Creativity for Future

In diesem Podcast unterhält sich Ute Maria Lerner mit anderen Künstlern und  Kreativen aller Branchen, Impulsgebern und Visionären über diese besondere Zeit, und die Herausforderungen und Chancen, die sich bieten. Kreativität, die dem Leben dient, dem Leben zugewandt ist, und lebenserhaltend ist, scheint der Schlüssel, um die Zukunft entscheidend zu gestalten. Dieser Podcast ist gefördert durch das Kulturförderprogramm im Fokus 6 Punkte für die Kultur der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, sowie unterstützt vom Podcast Provider und Kooperationspartner  letscast.fm

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episode 7: Creativity for future/ Uma im Gespräch mit Leila Dregger


Leila Dregger, geb. 1959, wurde Agraringenieurin, weil sie für Lebensmittelgerechtigkeit eintrat und Landkommunen  gründen wollte; sie wurde Journalistin, um über weltweite Alternativen zu berichten, sie schrieb Theaterstücke, um mit  Kunst und Poesie die Welt zu verändern, gab eine Frauenzeitschrift heraus, um der weiblichen Stimme und weiblichem Friedenswissen mehr Wirkung zu geben. Auf vielen Reisen, auch in Krisengebiete, besucht und vernetzt sie traditionelle Dörfer und moderne Gemeinschaften; sie arbeitet am Aufbau eines deutschsprachigen Netzwerkes "Terra Nova" im Rahmen des »Plan der Heilungsbiotope«. Sie lebt und arbeitet vor allem im Heilungsbiotop 1 Tamera in Portugal.  Leila Dregger ist erreichbar unter leila.dregger@snafu.de Starke Frauen: Mit der Kraft der Verbundenheit Starke Frauen bleiben einsam? Stimmt nicht. Wirkliche weibliche Stärke beruht auf Verbundenheit und erzeugt Gemeinsamkeit – und zieht Frauen und Männer an. Wenn Frauen sich auf ihre Anteilnahme, ihre Liebe und ihr ureigenes Wissen besinnen, wenn sie Männer nicht mehr imitieren, aber auch nicht bekämpfen, wenn sie zusammenhalten in echter Solidarität und Kooperation, dann können sie die Welt aus den Angeln heben. Das schwache Geschlecht - so haben sie uns genannt. Vor allem die, die gern unsere Helden sein wollten: Djangos, Retter, Beschützer, in deren starken Armen wir uns betten sollten, wenn sie mit uns dem Sonnenuntergang entgegen reiten. Diese Idee fand ich schon als Mädchen fragwürdig. Autoreifen wechseln, Mathe-Gleichungen lösen, den Kohleeimer aus dem dunklen Keller holen: Das konnte ich mindestens so gut wie meine Brüder. Aber sobald ich mehr Kontakt zum männlichen Geschlecht suchte, brachte eine gewisse Schwäche und Unschuld Vorteile: Flirt und Liebesspiel gingen leichter, wenn die Herren der Schöpfung sich überlegen fühlen durften. Also übte ich den bewundernden Augenaufschlag und überließ geduldig dem jeweiligen "Ihm" die ersten Schritte beim Küssen. Später, in Studium, Job und Engagement, ließ ich mir von männlichen Kollegen nicht mehr die Butter von Brot nehmen. Dass sie ernster genommen wurden und es so oft leichter hatten als Frauen, fuchste mich unglaublich. Also kämpfte und ackerte ich, um zu beweisen, dass ich es auch drauf hatte. Gab alles, erreichte viel und arbeitete rücksichtslos - vor allem ohne Rücksicht auf mich selbst. Bis mich ein Burnout von den Beinen holte. Bis ich merkte, wie einsam ich geworden war. Bis ich feststellte: Ich war mit dem, was ich mir unter einer starken Frau vorstellte, ganz offensichtlich nicht auf der richtigen Spur.  Erlebt nicht der ganze Planet gerade so ein Burnout? Konkurrenz, Leistungsdruck, Gleichgültigkeit und Immer-Mehr-Haben-Wollen haben uns voneinander getrennt. Wir - Frauen, Männer, Tiere, Flüsse, Ökosysteme - haben das Gefühl für unser Miteinander verloren. Die patriarchale Einsamkeit ist die Krankheit unserer Zeit. Ich jedenfalls funktionierte nicht mehr. Schluss, Aus, Radikalschnitt in der Karriere. Und da - am Ende meiner alten Kraft - lernte ich eine neue kennen. Ich begegnete Frauen, die überzeugend eine ganz andere Stärke vertraten: Verbundenheit und Anteilnahme mit allem, was lebt. Und so wurde mir klar, was andere schon lange sahen: dass eine weibliche Art gibt, in der Welt zu wirken. Was für eine Entdeckung: Ich muss nicht mehr immer die erste sein. Niemand zwingt mich, besser zu sein als andere. Ich muss mich auch nicht nach Maßstäben richten, die nicht die meinen sind. Wir dürfen gemeinsam herausfinden, was unsere innere Ur-Weiblichkeit will. So begann eine Entdeckungsreise, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Wie sehr meine Welt sich bis dahin um Männer und männliche Maßstäbe gedreht hatte! Immer wollte ich entweder besser sein als sie, war sauer auf sie oder wollte ihre Anerkennung. Ich nannte mich zwar Feministin. Aber Frauen waren für mich nur dann Vorbilder, wenn sie in der Männerwelt Erfolg hatten. Meinen Vater bewunderte ich, aber nie wollte ich werden wie meine Mutter. Warum eigentlich? Hatte sie nicht immer Heimat um sich herum verbreitet? War sie nicht diejenige, die uns immer wieder mit offenen Armen aufnahm, egal was wir angestellt hatten? Brauchen wir nicht viel mehr Mutter-Kraft, um endlich aus der patriarchalen Einsamkeit herauszufinden? In der berühmtem Irokesen-Verfassung stand: Ein Häuptling soll sein wie eine gute Mutter. Wie sähen Regierungen, Konzerne, politische Entscheidungen aus, wenn sich da nicht wild gewordene Egos austobten, gegenseitig bekämpften und übervorteilten? Sondern wenn statt dessen Umsicht, Anteilnahme und Großzügigkeit regierten? Weichheit ist keine Schwäche, im Gegenteil – sie verbindet uns und dadurch entsteht wirkliche Kraft. Ich erinnere mich an eine Kampfsportstunde für Frauen. Wir sollten unsere jeweilige Gegnerin auf die Matte drücken. Ich kannte meine Körperkraft und scheute mich nicht, sie einzusetzen - aber bei Anna war ich hilflos. Sie war älter, klein, dicklich - und sie setzte nicht ihre Kraft gegen meine. Nein, sie umarmte mich mit großer Zartheit - so weich und liebevoll, dass ich mich selig hingab. Sie "besiegte" uns alle mit ihrer weichen Kraft.  Das ist das Stichwort: "weiche Kraft". Der wahre Sieg besteht nicht darin, stärker zu sein als unsere Gegner. Sondern darin, Gemeinsamkeit fühlbar zu machen und Gegnerschaft aufzulösen. Von Aung San Suu Kyi, der burmesischen Nobelpreisträgerin und langjährigen Oppositionellen während der Militärdiktatur, gibt es ein Foto: Unbewaffnet geht sie einer Gruppe von Soldaten entgegen. Sie haben Schießbefehl - aber sie schießen nicht. Sie können nicht. Diese wehrlose Frau, die ihnen so angstfrei entgegen geht, muss sie verunsichert haben - und vielleicht hat sie sie daran erinnert, dass sie auch selbst keine befehlsempfangenden Maschinen sind sondern Menschen. Ruth Pfau, die inzwischen verstorbene Lepraärztin und Nonne, berichtete aus Pakistan ähnliche Dinge: Die brutalsten Warlords duldeten keine Ärzte in ihren Viertel. Doch diese Frau ließen sie durch. "Mein Nonnen-Habit war dem Hijab ihrer Mütter ähnlich. Ich erinnerte sie an die einzige Person, die sie bedingungslos geliebt hatte." Ich kenne nichts Berührenderes als Frauen mit einer so radikalen Anteilnahme und Verbundenheit. Und es gibt noch eine weitere unangepasst-weibliche Kraft mit hoher Erfolgsaussicht: Der erotische Sex-Appeal, der entsteht, wenn eine Frau ganz mit sich und ihrem Körper verbunden ist. Zum Beispiel bei meiner Freundin Pia: Sie ist über 60 und eindeutig übergewichtig, aber jede ihrer Bewegungen zeigt, wie gerne sie leiblich, vital und Frau ist. Sie wird nie Nummer 1 in Schönheitswettbewerben. Doch ihre Lust steckt an. In Gegenwart solcher Frauen werden Macht- und Leistungsgebahren vergessen. Frauenkraft beruht darauf, dass wir – bei aller Verschiedenheit – jegliche Konkurrenz unter uns auflösen. Wenn wir uns stattdessen über das verständigen, was wir lieben, wenn wir verstehen, wie sehr wir uns ergänzen und unterstützen können, dann bildet sich ein neues Band unter uns. Dann werden all diese Frauen – mütterlich und erotisch, wild und angepasst, jung und reif – sich in ihrer Weiblichkeit wahrnehmen und zusammenhalten. Und damit wächst beides: die Wirksamkeit und die Lebensfreude. Weiche Kraft heißt nicht, einfach nur nett zu sein. Erduldet haben Frauen schließlich genug, manchmal um des lieben Frieden willens. Deshalb müssen wir, wenn wir Gemeinheiten sehen, manchmal sogar sehr deutlich werden und einschreiten. Es kommt dann darauf an, uns auch damit nicht allein zu lassen, sondern gegenseitig zu unterstützen. Denn es gibt etwas, das in uns allen gleich ist: die Liebe zu dieser wilden, ungeheuer zarten und schützenswerten Kraft des Lebens selbst. Um solche Frauen entsteht Gemeinschaft. Dann atmet auch die Männerwelt auf. Sie werden feststellen, dass sie nicht mehr die großen Helden spielen müssen. So entsteht eine Kultur der Partnerschaft und des Miteinander. Sabine Lichtenfels schreibt (in ihrem Buch "Weiche Macht"): "Weiche Macht ist die Macht, Widerstände durch Herzkraft und Schwierigkeiten durch Leichtigkeit zu überwinden. Es ist ein Ordnungsprinzip, dem sich auf Dauer auch die härtesten Männer fügen, wenn sie merken, dass es darin keine Rache, keine Bestrafung und keine Hintergedanken gibt." Ist weiche Kraft denn ausschließlich weiblich? Hoffentlich nicht. Aber nachdem Männer seit Jahrtausenden in Härte und Konkurrenz trainiert wurden, liegt es erst einmal an uns Frauen, die weichen Kräfte zu aktivieren. Die Männer werden sich liebend gern anschließen. 


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 October 11, 2020  54m