Jetzt singen wir wieder. Zuhause, in der Schule, in der Kirche, sogar im Stadion: "Macht hoch die Tür, ihr Kinderlein, denn süßer die Jingle Bells nie klingen“. Und das wichtigste: wir singen zusammen - mal schiefer, mal schöner, aber im Chor. Das verursacht so ein unvergleichliches, wohliges Kribbeln. Vor allem bei denen, die mitsingen: Wir lassen es raus, jeder für sich, und gehen dabei zugleich auf in einer Gemeinschaft. Das Ergebnis ist eine unvergleichliche Mischung aus Gesamtklang und sich umschmeichelnden oder aneinander reibenden Einzelstimmen, Chorgesang eben. Die Macht des Chores ist uns seit Urzeiten vertraut: aus den Gebeten und Anrufungen ritueller Gemeinschaften wird der Theaterchor. Aus der fast noch schüchternen Mehrstimmigkeit des Mittelalters werden donnernde Oratorien und schmetternde Opernchöre. Allerdings auch stramme Marschierlieder, propagandistische Sprechchöre und aggressive Fußballgesänge. Im Chor singen bedeutet eben auch, sich zu unterwerfen, und durch massives gemeinsames Auftreten andere einzuschüchtern. Der Chor ist ein Machtinstrument, das nicht jeder bedienen kann. Einen Chor so zu leiten, dass er tatsächlich mit vielen Stimmen singt wie mit einer, ist schwer. Nicht nur in der Musik, sondern auch in der Politik. aber wenn es gelingt, dann schmelzen wir dahin vor so viel Ordnung im Chaos und Harmonie im Durcheinander. Das ist das Wunder des Chores.