFX: Tür, Musik

FA: Also, ich habe mir das noch einmal überlegt!
HW: Gut. Was denn?
FA: Du bist ja jetzt in die Vergangenheit gereist, oder?
HW: Ja. Um Dich …
FA: Lassen wir einmal weg, dass Du komische Gelüste hast. Aber das bedeutet doch im Prinzip, dass Du nicht mehr mein Altenpfleger werden kannst, weil Du dann ja auch 90 bist oder so!
HW: Hm. Moment. Ja, das stimmt.
FA: Eben. Und das bedeutet, die Zukunft aus der Du kommst, die wird so niemals stattfinden. Weil Du ja hier bist. Stimmt’s?
HW: Ja. Ich glaube, Du hast recht. Ich habe in Temporalkunde nie…
FA: Ich weiß. Das bedeutet, dass ich nicht unbedingt mein Leben bei dem Reiseveranstalter arbeiten muss, sondern vielleicht doch noch was wird mit den Photos.
HW: Wer weiß.
FA: Eben. Wer weiß! Anders ausgedrückt: Die Zukunft ist völlig offen.
HW: Schon.
FA: Und Du bist extra aus der Zukunft gekommen. Für mich.
HW: Ja.
FA: Und ihr habt da keinen Sex?
HW: Nein.
FA: Na, dann habe ich eine Überraschung für Dich, wenn Du jetzt mitkommst, Kleiner!


fyyd: Podcast Search Engine
share








 June 13, 2019  25m