00:42 timpritlove
Hallo und herzlich willkommen zu Forschergeist, dem Podcast des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft.
00:47
Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle zur 90. Ausgabe dieser Gesprächsserie.
00:52
Und ja, heute wollen wir uns mal einem ganz speziellen Sport zuwenden.
00:59
Nein, keine Angst, natürlich geht es auch hier um Wissenschaft.
01:02
Aber im Mittelpunkt des heutigen Gesprächs steht das Angeln oder die Angelfischerei, sollte man vielleicht sagen.
01:10
Und da gibt es sicherlich auch noch einige andere Aspekte und die bespreche ich heute mit Robert Arlinghaus.
01:15 robertarlinghaus
Guten Tag.
01:17 timpritlove
Herr Arlinghaus, Sie sind unter anderem Professur für integratives Fischereimanagement an der HU in Berlin, stimmt das?
01:26 robertarlinghaus
Das stimmt.
01:27 timpritlove
Das stimmt.
01:31 robertarlinghaus
Ich bin in der Juniorprofessur gestartet, da hieß das noch Binnenfischereimanagement, das war 2006.
01:37
Und seit 2013 habe ich diese integrative Fischereimanagement Professur.
01:42 timpritlove
Aber konkret lokalisiert sind Sie, glaube ich, am Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei?
01:49 robertarlinghaus
Da ist jemand sehr gut informiert, das stimmt auch.
01:51 timpritlove
Ja, IGB, da war ich sogar schon mal und habe mit Rita Adrian gesprochen, da ging es aber mehr um den Klimawandel und die Seen.
01:59
Heute, wie schon angedroht, wollte ich mich ein bisschen mehr auf das Angeln konzentrieren.
02:05
Und ja, damit müssen wir vielleicht mal anfangen.
02:08
Ich bin ja bekennende Landratte und diese Angelwelt, muss ich zugeben, ist so ein bisschen so ein Bereich,
02:15
wenn man da so nichts direkt mit zu tun hat, dann kommt einem das immer so ein bisschen,
02:24
ist so ein bisschen so ein Buch mit sieben Siegeln.
02:28
Man denkt sich halt immer so, was ist eigentlich da so der Kick?
02:33
Die Frage kennen Sie wahrscheinlich schon.
02:39 robertarlinghaus
Ja, das stimmt natürlich, das ist ein bisschen verborgen für denjenigen, der nicht angelt.
02:43
Wir haben in Deutschland 3,3 Millionen Personen, die tatsächlich angeln, ganz überwiegend Männer.
02:48
Nur sieben Prozent Frauen.
02:50
Und es ist nicht ganz klar, wer sich sozusagen diesem Hobby verschreibt und wer nicht.
02:55
Es gibt so ein paar Hinweise, dass das sehr viel mit Sozialisierung zu tun hat,
02:58
also der Vater, der den Sohn und so weiter.
02:59 timpritlove
Ja, wie mit Fußball sozusagen.
03:00 robertarlinghaus
Mitschleppt, genau.
03:04
Und wir haben sehr stark untersucht, warum es einige halt packt und andere nicht.
03:06
Bzw. mehr, warum es einige packt.
03:09
Und da zeigt sich eigentlich, dass die Leute, die zum Angler werden oder Anglerin ganz viele Dinge damit in Verbindung bringen oder erfahren.
03:15
Also es ist ein sehr reiches Hobby so an Erlebnissen.
03:18
Also man kennt ja dieses Naturerlebnis, das kann man natürlich auch nicht angelnd machen,
03:23
aber das Angeln ist eben Vehikel, um Natur und Umwelt zu erfahren, sich einfach zu entspannen,
03:28
draußen an den Gewässern zu sein und das macht was mit Menschen.
03:30
Das ist, glaube ich, ein großer Antrieb für viele.
03:32
Aber natürlich auch das Angeln von Fischen und am Ende auch der Verzehr von Fischen,
03:38
dieses Selbstverwerten und dieser Selbstverzehr ist ein großes Motiv für viele.
03:43
Und das Ganze ist eben auch sehr spannend, das glaubt man nicht, wer nicht angelt,
03:46
aber wer tatsächlich angelt, es ist einfach so ein Hobby, was immer Überraschungen bereit hält,
03:50
man weiß nie, ob man was fängt an dem Tag, die Fische können einen austricksen
03:55
und dieser Überraschungsmoment ist auch eine sehr hohe Motivation.
03:58
Also man meistert da auch so persönliche Herausforderungen.
04:02
Also kann ich diese eine Forelle überlisten, ja oder nein.
04:05
Kann ich an diesen neuen Gewässern einen Fisch fangen, ja oder nein.
04:07
Wie wirkt sich das Wetter und diese Unwägbarkeiten ist bei vielen Anglern eben auch sehr stark treibend.
04:15 timpritlove
Eine bestimmte Forelle überlisten oder die Forellen als solches?
04:18 robertarlinghaus
Gibt es beides.
04:20
Also es gibt bei den forellenartigen Fischen auch so was wie zum Beispiel den Donaulachs, den Huchen.
04:25
Da ist zum Beispiel sehr genau bekannt, unter welchem Loch welche Fische stehen.
04:29
Und man weiß, da ist ein großer Fisch, der einfach nicht mehr anbeißt oder nie angebissen hat.
04:34
Und dann angelt man ganz gezielt auf einzelne Tiere, aber im Regelfall geht es natürlich über die Art als solches.
04:40
Und man kennt natürlich nicht die einzelnen Individuen da drin, aber es gibt eben bei einigen Arten,
04:45
wie bei Huchen oder bei Karpfen Tal auch den Fall, dass man einzelne Fische beangelt.
04:51 timpritlove
Wie war denn das bei Ihnen, wie kam denn das dazu zu dieser ganzen Anlage?
04:55 robertarlinghaus
Totaler Zufall, also das ist ein gutes Beispiel, ich wurde nicht sozialisiert durch Familie,
05:00
sondern wir haben, meine Mutter ist Spanierin, im Prinzip im Spanienurlaub verbracht,
05:06
vier Wochen, weil beides Pädagogen, gab es also einen Sommerurlaub.
05:10
Und wir waren immer in Spanien an der Küste und ich kann gar nicht sagen warum,
05:14
ich habe einfach das geliebt, diesen Angeln zuzugucken, die da irgendwie auf den Küsten standen und so kleine Fische gefangen haben.
05:20 timpritlove
Ja, die nichts tun.
05:22 robertarlinghaus
Genau, die da stehen, irgendwie den Wurm wechseln und einen Köter irgendwie ins Wasser halten,
05:27
aber das hat was meditatives spannendes.
05:30
Also ich fand das halt faszinierend und habe mir halt irgendwann eine Angel gewünscht
05:33
und da war ich irgendwie so fünf, sechs Jahre und habe dann in diesen Familienurlauben dann eben jeden Tag geangelt
05:39
und irgendwie ein Essen zusammengeangelt.
05:41
Nach vier Wochen gab es dann ein Abendessen, das erfüllte mich mit Stolz.
05:45
Und dann habe ich auch in meiner Heimat Südoldenburg dann eben angefangen,
05:49
erst schwarzangelnd, darf man gar nicht sagen, aber das war so.
05:53
Die bäuerlichen Karpfenteiche da zu plündern in der Gegend.
05:57
Ja und so entstand halt eine Passion, das war einfach, ja, am Wasser sein, Fisch überlisten,
06:04
am Ende dann eben auch die Frage, wie kann ich das optimieren?
06:07
Also da kam dieses wissenschaftliche dann auch.
06:10
Also kann ich Köder irgendwie so zusammenstellen, dass der Karpfen besonders darauf abfährt?
06:16
Wo stehen die Fische?
06:18
Also für mich war das dann nachher auch eben der Grund für wissenschaftliches Interesse.
06:22
Ich wollte einfach verstehen, was die Fische so machen, um sie besser zu angeln.
06:26
Also das war so meine Genese.
06:29 timpritlove
Und dann gab es ein passendes Studium dazu?
06:32 robertarlinghaus
Genau, am Anfang gab es das mangels Internet nicht so einfach herauszufinden.
06:37
Also ich war nie so richtig der Biologe, ich habe zwar geangelt, aber ich war jetzt nicht derjenige,
06:42
der, weiß ich nicht, die Fische auch seziert hat und sich die Schwimmblase angeguckt hat,
06:46
das war gar nicht so sehr meins, aber ich wollte gerne was mit Fischerei machen,
06:50
aber es gab aus meiner Sicht gar keinen Studiengang dafür.
06:53
Das heißt, ich bin dann, das was ich finden konnte bei den Berufsinformationszentren damals,
06:58
war irgendwie so in Berlin gab es Umwelttechnik und das war so ein Ingenieurstudiengang,
07:02
da ging es im weitesten Sinne um Wasserreinhaltung auch und das fand ich irgendwie interessant,
07:06
weil ich damit was für die Gewässer tun wollte.
07:09
Und habe dann eher zufällig auf einer Studentenparty hier in Berlin mit einem alten Angelfreund, Jens Packmann aus Vechta,
07:17
den habe ich da getroffen, der sagte, Mensch die Humboldt die bietet da so einen Studiengang Fischerei an.
07:22
Und ich habe ihn dann irgendwie für bekloppt gehalten, ich so, das kann doch nicht wahr sein,
07:26
dass sich jemand mit Fischerei auseinandersetzt.
07:29
Studienordnung angeschaut, tatsächlich es gab also da so einen alten aus der DDR-Zeit sozusagen überdauernden Studiengang für,
07:36
damals nannte sich das Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung bei den Landwirten angesiedelt
07:41
und das war eben eine Verbindung auch mit dem IGB, wo ich jetzt arbeite.
07:45
Und ja das habe ich dann also kurzerhand direkt Umwelttechnik wieder geschmissen nach einem Semester
07:50
und habe gesagt, das ist mein Ding, also Fischerei will ich studieren.
07:54 timpritlove
Und ist der aktuelle Lehrstuhl dann quasi die direkte Nachfolge davon?
07:56 robertarlinghaus
Kann man sagen, ja.
07:59
Also das ist eine ganz Interessante Historie, das war immer so eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung,
08:03
nämlich IGB bzw. die Vorgängereinrichtung, zu DDR-Zeiten hieß das Institut für Binnenfischerei.
08:09
Und die hatten in den 50er Jahren eine Kooperation mit der landwirtschaftlichen Hochschule dort geschlossen
08:15
und einen Studiengang gegründet, der aber überwiegend von dieser außeruniversitären Einrichtung getragen wurde von der Lehrkapazität.
08:22
Und das ist nach der Wende so geblieben, bis heute ist es eigentlich so, dass die außeruniversitären Einrichtungen
08:28
die Professoren über gemeinsame Berufungen und so weiter stellen und die Lehre dann eben gewährleisten.
08:34
Das ist bis heute so gewesen, und ich bin sozusagen Nachfolger von den älteren Professoren,
08:39
die mich damals ausgebildet haben.
08:40 timpritlove
Ja, der IGB malerisch gelegen da am Müggelsee, ist ja quasi so direkt am Einsatzort.
08:46
Und hat man gleich gemerkt, so der Ort atmet sozusagen auch seine Profession ordentlich durch.
08:55
Gut, kommen wir noch mal so zu den Anglern, ist ja schon mal das Stichwort gefallen so,
09:02
kann man halt auch schwarz machen, sprich es gibt halt auch klare Regularien.
09:07
So Angeln ist jetzt nichts, was man einfach mal so machen kann oder sollte oder dürfte.
09:12
Wie ist denn das überhaupt geregelt?
09:14
Also wer darf angeln, was muss man eigentlich können und an Prüfungen über sich ergehen lassen gegebenenfalls,
09:22
um da mitzuspielen, welche Gruppen kommen da zum Einsatz?
09:28 robertarlinghaus
Ja, das können wir vielleicht mal kurz erläutern, vielleicht noch mal warum wir uns mit dem Angeln beschäftigen.
09:31
Also wie gesagt, unser Institut ist ja so ein Binnenfischereiinstitut unter anderem mit der Gewässerökologie zusammen.
09:37
Aber es ist eben so, dass in allen Industrienationen, also wo eben Menschen Geld und Wohlstand erreicht haben,
09:44
überall auf der ganzen Welt findet man, dass die traditionellen berufliche Nutzung von Seen und Flüssen eher abnimmt
09:51
und dafür eben mehr und mehr geangelt wird.
09:53
Also ist das Angeln eigentlich die dominante Fischereiform in Seen und Flüssen in allen Industrienationen.
09:58 timpritlove
Also es ziehen quasi mehr private Angler Fische aus den Gewässern als es die an den Küsten oder auch an den Seen mit größeren Booten machen?
10:06 robertarlinghaus
Ich rede jetzt nur von der Binnenfischerei, genau, und da ist es so wie Sie es gerade gesagt haben.
10:11
Zum Beispiel für Deutschland zehnmal mehr Fisch wird geangelt als beruflich gefangen.
10:15
Und wir haben ökonomisch gesehen reden wir da über Milliardenumsätze,
10:21
während es nur so wenige Millionen in der beruflichen Fischerei sind.
10:24
Also deswegen ist es auch von der Größe ein bedeutender Sektor und deswegen beschäftigen wir uns wissenschaftlich damit.
10:30
Wer kann jetzt angeln, das ist in allen Ländern unterschiedlich geregelt.
10:34
In Deutschland ist es so, dass wir eigentlich private Fischereirechte haben,
10:39
das heißt, die Seen und Flüsse, die Fischereirechte der Seen und Flüsse gehören dem Gewässereigentümer, der Gewässereigentümerin.
10:46
Und die kann dann sozusagen per Vertrag einer Person zubilligen, daraus Fische zu fangen.
10:53
Diese Person kann dann ein Angler sein oder einen Anglerin, die muss aber in Deutschland eine gewisse Ausbildung mitbringen,
11:00
also vor allen Dingen gelernt haben, mit einem Fisch umzugehen, Fisch vernünftig zu töten und so weiter.
11:03
Und das macht man mit einer sogenannten Anglerprüfung, die 30 Stunden in der Regel dauert.
11:09
Mittlerweile kann man den Kurs auch teilweise online machen, aber so der klassische Fall ist,
11:13
dass man da ein halbes Jahr in den Landgasthöfen sitzt und dann entsprechend ausgebildet wird in Angeltechniken,
11:21
in Natur- und Umweltrecht, wie tötet man Fische in Fanggerät und so weiter und so fort.
11:26
Macht dann eine Prüfung und hat dann so eine allgemeine Legitimation, eine Angelkarte zu kaufen.
11:31
Also das ist ähnlich wie ein Führerschein, man hat also so einen Schein, der einen legitimiert,
11:35
dann an den Gewässereigentümer ranzutreten und zu sagen, gebt mir doch für ein Jahr zum Beispiel die Genehmigung, bei dir zu angeln.
11:43
Und diese Gewässereigentümer sind in Deutschland ganz überwiegend Angelvereine oder auch Anglerverbände,
11:49
wir haben in Deutschland 10.000 an der Zahl, die die Gewässer entweder gekauft haben
11:54
oder aber gepachtet haben, die Fischereirechte von dem Gewässereigentümer für in der Regeln 12-15 Jahre.
12:01
Und derjenige, der nun angeln will, muss dann also in der Regel entweder bei diesem Verein/Verband Mitglied werden
12:06
oder kann da eine Angelkarte kaufen.
12:08 timpritlove
Also so tagesmäßig.
12:09 robertarlinghaus
Tages-, Wochen- oder auch Jahreskarten.
12:13
In Ostdeutschland haben wir gerade in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern auch noch eine funktionierende Seen- und Flussfischerei,
12:18
da ist eben auch so ein Berufsfischereiunternehmen Gewässerpächter
12:22
und dann kann man eben bei diesem Berufsfischereiunternehmen sich die Angelkarte kaufen.
12:26
Etwas anders ist das an der Küste, dort ist in der Regel, zum Beispiel in Mecklenburg, das Land derjenige,
12:32
der das Fischereirecht hat und dann kauft man sich diese Angelkarte beim Land.
12:37
So und dann gibt es eben so noch ein paar Ausnahmen, also gerade Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern,
12:41
die haben so Touristenfischereischeine ins Leben gerufen, um eben die Eintrittshürden etwas zu reduzieren,
12:47
weil eine Anglerprüfung zu machen natürlich relativ hoher Aufwand ist und gerade so touristische Bundesländer,
12:53
die also gerne den Familienvater mit seinem Sohn anziehen wollen zum Angeltrip,
12:58
die haben dann eben diese zeitlich befristeten Möglichkeiten installiert, dort eben für 28 Tage in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel,
13:06
so eine Ausnahmegenehmigung zu haben.
13:08
Und man braucht dann diesen Touristenfischereischein und dann zusätzlich eben die Angelkarte,
13:13
von der ich gerade sprach, um dann angeln gehen zu können.
13:17 timpritlove
Setzt das irgendwelche Kenntnisse voraus oder?
13:19 robertarlinghaus
Genau, in dem Fall ist es, das hat tatsächlich auch zu Konflikten geführt, weil die traditionellen Anglerverbände gesagt haben,
13:25
Mensch da kommen jetzt Leute, die vielleicht nicht so eine Ausbildung erfahren haben, das ist vielleicht nicht so gut.
13:29
Es wird so geregelt, dass man sich so eine Broschüre durchlesen muss in dem Fall,
13:35
wo eben die wichtigsten Dinge drin sind.
13:37
Und in der Mehrzahl der Fälle ist es so, dass natürlich Leute kommen, die irgendwie schon die Technik gelernt haben,
13:43
von Freunden, von Kollegen, die vielleicht auch eine geführte Angeltour buchen, also mit einem Experten zusammen auf dem Boot sind,
13:49
so dass ich eigentlich davon ausgehe, dass in den seltensten Fällen wirklich eine ganz naive Person die Angel in die Hand bekommt.
13:56
Aber es ist natürlich ein Konfliktfeld, weil einige sagen, das ist jetzt auch ungerecht einerseits
14:01
und andererseits muss man eben sicherstellen, dass alle irgendwie so eine Mindestkenntnis haben,
14:05
gerade beim Umgang mit dem Fisch und das ist eine Debatte, die in den entsprechenden Bundesländern bis heute läuft.
14:13
Das ist durchaus kontrovers.
14:15 timpritlove
Diese Debatte geht ja sicherlich in beide Richtungen.
14:19
Also auf der einen Seite gibt es so die erfahrenen Angler in ihrer Welt, die sich dann vielleicht erst mal ein bisschen fürchten,
14:27
wenn dann so die unerfahrenen ankommen und wie wir hören ist das vielleicht auch nicht unbedingt so ein Problem.
14:34
Auf der anderen Seite, glaube ich, stehen sicherlich ja auch die Angler unter Feuer.
14:38
Wir haben ja immer so eine sehr lebendige Diskussion darüber, was denn jetzt der richtige Tierschutz,
14:43
der richtige Naturschutz ist irgendwie, ja muss man denn jetzt hier irgendwie überall diese Tiere fangen,
14:50
sollte man die Natur sich nicht selbst überlassen?
14:55
So ein bisschen ähnlich ist es ja auch in der Jägerwelt.
15:00
Welche Stakeholder sind da sozusagen in dieser Debatte unterwegs?
15:05 robertarlinghaus
Genau, also das ist tatsächlich auf mehreren Ebenen gibt diese verschiedenen Debatten.
15:12
Also wir haben Konfliktpotenzial, wie Sie schon sagten, innerhalb der Angler.
15:15
Zwischen Vereinsangler und nicht organisiertem Angler.
15:18
Zwischen dem Angeltouristen und dem einheimischen Angler.
15:21
Zwischen Anglern unterschiedlicher Spezialisierungsgraden.
15:24
Weil man sich gegenseitig vielleicht vorhält, nicht den eigenen Normen zu entsprechen beim Angelverhalten und so weiter.
15:31
Man hat Konflikte zwischen Anglern und Berufsfischern.
15:33
In den Fällen vor allen Dingen, wo es noch eine Co-Nutzung gibt und wo nicht der Berufsfischer profitiert von den Anglern.
15:40
Also Binnengewässer hatte ich gerade gesagt, ist so ein Berufsfischereiunternehmen daran interessiert,
15:44
auch Einkommen zu generieren über die Angelkarten.
15:48
Da sind die Konflikte nicht so stark wie an der Küste.
15:51
Wir arbeiten zum Beispiel gerade vor Rügen, da gibt es enorme Konflikte zwischen der klassischen Küstenfischerei und den Anglern.
15:56
Also das sind einfach Verteilungskonflikte, aber auch Normenkonflikte.
16:01
Dann gibt es eine Debatte zwischen Naturschutz und Angelfischerei und das sehen wir auch sehr stark an der Küste,
16:07
aber auch in Binnengewässern, wo eben sehr viele Naturschutzgebiete das auch beabsichtigen,
16:13
sagen wir mal, die Fischerei einzugrenzen, wenn nicht gar auszugrenzen.
16:18
Und es gibt dann den Tierschutzkonflikt, den Sie gerade ansprachen, das ist sozusagen die letzte Ebene.
16:23
Wo eben nicht die Natur oder der Populationserhalt im Vordergrund steht, sondern das Wohlergehen eines einzelnen Tieres.
16:32
Nämlich ist es legitim, einem einzelnen Tier Schmerzen, Schäden oder Leiden zuzufügen?
16:39
Und ist das sozusagen ethisch und moralisch akzeptabel?
16:42
und diese Debatte ist relativ aufgeheizt, sowohl zwischen Angelfischerei und vielleicht auch Tierrechtsgruppierungen,
16:50
aber durchaus aus innerhalb der Angelfischerei.
16:54
Wenn Sie mal in den sozialen Medien sich das anschauen wollen, also da gibt es dann eben viele Konflikte
16:59
zwischen zum Beispiel einer Person, die einen großen Fisch fängt, abschlägt und damit posiert.
17:04 timpritlove
Abschlägt heißt was?
17:05 robertarlinghaus
Töten und ihn dann zeigt zum Beispiel, hier ich habe einen großen Hecht gefangen.
17:08
Da werden Sie enorme Aversionen sehen, Wortmeldungen, die sagen, wie konntest du nur?
17:14
Wie konntest du so ein Tier töten und setz den doch bitte zurück.
17:18
Wo hingegen dann gesagt wird, nein nein, wir haben hier einen vernünftigen Grund, essen von Fisch
17:22
und ich habe einfach nur tierschutzrechtlich alles korrekt gemacht, du kannst mir gar nichts.
17:27
Also auch innerhalb der Angler gibt es da irgendwie so einen Riss durch die Gemeinde, würde ich sagen,
17:32
gerade bei der Frage Tierschutz ist es enorm kontrovers.
17:37 timpritlove
Heißt denn das, dass eigentlich die meisten geangelten Fische auch privat konsumiert werden?
17:44 robertarlinghaus
Das kann man also nach unseren Studien schon so sagen, das hängt so ein bisschen von der Fischart ab,
17:48
aber im Großen und Ganzen ist es so.
17:50
Natürlich nur die Entnahmefähigen, also es gibt sehr viele, die man zurücksetzen muss, weil sie zu klein sind zum Beispiel,
17:55
es gibt so Schonbestimmungen, man muss eine gewisse Länge erreichen bei den meisten Arten.
18:01
Dass man also mindestens ein- oder zweimal abgelaicht hat, also Eier abgegeben hat,
18:05
um zum Populationsgehalt beizutragen und danach sind die Fische in der Regel zu entnehmen.
18:12
Und nach unseren Umfragestudien sind etwa so 90 Prozent der Anglerinnen und Angler, die das eben dann auch tun,
18:18
und zu etwa 10 Prozent, die die meisten oder vielleicht auch alle Fische dann nicht mehr mitnehmen.
18:23
Also es gibt tatsächlich eben auch so einen Anteil von Anglern, die dann keinen Fisch mitnehmen.
18:27
Aber die Mehrzahl nimmt die Fische mit und bei solchen Arten wie Zander oder Forelle oder Aal, Dorsch…
18:35 timpritlove
Lecker Zeug.
18:36 robertarlinghaus
Das ist dann einfach auch sehr lecker und sehr beliebt und so was wird dann auch bei der Mehrzahl der Angler mitgenommen.
18:44
Nicht bei allen und deswegen gibt es eben auch Konflikte innerhalb der Anglerschaft.
18:47
Gerade die sehr aktiven Angler, die auch viel fangen, die wenden häufig die Technik der selektiven Entnahme an.
18:56
Also die sozusagen nur einen Teil der Fische mitnehmen, einen anderen Teil zurücksetzen,
19:00
im Extremfall auch alles zurücksetzen und sich sozusagen den Fisch aussuchen, den sie mitnehmen.
19:07
Also da kann man dann nicht von einer Subsistenz mehr reden, sondern es ist wirklich eine Auswahl,
19:11
eine gezielte Auswahl häufig von mittelgroßen sogenannten Küchenfischen, die dann entnommen werden.
19:15
Die ganz großen werden dann auch selektiv wieder zurückgesetzt, weil man findet,
19:20
dass diese Fische eher sozusagen zum Bestandserhalt beitragen und man den nicht essen möchte.
19:24
Also das gibt es natürlich auch.
19:27 timpritlove
Wenn so ein Fisch gefangen wird, ich meine, in der Regel beißt der doch auf irgendsoeinen Haken oder?
19:30 robertarlinghaus
Ja, in der Regel schon.
19:32 timpritlove
Ja, ist der dann nicht auch verletzt, also ist dieses Rücksetzen dann auch unproblematisch?
19:38 robertarlinghaus
Genau, das haben wir sehr intensiv untersucht, das ist also eins in unserem Forschungsbereich der am intensivsten untersuchten Bereiche.
19:45
Und da kann man schon sagen, wenn der Fisch flach gehakt ist, wie wir sagen, also im Maulbereich gehakt ist
19:52
und das kann man mit den meisten Angelmethoden im Prinzip gewährleisten.
19:56 timpritlove
Also dass der Haken nicht tief eindringt?
19:59 robertarlinghaus
Dass der nicht tief eindringt in die Kiemen oder in den Schlund, in solchen Fällen muss man den Fisch entnehmen.
20:05
Aber wenn der Fisch flach gehakt ist, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit sehr sehr hoch.
20:10
Also 95 Prozent und höher zum Beispiel bei den Karpfen, bei Welsen, beim Hecht, das haben wir selbst untersucht.
20:17
Nahe 100 Prozent Überlebensrate.
20:20 timpritlove
Wie kann man das untersuchen?
20:21 robertarlinghaus
Das wird untersucht, wir haben den Fischen Sender implantiert, also es gibt verschiedene Untersuchungsmethoden,
20:26
man kann zum Beispiel die Fische experimentell angeln und dann einen Teil nicht angeln und einen Teil schon angeln
20:32
und dann observieren in Teichen oder Tanks, das ist eine Methode.
20:37
Die Methode, die wir präferieren ist das Aussetzen von Fischen mit Sendern, so dass wir wirklich verfolgen können,
20:41
ob der Fisch noch lebt und man angelt dann einen Teil davon.
20:45
Und schaut dann über mehrere Monate, ob die Fische überleben.
20:49
Und das haben wir zum Beispiel bei Barschen gemacht, bei Hechten, bei Karpfen und Welsen
20:52
und da ist die Überlebensrate 95 bis häufig 100 Prozent.
20:57
Aber wenn der Fisch tief gehakt ist, blutet oder bei einigen Arten auch eine sehr große Tiefe kommt,
21:03
sagen wir mal beim Zander alles unter 10-15 Meter Gewässertiefe, dann sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit,
21:11
und es gibt eben sehr hohe Sterblichkeiten.
21:12
Das heißt, es ist wirklich art- und geräteabhängig und der Angler muss dann auch einschätzen können,
21:17
und das können sie auch, weil sie einfach da ausgebildet sind,
21:21
unter welchen Bedingungen das einfach auch nicht mehr okay ist, den Fisch zurückzusetzen.
21:26 timpritlove
Inwiefern ist da die Fangtiefe ein Faktor?
21:29 robertarlinghaus
Ist einer der Faktoren, der Verletzungen hervorbringt, das ist wie auch gesagt auch artabhängig.
21:34
Aber die Fangtiefe führt eben, ähnlich wie beim Tauchen, wenn man da also zu schnell einen Fisch hochzieht aus der Tiefe,
21:41
kann das eben zu dieser Taucherkrankheit führen.
21:42 timpritlove
Also durch die Druckunterschiede ganz konkret.
21:43 robertarlinghaus
Durch die Druckunterschiede ganz konkret.
21:45 robertarlinghaus
Und einige Arten können das besser, zum Beispiel der Dorsch kann das besser vertragen als zum Beispiel der Zander.
21:51
Das ist jetzt von der Art abhängig, aber große Tiefe ist ein großes Problem.
21:56
Das heißt, in solchen Fällen kann man nicht mehr mit gutem Gewissen die Fische zurücksetzen,
21:59
die sind dann einfach zu entnehmen, weil einfach die Überlebenswahrscheinlichkeit zu gering ist.
22:04 timpritlove
Aber das ist ja dann auch schon ein gezielter Vorgang.
22:06
Man kann ja regeln, wie tief man fischt und wenn man jetzt in die Tiefe geht, kann man das dann dadurch mitigieren,
22:15
indem man dann langsamer rauszieht oder?
22:19 robertarlinghaus
Da gibt es eine Forschung zu.
22:20
Es gibt so eine decompressions devices, also Möglichkeiten, diese Schwimmblase zu dekomprimieren.
22:26
Im Prinzip die Luft wieder rauszulassen.
22:28
In den USA gibt es auch solche Methoden, den Fisch sehr schnell wieder auf Tiefe zu bringen mit so einem Gewicht.
22:34
Alle Studien, die ich kenne, zeigen eigentlich marginale Effekte.
22:38
Also es gibt kaum messbare Effekte, das heißt, in solchen Fällen mit großer Tiefe jetzt aus meiner wissenschaftlichen Sicht zu sagen,
22:45
ist der Fisch eigentlich in der Regel einfach zu entnehmen.
22:47
Das sind alles so ein bisschen Makulatur, da zu versuchen, den Fisch noch wieder zu retten.
22:52
Also in solchen Fällen muss der Angler einfach den Fisch mitnehmen.
22:56
Oder wenn er irgendwie zu viele untermaßige Fische fängt, ist der Angelplatz zu wechseln,
23:01
weil man sonst zu viele Sterblichkeiten produziert.
23:04 timpritlove
Jetzt merkt man ja schon so, einfach nur die Angel in den See schmeißen und warten bis der Fisch kommt
23:09
und dann nimmt man ihn mit und das war es, so einfach ist es jetzt nicht, sondern es ist schon,
23:14
wenn man dieser Tätigkeit nachgeht ist es durchaus geboten, noch eine ganze Menge Kenntnisse mitzunehmen,
23:20
die vielleicht jetzt auch nicht unbedingt immer so vorliegen, ich meine, da mag es dann viel, wie sagt man,
23:26
Anglerlatein geben, jetzt sind Sie ja in dieser wissenschaftlichen Position sozusagen und eben, ich sage mal,
23:37
mit so einem eher untypischen Studiengang, der ja sehr viel anwendungsorientierter ist als jetzt, was weiß ich,
23:48
theoretische Physik oder so, um mal gleich das andere Ende des Spektrums zu nennen.
23:56
Wie schafft man es, diese Brücke zu schlagen in so eine relativ große Szene?
24:05
Ich meine, 3,3 Millionen Leute werden sich jetzt nicht alle täglich wissenschaftliche Papers zu diesem Thema durchlesen.
24:11 robertarlinghaus
Schön wäre es.
24:13 timpritlove
Ja, gut, probieren kann man es ja mal.
24:17 robertarlinghaus
Genau, also vielleicht noch einen Schritt zurück, also Sie haben völlig recht, das ist ein komplexes Thema
24:22
und nicht jeder, der jetzt angelt, steigt da so tief ein, einerseits.
24:26
Andererseits gibt es ja so Leute wie mich, also die nicht nur angeln, sondern sich auch für das Drumherum interessieren.
24:33
Und Sie werden überrascht sein, es gibt 10.000 Angelvereine, da gibt es dann auch Leute, die bestellt sind,
24:39
die Bewirtschaftung zu übernehmen.
24:40
Also wir haben in Deutschland ja nicht nur Angeln, sondern der Angler bewirtschaftet ja auch die Gewässer.
24:44
Setzt Fische aus, verbessert die Lebensräume, ändert die Fangbestimmungen selbstmotiviert und selbstorganisiert in 10.000 Angelvereinen.
24:53
Da gibt es also Leute, die diese Aufgabe übernehmen und entsprechend natürlich auch geschult werden
24:56
von Verbänden, sich auch selbst schulen und sozusagen auf die Suche gehen nach Informationen,
25:02
um ihr Praktikerwissen natürlich auch noch ein bisschen zu vertiefen.
25:06
Und das gleiche findet man eben auch bei sehr vielen normalen Anglern.
25:09
Also es gibt einige Anglergruppen, Fliegenfischer zum Beispiel, das sind halbe Entomologen.
25:15
Also die wissen ganz genau, welche Insekten in den Gewässern vorkommen, wann die schlüpfen,
25:19
die observieren die Natur und Umwelt und ich würde sagen, in vielen Fällen kommt so ein Erfahrungs- und Praktikerwissen ran,
25:26
dass dem wissenschaftlichen also sehr nahe kommt und das haben wir auch untersucht zum Beispiel.
25:32
In einer Studie haben wir mal verglichen, wie ist eigentlich das wissenschaftliche Wissen,
25:36
in unserem Fall ging es da um die Hechte, wie vergleichbar ist das eigentlich mit dem gebündelten Wissen,
25:42
was so die Angler mitbringen.
25:43
Und da konnten wir zeigen, dass gerade wenn mehrere Angler sozusagen zusammen darüber nachdenken,
25:49
wie Ursache-Wirkungs-Beziehungen sind, dann ist das Ergebnis relativ nah dran an dem,
25:54
wie Wissenschaftler über den gleichen Sachverhalt denken.
25:56
Also natürlich gibt es da auch fehlerhafte Vorstellungen, aber in vielen Fällen eben durchaus auch sehr interessante Homologien
26:02
zwischen Praktikerwissen und wissenschaftlichen Wissen.
26:05
Das nur so als Vorrede.
26:07
Trotzdem war ich genervt oder frustriert als junger Wissenschaftler, gerade nachdem ich meine Doktorarbeit beendet habe,
26:13
auch ein paar Jahre danach habe ich versucht, eben über wissenschaftliche Publikationen das neueste sozusagen zu kommunizieren in die Praxis herein.
26:21
Und das kann man sagen ist im Rahmen einer schnellen Durchdringung der Praxis eigentlich zum Scheitern verurteilt.
26:28
Weil allein die Sprachbarriere, dass die meisten Publikationen auf Englisch sind, verhindern eigentlich auch schon,
26:34
dass so was schnell durchschlägt.
26:36
Das war also das erste Problem.
26:37
Und das zweite war, viele unserer Studien waren an Forschungsseen.
26:42
Und da haben wir auch festgestellt, das ist irgendwie so eine abstrakte Ebene, wo viele Menschen sagen,
26:47
ja das gilt aber nicht bei mir vor Ort, das ist irgendwo da Elfenbeinturm am Brandenburg eingezäunten Forschungssee.
26:54
Und irgendwie gilt das nicht, bei uns ist das alles anders.
26:57
So dass dann relativ schnell so nach etwa 10 Jahren im Business, also im Forscherleben,
27:05
bei mir die Erkenntnis gereift ist, ich muss eigentlich die Forschung zu den Leuten bringen.
27:08
Also ich muss mit den Anglerinnen und Anglern vor Ort forschen.
27:11
Gemeinsam Experimente entwickeln und durchsetzen zu Themen, die die Leute interessieren.
27:16
Zum Beispiel das Einsetzen von Fischen ist so ein großes Thema, das nennt sich Fischbesatz.
27:21
Das ist eine ganz lange traditionelle fischereiliche Bewirtschaftungsmaßnahme,
27:27
die flächendeckend in Deutschland von den Angelvereinen durchgesetzt wird.
27:31
Mit anderen Worten, man hat das Gefühl, in meinem Gewässer kommen keine Fische oder zu wenig Fische vor.
27:36
Man kauft sich dann Wildfische aus Fängen von Berufsfischerei oder gezüchtete Fische und setzt die aus.
27:43
Und da wissen wir eigentlich aus der ökologischen Theorie, dass in sehr wenigen Fällen
27:48
und nur Ausnahmefällen so was wirklich den Bestand steigert.
27:52
Aber das an die Angler zu kommunizieren war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
27:56
Weil immer diese kognitive Barriere kam, ja das, was du da wissenschaftlich am Gewässer X rausgefunden hast,
28:02
das zählt bei uns nicht.
28:04
Und die Lösung war dann wirklich zusammen zu forschen.
28:07
Also Angelvereine zu suchen, Mensch wer hat Gewässer, wer möchte denn für seine Gewässer mal ein Experiment machen,
28:14
Fische aussetzen, die markiert sind, um mal zu gucken, wie ist denn das bei mir vor Ort unter praktischen Bedingungen?
28:19
Und diese Forschungsphilosophie, das nennen wir transdisziplinäres Forschen,
28:24
also Forschen in der Praxis mit der Praxis, ist jetzt eigentlich unser Credo.
28:28
Wir machen eigentlich nur noch so was, wo wir eben Dinge, die die Leute vor Ort interessiert,
28:33
wirklich an ihren Gewässern umsetzen.
28:35
Und das ist für mich die beste Form dann auch von Wissenschaftskommunikation,
28:38
weil das wirklich zu einem Aha-Erlebnis wird auch bei den Leuten.
28:41 timpritlove
Und zu einer ganz anderen Akzeptanz der Ergebnisse.
28:43 robertarlinghaus
Ganz andere Akzeptanz, genau.
28:45
Man ist sozusagen zusammen Lernender.
28:48
Ich komme jetzt nicht in den Verein rein und sage, ich habe die Weisheit mit Löffeln gefressen,
28:52
sondern ich sage auch, ich habe auch keine Ahnung, ihr habt keine Ahnung oder zumindest nicht vollständige Ahnung…
28:58 timpritlove
… lass doch mal gemeinsam rausfinden.
28:59 robertarlinghaus
… lass uns das mal gemeinsam rausfinden.
29:01
Ich kann reinbringen meine wissenschaftliche Methodik, die ist ein bisschen anders als eure Praktikerdenke,
29:06
aber ihr habt das Praktikerwissen und zusammen finden wir eine Lösung.
29:10 timpritlove
Und ihr kennt die Bedingungen vor Ort, ihr könnt da ein Teil davon sein.
29:15
Ja, das ist eigentlich eine sehr motivierende Geschichte.
29:17
Das ist so ein bisschen ein anderes Buzzword, was mir gerade kommt, ist so diese Idee des Citizen Science,
29:21
die aber in gewisser Hinsicht auch noch mal so eher entkoppelt ist und für sich forscht
29:27
und vielleicht Ergebnisse liefert, die dann später woanders ausgewertet werden.
29:30
Aber hier ist es ja wirklich eine totale Kooperation.
29:36
Wie muss man denn das jetzt einschätzen, wie die das…
29:43
ich weiß gar nicht, wie ich diesen ganzen Bereich nennen soll.
29:46
So das Beangeln unserer Binnengewässer, ist das eher ein hilfreicher Beitrag zur Stabilisierung einer Kulturlandschaft,
30:01
die ja letzten Endes auch die Gewässer sind, auch wenn das vielleicht jetzt nicht so ausgeprägt ist wie auf dem Land.
30:07
Also ist das eher so ein notwendiges Regulativ oder ist es eigentlich ein zwar irgendwie natürlicher Vorgang,
30:16
der aber eher zum Problem werden kann für die Natur und damit ja auch für den Rest der Ökosysteme.
30:24
Wie ist das einzuschätzen?
30:26 robertarlinghaus
Beides.
30:28
Also es ist, glaube ich, zunächst mal zu konstatieren, dass der Haupteinflussfaktor auf die biologische Vielfalt an den Gewässern,
30:36
auf die Fischgemeinschaften, auf die Biodiversität, wie wir heute sagen, nicht in der Fischerei
30:42
und nicht in der Angelfischerei in den Binnengewässern zu suchen ist.
30:44
Das ist etwas anders als bei den marinen Situationen, wo Überfischung stärker als Ursache für Probleme bei den Fischen gilt.
30:52
Bei den Binnengewässern ist das etwas anders, wir haben also hier die Situation,
30:57
dass fast alle Seen und Flüsse massiv von unserem Lebensstil, nicht von der Fischerei,
31:02
sondern von der Art und Weise wie wir als Gesellschaft leben, beeinflusst worden sind.
31:05
Alle Flüsse, die wir kennen in Deutschland, sind begradigt.
31:09
Wir haben überall Querverbauung, wir haben überall künstliche Uferschüttung.
31:13
Wenn Sie hier durch Berlin gehen, ist das sogar häufig noch mit Stahlspundwänden eingemauert.
31:19
Alle Gewässer liegen in der Landschaft und sammeln Schadstoffe ein, die aus der Landwirtschaft ausgewaschen werden.
31:24
Also wenn man wirklich mal schaut, welche massiven Veränderungen für die Fischabundanz,
31:29
für die Häufigkeit von Fischen, aber auch für die Fische an Vielfalt von nichtfischereilichen Faktoren ausgehen,
31:34
dann ist das alles was wir in der Fischerei versuchen zu regeln Makulatur.
31:38
Das ist einfach „Pipifax“.
31:41
Also die Hauptprobleme liegen woanders.
31:43
Das heißt nicht, dass Angelfischerei und Fischerei ohne Wirkung ist auf Ökosysteme.
31:48
Natürlich ist eine Überfischung denkbar.
31:51
Überfischung wird in der Regel dadurch indiziert oder angezeigt, dass die Menge an Fisch einer Art zurückgeht
31:57
und vor allem die Größenverteilung dieser Fischart zurückgehen.
32:00
Wir haben häufig auch Effekte, die zusammenwirken.
32:05
Zum Beispiel der Verbau der Gewässer, die Veränderung durch Wanderbarkeit zusammen mit Befischungsdruck.
32:11
Das war beim Stör zum Beispiel einer der Gründe, weswegen diese Art ausgestorben ist.
32:16
Also natürlich kann auch zu starke Fischerei die Gewässer verändern oder über Bewirtschaftungsmaßnahmen falsche Entscheidungen gefällt werden.
32:25
Zum Beispiel können nichtheimische Arten durch schlecht sortierten Fischbesatz in Gewässer kommen.
32:31
Und da muss natürlich Fischereimanagement ansetzen und sagen, wie gestalte ich das Fischereimanagement,
32:36
das diese negativen Wirkungen verhindert und nicht umgesetzt werden.
32:42
Und da gibt es ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten und da setzt auch unsere Forschung an.
32:46
Auf der anderen Seite ist eben Fischerei und die Präsenz von Anglern auch ein Vehikel dafür,
32:51
dass überhaupt so ein gesellschaftliches Gedächtnis noch da ist für die Dinge da unter Wasser.
32:56
Denn im Unterschied zu den Landlebewesen, den Vögeln, die jeder sieht,
33:02
jeder Mensch in der Gesellschaft hat da irgendwie ein Fabel für, die meisten zumindest.
33:05 timpritlove
Das Reh und so weiter.
33:07 robertarlinghaus
Das Reh und so weiter und so fort.
33:08 timpritlove
Der Fuchs.
33:09 robertarlinghaus
Selbst die Insektendebatte, die wir hatten, diese 80-prozentige Abnahme der Biomasse,
33:13
ging medial durch die Decke oder die Bienenstory.
33:16
Also das ist etwas, was jeder so ein bisschen, was jeden „toucht“.
33:21
Bei den Fischen ist das anders.
33:22 timpritlove
Weil man die nicht sieht.
33:23 robertarlinghaus
Man sieht die nicht und die sehen irgendwie so anders aus und sind irgendwie so kaltblütig,
33:28
sind nicht so wechselwarm und die sind so ein bisschen im Verborgenen und das haben wir auch durch eine ganze Reihe von Umfragestudien gezeigt,
33:35
also wir konnten über zufällige Bevölkerungsbefragung tatsächlich nachweisen,
33:39
dass kein Mensch irgendwie unsere Arten mehr kennt zum Beispiel die Fischarten.
33:43
Keiner weiß was eine Barbe und eine Esche ist.
33:45
Oder solche Arten, die künstlich aus Nordamerika eingeführt worden sind Anfang des 19. Jahrhunderts.
33:52
Die Regenbogenforelle wird als heimische Art wahrgenommen, die kennt jeder aus dem Supermarkt,
33:56
das ist doch irgendwie was heimisches.
33:58 timpritlove
Aus dem heimischen Supermarkt.
34:01 robertarlinghaus
Oder wo hingegen der atlantische Lachs irgendwie, da denken die Leute, das ist irgendwie Norwegen, das gibt es bei uns gar nicht.
34:07
Also das ist eine heimische Fischart, die ist leider ausgestorben, weil wir unsere Gewässer verändert haben.
34:11
Und da kommt jetzt der Angler ins Spiel und die Angelgemeinschaft für Fischerei,
34:16
dass eben mehrere Millionen Leute da irgendwie erstens ihre Nutzen daraus ziehen
34:21
und dann natürlich auch ein Interesse haben, diese Bestände wieder aufzubauen, Fischartenschutz zu betreiben
34:27
und das machen dann die Angelvereine mit ihren Mitteln, sind ja häufig nicht in der Lage, Gewässer umzubauen,
34:32
aber sie tun mindestens einen Lobbyismus der da ist in der Sache Fisch zu wirken.
34:38
Und da, finde ich, ist die gesellschaftliche Bedeutung für die Leute außerhalb der Fischerei,
34:43
wo man sagt, da kümmert sich jemand um Umwelt, nämlich in dem Fall die Wasserumwelt,
34:48
die sonst ja einfach aus dem Gedächtnis verschwindet und einfach so nicht richtig präsent ist.
34:55 timpritlove
So wie Jägern, glaube ich, auch oft so ein bisschen unterstellt wird, so ein bisschen Feind des Tieres zu sein,
35:01
ist es ja eigentlich genau andersherum.
35:05
Die Jäger setzen sich sehr viel intensiver mit der Tierwelt auseinander und haben vor allem auch so eine unmittelbare Beziehung zu diesen Tieren.
35:12
Allein schon weil man ja auch dem Tod und damit sozusagen auch dem Leben des Tieres sehr viel näher kommt,
35:20
als wenn man jetzt irgendwie seinen ganzen Nahrungsmittel, im besten Fall noch in prozessierten Nahrungsmitteln,
35:27
konsumiert und überhaupt gar keinen Bezug mehr dazu hat, wo es eigentlich herkommt.
35:31
Und ähnlich ist es ja beim Angeln dann auch.
35:34
Man hat einfach unmittelbaren Kontakt zu den Fischen, ja okay gut, dann gibt es halt die Entscheidung,
35:40
du gehst jetzt wieder zurück oder in den Kochtopf, gar keine Frage.
35:44
Aber man hat ja dann eine Vorstellung davon, was ist das überhaupt, wie groß ist das überhaupt?
35:48
Man kann sich ja manchmal auch einfach die schiere Größe dieser Fische gar nicht so richtig vorstellen.
35:54
Ich denke, wenn man in Deutschland die Leute mal nach dem typischen Durchschnittsgewicht von verschiedenen Fischarten fragen würde,
36:01
ging es wahrscheinlich komplett in alle Richtungen falsch hin und her so.
36:04 robertarlinghaus
Genauso sehe ich das auch.
36:06
Es gibt leider keine gute Übersetzung dafür, aber im Englischsprachigen gibt es den Begriff des Stewardship.
36:12
Ich kann es nicht übersetzen, aber es ist irgendwie eine Verbindung, eine ethische moralische …
36:16 timpritlove
So eine leitende Begleitung.
36:18 robertarlinghaus
Genau, und die kann man auf verschiedenen Ebenen haben.
36:22
Die kann man auf der Ebene der Naturerfahrung haben bis hin zu der Kompetenzentwicklung
36:28
oder der Einschätzbarkeit auch von ökologischen Prozessen.
36:33
Und ich finde, so Jäger und Angeln, die haben diese ganze Kette, diese ganze Nahrungskette wird durchgezogen.
36:39
Man hat die eigene Erfahrungsumwelt, man erlebt, wie Natur und Umwelt sich ändert.
36:44
Was auch passiert, wenn die kleine Wasserkraft da zu einem Gewässerumbau führt.
36:48
Dann erlebt eine Person, die jetzt irgendwie 10-20 Jahre so ein Gewässer befischt, Veränderung.
36:56 timpritlove
Steigende Wasserspiegel, sinkende Wasserspiegel.
36:58 robertarlinghaus
Austrocknungseffekte jetzt durch Klimawandel, das merken die Leute vor Ort, diese Seespiegel sinken und so.
37:06
Also man hat diese gesamten komplexen Erfahrungen da.
37:08
Andererseits merkt man auch, was kann ich tun?
37:10
Man entwickelt Kompetenzen oder zumindest Verständnis dafür.
37:14
Mensch, wir müssen hier vielleicht einen Laichplatz anlegen oder die Durchwanderbarkeit schaffen.
37:19
Das ist etwas, was keine andere Gesellschaftsgruppe so richtig erfährt.
37:22
Und drittens, diese Erdung, was Sie gerade sagten mit dem Töten und dem Erfahren des selbsterlegten Tieres,
37:28
das kann man jetzt grausam finden und einige finden das grausam.
37:33
Die grundsätzlich die Nutzung von Tieren ablehnen, die werden alle meine Argumente nicht überzeugen.
37:38
Das verstehe ich, aber derjenige, der sich Fleischkonsum, in welcher Form auch immer, sozusagen zuwendet,
37:46
für den gibt es ja nichts erdenderes und auch ehrfürchtigeres als sich das eigene Tier zu besorgen.
37:52
Also und dann auch zu sehen, wie geht es dem Fisch, wie kann ich auch Leiden ganz kurz halten
37:58
und das ist aus meiner Sicht in der Angelkultur sehr stark verankert.
38:00
Also gerade in Deutschland, das ist nicht international unbedingt immer der Fall.
38:04
Aber die Deutschen haben durch diese Anglerprüfung und durch das Thema Tierschutz eigentlich bei der Mehrzahl der Leute
38:09
diese starke Verankerung, den Fisch sofort zu töten, schnell zu töten und nicht irgendwie in einer Tüte rumzappeln zu lassen.
38:16
Das sieht man nur in Ausnahmefällen.
38:18
Das ist in den USA völlig anders.
38:20
Und das gehört irgendwie zu so einem Thema Nachhaltigkeit mit dazu.
38:24
Also aus meiner Sicht gibt es nichts nachhaltigeres als selbst erlegten oder selbst gefangenen Fisch
38:30
oder selbst erlegtes Wildbret.
38:32
Also das hat auch eine edukative Komponente.
38:37 timpritlove
Wie kann man denn das jetzt noch weiter nutzen?
38:42
Weil im Prinzip hat man ja jetzt so 3,3 Millionen kostenlose Umweltsensoren in der Landschaft herumstehen.
38:53
Und klar, wir hatten das jetzt schon angesprochen, dass man halt so gemeinsame Experimente macht,
38:59
das ist natürlich auch eine sehr aktive Rolle, die jetzt wahrscheinlich auch abgesehen vom IGB jetzt an so vielen Orten auch nicht gemacht wird,
39:08
das heißt, das erreicht ja jetzt auch nicht alle Anglervereine.
39:10
Also mit denen man es macht, mag man gute Ergebnisse haben, bleiben aber wahrscheinlich noch 95 Prozent über oder mehr.
39:18
Gibt es einen Ansatz, wie man generell den Angelbetrieb an der Stelle wissenschaftlicher machen kann
39:28
oder mehr Anbindung schaffen kann?
39:31
Vielleicht gibt es in der Hinsicht eine automatische Anbindung, dass das sozusagen noch weiter Früchte trägt.
39:39 robertarlinghaus
Ja, also erstens, genau diese fehlende Breitenwirkung war auch ein Grund,
39:44
weswegen wir vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert auch so Anschlussprojekte hatten,
39:49
wo es nur darum ging, Wissenschaftskommunikation zu machen.
39:52
Also wir haben so eine Roadshow gemacht zum Beispiel in ganz Deutschland.
39:56
Oder so einen Dokumentarfilm gemacht.
39:59
Also diese Erkenntnisse, die wir dort in dem Fall zu Fischbesatz in Niedersachsen realisiert haben, in die Breite zu bringen.
40:06
Und auch das erreicht jetzt nicht alle, aber diese Initiativen, die wir gemacht haben, haben schon eine Breitenwirkung gehabt.
40:13
Also das ist, glaube ich, schon in viele Vereine mit eingedrungen, das ist eine Möglichkeit.
40:18
Also dass der Wissenschaftler, die Wissenschaftlerin Wissenschaftskommunikation mit eindeckt in seine Projekte
40:24
und nicht nur ein Paper schreibt, einen Aufsatz schreibt, sondern eben auch sagt, wie kann ich das vermitteln.
40:28
Die zweite Ebene ist für Multiplikatoren zu sorgen.
40:32
Also mit anderen Worten, Leute, Studenten, Studierende auszubilden, Doktorierende,
40:37
die dann in die Verbände gehen, das heißt, in jedem Bundesland gibt es nicht nur Angelvereine,
40:43
sondern darüber gelagert Verbände, die also diese Angelvereine organisieren,
40:47
dass also dort Kompetenzen geschaffen werden, die diese Vermittlungsrolle dann leisten können.
40:53
Und die ihrerseits dann zum Beispiel gemeinsame Experimente machen können
40:58
oder auch Wissenschaft übersetzen können in Handlungsleitfäden in der Bewirtschaftung.
41:03
Und das findet tatsächlich auch statt.
41:05
Also wir ganz konkret arbeiten intensiv mit dem Anglerverband Niedersachsen zusammen, aber auch mit anderen,
41:11
mit dem Verband aber seit vielen Jahren und dort sehen wir, dass zum Teil promovierte Fischereibiologen,
41:16
teilweise auch Leute mit einem Master, diese Rolle übernehmen und dann beratend wirken in der Fläche.
41:23
Und wir haben zum Beispiel ein Projekt dort laufen, wo wir Alternativen zum Fischbesatz machen,
41:28
nämlich das Aufwerten von Uferlebensräumen.
41:30
Das heißt, in dem Fall sind diese künstlich geschaffenen Seen, Baggerseen, die relativ steilscharige Ufer haben,
41:36
das ist schlecht für Fische, dort haben die Angelvereine gesagt, wir bringen dort Totholz ein.
41:41
Also im Prinzip Baumkronen oder andere Strukturelemente, die zum Lebensraum werden für Fische.
41:48
Die können sich da verstecken, wo sich wirbellose Tiere ansiedeln können und so weiter.
41:52
Als Alternative zum Einsetzen von Fischbesatz.
41:56
Und das Projekt haben wir gestartet, also über den Anglerverband Niedersachsen als Praxispartner,
42:00
flankiert mit einer Öffentlichkeitsarbeit und innerhalb eines Jahres gab es da 20, 30,40 Vereine über ganz Deutschland,
42:08
die gesagt haben, wir machen mit, wir ahmen nach.
42:12
Die waren gar nicht Teil des Projektes, sondern haben das irgendwo mitgekriegt und haben gesagt, das machen wir auch.
42:17
Und das können Sie sich gar nicht vorstellen, wie schnell gerade diese lokalen Gemeinschaften,
42:22
die haben Zugänge zu schwerem Arbeitsgerät, da kennt sich jeder in den ländlichen Gebieten.
42:28 timpritlove
Kurze Entscheidungswege.
42:29 robertarlinghaus
Kurze Entscheidungswege, da wird im Nu so was aufgesetzt.
42:34
Und da bin ich also hochgradig begeistert, wie sozusagen ein kleiner Impuls dann eben auf diesen Handlungs- und Gestaltungswillen trifft,
42:41
der da vor Ort da ist und dann eine Umsetzung stattfindet.
42:45
Also ich glaube, für die Zukunft ist diese Vermittlung über die Verbände, die dann sozusagen diese Projekte mit anleiten
42:51
oder Impulsgeber sind, eine starke Möglichkeit, Innovationen aus der Wissenschaft dann eben auch relativ schnell in die Praxis zu bringen.
42:59 timpritlove
Da geht es ja auch über Fischerei hinaus, ich meine, wir sprechen ja jetzt im Prinzip schon von Gewässerökologie
43:05
und entsprechenden Maßnahmen, wenn man dann auf einmal solche Flachwasserzonen schafft,
43:10
wo sie vielleicht vorher so nicht da waren, das hat ja dann nicht nur auf die Fische eine Auswirkung oder?
43:15 robertarlinghaus
Ganz genau, genau das war der Ansatz und das ist ja auch das, was eigentlich das Interessante an Angelfischerei,
43:21
oder einer der Punkte der Angelfischerei ist.
43:23
Man denkt immer, das ist irgendwie die Interaktion zwischen einem einzelnen Angler und einem Fisch.
43:28
Aber eigentlich ist es eine Mensch-Umwelt-Interaktion, eine Mensch-Umwelt-Wechselwirkung
43:33
und obwohl das Fischereirecht eigentlich nur das Recht gibt Fische zu fangen
43:38
und als Angelverein oder Pächter sie zu bewirtschaften, sind Fische ein Produkt ökologischer Prozesse.
43:44
Man hat nur widerstandsfähige Fischbestände, wenn die Umwelt intakt ist.
43:49
Und dann kann ich auch relativ stark fischen bzw. über Fangbestimmungen den Fischereidruck regeln,
43:54
was eh flächendeckend gemacht wird und habe eigentlich gar keine Überfischungsproblematik mehr,
43:59
sondern habe dann sich selbst erhaltende Ressourcen, die dann auch genutzt werden.
44:03
Und hier verstehen sich Angelvereine als Naturschutzverbände.
44:08
Viele der Verbände, der Angelverbände, sind auch gesetzlich anerkannte Naturschutzverbände,
44:12
aber im Grunde machen sie Natur- und Artenschutz natürlich am Ende auch mit dem Ziel,
44:17
ihre Fische, die sie fangen wollen, zu steigern.
44:20
Aber es gibt eben diese Nebeneffekte, die über die Fische weit hinausgehen.
44:24
Und dieses Beispiel, was ich gerade brachte, das Verbessern der Lebensräume, ist genau so ein Ding.
44:30
Selbst wenn man das fischereilich motiviert macht, hat es eben diese Nebeneffekte auf andere Organismengruppen
44:37
und das ist das, was das Angeln dann eben auch für die Gesellschaft dann liefert über die Fische hinaus.
44:43
Und deswegen hat das eben eine größere Wirkung.
44:47 timpritlove
Größere Wirkung, und vor allem auch so ein Instrument der Gesellschaft, die doch relativ starken Auswirkungen auf die Gesamtökologie,
44:56
zumindest in Teilbereichen dann auch gezielt gegenzusteuern, einfach um auch die Fehlentwicklungen,
45:01
die wir definitiv in den letzten paar hundert Jahren gehabt haben, in irgendeiner Form auch wieder zurückzufahren.
45:08 robertarlinghaus
Ganz genau, und vielleicht zurückkommend auf eins der Themen, die wir vor ein paar Minuten hatten,
45:15
leider Gottes sind die Fische eben Produkt der Umwelt und wenn die Umwelt zerstört wurde,
45:20
Kanalisierung von Flüssen als Stichwort, dann kommen da eben weniger Arten vor
45:25
und dann sind die Arten nicht mehr so dominant und so weiter.
45:27
Natürlich ist die Hoffnung, dass das Angeln dann teilweise lokal helfen kann
45:32
und teilweise kann es das auch durch Schaffung von Lebensräumen und so weiter.
45:36
Viel wichtiger wird die Wirkung aber dann über Lobbyismus, über politische Einflussnahme, zu sagen,
45:41
zum Beispiel den Finger in die Wunde zu legen, ob die kleine Wasserkraft, die vielleicht einen Klimaschutzbeitrag hat,
45:49
aber auf der anderen Seite die Gewässer massiv und unwiderruflich zerstört,
45:53
ob das vielleicht wirklich die Zukunft irgendwie der Klimaschutzdebatte ist.
45:58
Also da wirkt das Angeln eben auch als „Lobbyist“ im Sinne des Biodiversitätserhalts und der Biodiversitätsförderung.
46:07
Und dann gibt es natürlich die kleinen aber feinen Maßnahmen, wie Sie gerade sagten,
46:10
Lebensraumschaffung in abgeschlossenen Baggerseen, das ist natürlich unbenommen,
46:16
das kann jeder Angelverein leisten und damit eben seinen Beitrag auch zur Bekämpfung dieser Biodiversitätskrise leisten.
46:22
Wir haben in einer Studie jetzt auch festgestellt, zum Beispiel gerade an diesen künstlich geschaffenen Baggerseen,
46:28
dass diese Gewässer die anglerisch bewirtschaftet waren, wir haben sie verglichen mit Bewässern,
46:33
die unbewirtschaftet in der Landschaft liegen geblieben sind, dass diese bewirtschafteten Seen sehr artenreich waren,
46:41
bei den Fischen, und zwar von heimischen Fischarten, sieben bis elf Fischarten beherbergten,
46:46
die in der Fischgemeinschaftszusammensetzung den von Naturseen entsprachen,
46:50
also im Prinzip waren das neue Naturseen, wenn man so will,
46:53
während die unbewirtschafteten Seen nur drei bis fünf Fischarten beherbergten, häufig einzelne Arten dominierten
47:00
und völlig unnatürliche Fischgemeinschaftszusammensetzungen da waren.
47:03
Und das ist eben eine direkte Konsequenz von anglerischer Bewirtschaftung.
47:08
Und es ist eben nicht so in den Fällen, dass jetzt irgendwie künstliche Tischgemeinschaften dort entstanden sind
47:13
mit nicht heimischen Fischarten, sondern ganz im Gegenteil, die Angler haben einfach als Beschleuniger der Evolution
47:20
des Initiierens einer Fischgemeinschaft in neu geschaffenen Baggerseen oder Gewässertypen beigetragen.
47:26
Und das ist eben ein positiver Beitrag zum Arten- und Naturschutz.
47:30 timpritlove
Das sind ja jetzt alles so Prozesse, die so eine eigene Dynamik entwickeln, aber quasi freiwillige Beiträge sind im Rahmen des Erlaubten.
47:43
Ich könnte mir jetzt auch vorstellen, dass jetzt der Zustand, den wir jetzt quasi versuchen ein bisschen gegenzusteuern,
47:49
ja auch durch Gesetzgebung letzten Endes so gekommen ist und man eigentlich aus diesen Erkenntnissen ja dann auch neue politische Maßnahmen,
47:57
und damit auch neue Regelungen eigentlich ableiten müsste.
48:02
Inwiefern fließen denn jetzt diese Erfahrungen, die jetzt zunächst einmal zwischen, ich sage mal, den Naturschützern,
48:09
der Angelgemeinde, ja, oder vielleicht ist das nicht der richtige Begriff, so Naturverwalter in gewisser Hinsicht,
48:17
ist das vielleicht wirklich dieses steward’sche, dass man so ein bisschen Hausmeister für die Gewässer wird,
48:24
und der Wissenschaft, das ist ja eine schöne Kooperation, wie verhält sich diese neugeschaffene Gruppe dann quasi gegenüber der Politik?
48:31
Hat das dann da Auswirkungen?
48:34 robertarlinghaus
Das können wir belegen.
48:35
Also wir haben ja zwei Ebenen, einerseits Natur- und Wassergesetze und andererseits Fischereigesetze.
48:41
Das unmittelbarere die Fischereigesetze, das ist eine Landeshoheit bei der Binnenfischerei.
48:47
Und da kann man zeigen, im Prinzip sind das Rahmengesetze, die regeln sozusagen die Mindeststandards,
48:54
die ein nachhaltiges Fischereimanagement kennzeichnen.
48:57
Zum Beispiel steht da für die meisten Arten Mindestgrößen, sogenannte Mindestmaße drin.
49:02
Die sind so hoch gesetzt, dass alle Fische dieser stark befischten Arten mindestens ein- oder zweimal ablaichen können.
49:08
Und damit ist schon Bestandszusammenbruch ausgeschlossen.
49:11
Also das Fischereigesetz regelt diese Mindestgeschichten und dann können die lokalen Vereine,
49:16
die Gewässerpächter diese Regeln verschärfen, das gilt zumindest in fast allen Bundesländern.
49:21 timpritlove
Das sind Mindestgrößen für bestimmte Fischarten?
49:23 robertarlinghaus
Richtig, zum Beispiel so ein Hecht 45-50 Zentimeter, wenn der Fisch drunter ist, muss er zurückgesetzt werden,
49:28
wenn er drüber ist, kann er entnommen werden.
49:31
Und die Einhaltung dieser Regel wird in den Angelvereinen in der Regel sehr stark kontrolliert und so weiter,
49:36
und sichert schon mal einen Bestandserhalt.
49:39
Aber das heißt nicht zwangsläufig, dass das die optimale Fischschonbestimmung ist.
49:44
Weil jedes Gewässer ja auch ein Eigenleben hat, unterschiedliche Produktivitäten hat,
49:48
unterschiedliche Arten vielleicht auch vorkommen, unterschiedlich stark befischt wird.
49:53
Und unsere Forschung zum Beispiel hat gezeigt, dass auch der Erhalt der großen Fische,
49:59
also zum Beispiel Hechte 90 Zentimeter und mehr oder ein Meter Hecht und größer,
50:05
dass diese großen Fische wichtig sind in Situationen, wo ein Bestand sehr stark befischt wird,
50:11
wo diese Art also sehr intensiv auch nachgestellt wird.
50:15
Und dann ist zum Beispiel eine alternative Herangehensweise zu sagen, man macht eine Kombination aus Mindestanlandegröße
50:22
und einer Maximalgröße und man setzt die Fische dann oberhalb, die ganz großen Tiere, zurück, aber auch die Jungfische.
50:29
Das nennt sich Küchenfenster oder Entnahmefenster.
50:32
Ist wie gesagt nicht für alle Gewässer geeignet, aber für einige schon.
50:37
Und da sieht man zum Beispiel in Niedersachsen, dass durch unsere Forschung, durch die Kooperationen mit den Angelvereinen,
50:42
jetzt sehen wir mittlerweile schon fast 16 Prozent nach einer aktuellen Umfrage der Vereine, die diese Alternative umsetzen.
50:49
Und in Hamburg zum Beispiel ist das gesamte Fischereigesetz umgeschrieben worden, auch wegen unserer Forschung,
50:55
das ist jetzt eine Spezialsituation, weil dort vor allen Dingen die Elbe, also ein System, im Fokus steht
51:02
und der Zander da im Fokus steht, der wird also relativ scharf befischt.
51:06
Und da hat die Fischereibehörde dann nach reiflicher Überlegung auch Rückmeldung aus der Wissenschaft entschieden,
51:11
dass sie komplett die Mindestmaße abschafft und die Entnahmefenster einsetzt und das war im Gesetz oder ist jetzt im Gesetz reingeschrieben worden.
51:21
Und so sehen wir peu a peu, dass sowohl auf den lokalen Gesetzen, das sind diese Gewässerordnungen,
51:27
die sich die Fischereipächter selbst auferlegen, als auch auf der gesetzlichen Ebene des Bundeslandes
51:33
sukzessive diese Erkenntnisse auch umgesetzt werden.
51:37
Und ja, das ist natürlich angenehm, wenn die Wissenschaft halt auch diesen Input liefert,
51:41
aber ja ist denke ich auch angeraten, weil in manchen Fällen eben tatsächlich diese Innovationen besser sind
51:46
als das, was wir bisher haben.
51:48 timpritlove
Wirkt sich das im Bereich Naturschutz auch ähnlich aus?
51:53 robertarlinghaus
Ja gut, einerseits was Sie gerade gesagt haben ist ja erst mal, Naturschutz dieser befischten Art.
51:58
Ich weiß nicht, Ihre Frage geht wahrscheinlich auf Habitat-, Lebensraumschutz.
52:02 timpritlove
Ja, aber weil wir ja jetzt auch schon diesen Aspekt der Pflege der Gewässerökologie hier auch mit angesprochen haben.
52:07
Und wenn es auf der einen Seite eben die konkreten Fischereigesetze betrifft, die halt jetzt konkret eben das Befischen regeln,
52:14
gibt es ja dann auch sicherlich Gesetzgebung im Bereich Naturschutz, die vielleicht aus den neuen Erkenntnissen heraus mehr oder weniger Sinn ergeben
52:22
und gegebenenfalls noch Überarbeitung bedürfen.
52:26
Und das ist ja wahrscheinlich auch eher auf Bundesebene angelegt oder?
52:28 robertarlinghaus
Ja, gibt beides, es gibt die Bundesebene, es gibt Landesnaturschutzgesetze,
52:32
und dann gibt es auch wieder die Verordnungen in Naturschutzgebieten.
52:35
Das ist ein etwas schwieriges Thema, weil wir hier häufig leider Gottes auch zum Leidwesen von uns sehr starke ideologische Grabenkämpfe haben.
52:44
Also sehr häufig finden wir in der Naturschutzdebatte so einen Konflikt zwischen Naturnutzung und Naturschutz
52:51
durch Ausklammern von Nutzung.
52:54
Und das ist aus meiner Sicht eine sehr unproduktive Dichotomie.
52:57
So häufig wird versucht, von zumindest ausgewählten Naturschutzvertretern zu sagen,
53:01
wir installieren neue Naturschutzgebiete oder FFH-Gebiete, Fauna, Flora, Habitat Richtlinie,
53:07
das ist EU-Gesetzgebung und klammern die Fischerei aus.
53:10
Weil wir erst mal davon ausgehen per se, dass sie stört, also sie stört die Fische,
53:15
aber auch durch die Aktivitäten am Ufer, Trampelschäden, Störungen von Vögeln und ähnliche Dinge.
53:22
Und das untersuchen wir gerade im Detail, wie diese Entscheidungsprozesse laufen, aber so erste Ergebnisse deuten darauf hin,
53:28
dass sehr viel eben ideologisch geprägt ist.
53:31
Und wir haben genau deswegen gerade so eine Metastudie gemacht, um einfach mal zu analysieren,
53:36
wie stark sind denn jetzt eigentlich diese Störeffekte?
53:40
Weil wir sehr häufig die Situation haben, dass in den Naturschutzverordnungen, was ja im Prinzip Gesetzesakte sind,
53:46
dass Angeln und die Fischerei selektiv ausgeklammert werden, während andere Naturnutzungen,
53:51
Spazieren gehen mit und ohne Hund, im Sommer ins Wasser steigen und schwimmen nicht verboten werden
53:58
und häufig deswegen nicht verboten werden können, weil es eben ein Fischereirecht gibt,
54:01
aber es gibt kein äquivalentes Nutzungsrecht, sagen wir mal.
54:04 timpritlove
Kein Baderecht.
54:05 robertarlinghaus
Kein Baderecht, das ist Gemeingebrauch.
54:06 timpritlove
Spazierrecht.
54:09 robertarlinghaus
Und da zeigt sich jetzt eigentlich, wir haben gerade publiziert die Studie,
54:12
dass die relativen Störwirkungen dieser einzelnen Naturfreizeitaktivitäten sich gar nicht so stark unterscheiden.
54:19
Und gerade beim Angeln diese Störwirkungen häufig nicht pauschal gelten,
54:24
sondern es ist sehr stark von den lokalen Bedingungen und so weiter abhängig.
54:28
Also man braucht eigentlich wirklich eine Einzelfallbetrachtung, um zu sagen,
54:32
in welchen Gebieten macht das Sinn einzuschränken und in welchen nicht.
54:35
Und das ist jetzt noch zu frisch, dass das irgendwie durchgeschlagen ist.
54:39
Ist hoffe einfach, dass diese Forschung, die wir gerade zu dem Thema machen,
54:43
eben zu einer differenzierteren Betrachtungsweise beiträgt und dass man dann eben wirklich Gebiete identifiziert,
54:48
wo man versucht, wirklich Wildnis Wildnis sein zu lassen, wo alle Formen von Naturfreizeit vielleicht eingeschränkt werden
54:55
und andere, wo eben eine Koexistenz vollzogen wird.
55:00
Denn wir konnten zum Beispiel wiederum an Baggerseen nachweisen, dass die Artenvielfalt von Amphibien,
55:05
von Libellen, von Wasserpflanzen, von Uferpflanzen, von Singvögeln sich überhaupt nicht unterschied
55:10
zwischen anglerisch bewirtschafteten und unbewirtschafteten Seen.
55:13
Also es gab da auf der Ebene der Artenvielfalt überhaupt keine Störwirkung, aber es wird häufig unterstellt bei den entsprechenden Entscheidungen
55:21
und das ist eigentlich unproduktiv, weil man verliert so ein bisschen durch diese Konflikte eben die Unterstützung,
55:27
auch der Angler und anderer Naturnutzer für Naturschutzfragen.
55:30
Weil man immer die Angst hat, dass man rausgedrängt wird aus bestimmten Gebieten.
55:34
Das ist natürlich für einen Angler sehr bedrohlich, wenn man gar nicht mehr ans Wasser rankommt.
55:38
Auf der Ebene der Gewässerökologie, die Sie ansprachen, also gibt es eigentlich die Wasserrahmenrichtlinie.
55:45
Eigentlich gibt es ein sehr gutes europäisches Regelwerk mittlerweile, was auch in die deutschen Wasserhaushaltsgesetze
55:52
und Naturschutzgesetze übertragen worden ist, was eigentlich fordert,
55:56
dass alle deutschen Seen und alle deutschen Flüsse in einen guten ökologischen Zustand überführt werden müssen.
56:02
Das ist also gesetzlich eigentlich schon formuliert, da braucht es diesen Input jetzt der Angelfischerei gar nicht mehr zwangsläufig.
56:10
Aber wir haben ein Umsetzungsproblem.
56:12
Also wir haben, trotzdem dieses Gesetzeswerk seit vielen Jahren schon vorliegt, eigentlich Zielverfehlungen,
56:19
ich habe jetzt die Zahl nicht im Kopf, aber die Mehrzahl der deutschen Gewässer verfehlt diesen guten ökologischen Zustand.
56:24
Und von daher ist das eigentlich eine über die Angelfischerei hinausgehende Debatte, die wir da haben,
56:30
nämlich der Frage, wie kriegen wir eigentlich die Gewässer wieder in einen guten ökologischen Zustand.
56:34
Und ja, da haben wir es einfach mit Zielkonflikten in der Gesellschaft zu tun,
56:38
die eben diesen an sich schon vorherrschenden guten Gesetzesgrundlagen entgegenstehen.
56:44
Beispiel Oderausbau.
56:47
Wir haben gerade riesige Pläne, die Oder wieder auszubauen, wo man sagt, das zerstört dieses Ökosystem.
56:52 timpritlove
Also sozusagen die Bedürfnisse der Wasserstraßen, der Verkehrsnutzung der Flüsse im Verhältnis zum Gewässerschutz.
56:59 robertarlinghaus
Ganz genau. Das sind diese Zielkonflikte, die man einfach landauf landab hat.
57:04
Es ist keine Frage mehr der gesetzlichen Grundlagen, die sind eigentlich gut.
57:09 timpritlove
Und ist denn der Gesamtzustand in Deutschland zumindest in den Binnengewässern okay?
57:19
Also wie sieht es denn so aus derzeit?
57:24
Also bessert sich die Situation, bleibt es stabil, ist es gefährdet, wird es schlechter?
57:30
Wie muss man das einschätzen wohin die Reise geht?
57:33
Mal jetzt noch unabhängig von den Klimawandelauswirkungen, die natürlich auch noch kommen.
57:39 robertarlinghaus
Ja, also ganz grundsätzlich kann man eigentlich für die meisten Gewässer sagen,
57:42
dass wir sozusagen die Phase der bedrohlichen chemischen Wasserqualität eigentlich im weitesten Sinne überwunden haben.
57:48
Also wir hatten in den 70er/80er Jahren so den Peak …
57:52 timpritlove
Ausleitungen aus Industrie und so.
57:54 robertarlinghaus
Genau, das ist sehr stark durch verbesserte Reinigungsleistungen verbessert worden.
57:58
Die chemische Wasserqualität, einige Schadstoffe mal ausgenommen, ist eigentlich flächendeckend ganz gut.
58:04
Aber man muss doch mit Klimawandel zusammen denken, weil Klimawandel natürlich auch die Gewässerphysik ändert
58:12
und damit eben auch in bestimmten Fällen auch wieder zu Algenblüten beitragen kann.
58:16
Also die Debatte gibt es schon noch, da gibt es einen Zusammenhang mit der Temperaturstory.
58:21
Aber was für die meisten Gewässer, gerade die Fließgewässer immer noch wirklich schwierig bis ganz schlecht ist,
58:27
ist die sogenannte hydromorphologische Gewässerqualität, also die Struktur der Gewässer.
58:33
Das hat was eben mit Verbau der Ufer zu tun, mit fehlenden Überflutungsflächen in den Auen,
58:40
mit Eindeichung, mit Begradigungen, also mit wirklich fundamentalen Veränderungen der Gewässerökologie.
58:46
Und da sind wir also bei den Fischtreppen vorangekommen, da gibt es schon flächendeckend Initiativen und auch Umsetzungen,
58:55
aber das reicht natürlich bei weitem nicht aus, um zum Beispiel den Lachs,
59:01
der also früher hier mal heimisch war und auch sich vermehrt hat, um den wiederzubringen.
59:04
Also das ist undenkbar unter den gegenwärtigen Bedingungen.
59:08
Von daher ist eigentlich unter Wasser die Biodiversitätskrise schon massiv, muss man sagen.
59:13
Das betrifft nicht nur die Fische, sondern auch die ganzen Invertebraten, also da ist hoher Handlungsbedarf.
59:19 timpritlove
Mit anderen Worten, da ist auch noch ein hoher Kommunikationsbedarf.
59:23
Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Stifterverband haben Sie ja mit dem Kommunikatorpreis im letzten Jahr schon ausgestattet
59:32
für diese Aktivität, auch für diesen Ansatz der integrativen…
59:41
Ich versuche gerade, einen neuen Begriff zu bilden.
59:44
Also integrativ nicht das Fischereimanagement, sondern eben einfach diese Zusammenarbeit mit den Angelverbänden.
59:49
Einfach auch Wissenschaft, würde ich mal salopp sagen, ein bisschen auf eine nicht traditionelle Art und Weise zu leben.
59:55
Die vielleicht in gewisser Hinsicht jetzt sicherlich nicht auf alle Bereiche so zu erweitern,
1:00:00
aber glaube ich vielleicht grundsätzlich auch mal eine Idee wäre als Modell für viele wissenschaftliche Bereiche,
1:00:07
einfach mehr in den, ja, Laienbereich oder sagen wir mal, in den Teil der Gesellschaft reingehen,
1:00:15
die in irgendeiner Form mittelbar mit den eigenen Themen auch was zu tun haben.
1:00:20
Um dort mehr Kooperationen zu haben, und damit eben auch für eine andere Akzeptanz zu sorgen.
1:00:25
Was, glaube ich, gerade in unserer problematischen Gesamtdebatte der Pandemie,
1:00:30
die ja auch so ein bisschen so eine Krise der Wissenschaft, also auf der einen Seite riesige Erfolge der Wissenschaft gefeiert hat,
1:00:37
aber auf der anderen Seite auch gezeigt hat, wie schwierig das manchmal ist, diese Brücke zu schlagen,
1:00:41
für Erkenntnisse auch eine gesellschaftliche Akzeptanz zu finden.
1:00:45
Und da könnte ich mir durchaus vorstellen, dass diesen Dialog zu suchen und eben auch versuchen,
1:00:54
vielleicht auch das experimentelle wissenschaftliche Leben mehr auf so eine gesellschaftliche Breite zu stellen,
1:01:00
dass das durchaus auch eine Perspektive sein kann.
1:01:02 robertarlinghaus
Unbedingt, ja, also sehe ich genauso.
1:01:04
Das hat Nutzen und Kosten, aber die Nutzen liegen auf der Hand, Sie hatten das eigentlich ganz gut zusammenfasst.
1:01:09
Und ich denke schon, dass es im Bereich der landwirtschaftlichen Forschung, vielleicht auch in anderen Umweltbereichen,
1:01:15
wo es mit Raumplanung oder so was zu tun hat, dass es da ähnliche Möglichkeiten gibt.
1:01:20
Und es gibt durchaus einige Gruppen, die so was, man nennt das auch Reallabore, diese Art von Forschung, eben jetzt stärker machen.
1:01:28
Die Vorteile liegen auf der Hand, die Nachteile muss man allerdings auch ansprechen.
1:01:34
Nachteile gibt es dann, wenn…
1:01:36
Also man kann Normen nicht mehr entgehen.
1:01:39
Also man landet zwangsläufig bei Erwartungshaltungen und vielleicht auch Interessenskonflikten,
1:01:45
manchmal auch Instrumentalisierung.
1:01:46
Also immer, wenn man sozusagen mit Menschen, die jetzt nicht Wissenschaftler sind, zusammenarbeitet,
1:01:51
gibt es Interessen und da landet man als Wissenschaftler natürlich in diesem Interessenspielball.
1:01:56
In meinem konkreten Fall wird man dann auch vielleicht zum „Anglerprofessor“, wie der Spiegel dann irgendwann sagte.
1:02:02
Und vielleicht ist man dann als Naturschutzakteur, wird man irgendwie in einer gewissen Weise wahrgenommen so.
1:02:08
Also das ist die erste Problematik, die zweite Problematik, Kommunikation sprachen Sie an,
1:02:14
wenn man das ernsthaft betreibt, muss man natürlich ernsthaft kommunizieren.
1:02:17
Das bindet enorme Ressourcen.
1:02:20
Das hat Konsequenzen für die zeitlichen Verfügbarkeiten, die man für Forschung und Lehre hat.
1:02:24
Das hat starke Konsequenzen für Doktorierende.
1:02:27
Also ich habe schlechte Erfahrungen gemacht, Doktorarbeiten in diesen Projektzyklen zu machen,
1:02:32
weil eben sehr viel Energie in die Aufrechterhaltung der Beziehungen, der Vertrauensschaffung,
1:02:38
der Arbeit vor Ort reingeht.
1:02:40
Also da muss man eben auch von der Forschungsförderung darüber nachdenken, solche Projekte länger laufen zu lassen
1:02:46
oder sich zu verabschieden, dass jemand in drei Jahren promovieren kann.
1:02:50 timpritlove
Oder auch gezielter die mediale Komponente solcher Studien auch zu unterstützen.
1:02:55 robertarlinghaus
Genau. Und die dritte Ebene ist, man will ja natürlich weiterhin starke Forschung machen,
1:03:02
also darf man natürlich auch die Qualitätsansprüche an die Forschung nicht runterschrauben,
1:03:07
und das setzt manchmal Grenzen.
1:03:08
also zum Beispiel bei unseren Seen geht es darum zu replizieren, zu wiederholen.
1:03:12
Also dass man nicht nur einen See manipuliert, Fische aussetzt oder die Ufer verändert, sondern multiple Seen.
1:03:18
Damit steigt exponentiell fast schon der Aufwand, der Planungsaufwand, die Genehmigungen ranzuholen,
1:03:23
der Umbau der Gewässer, die Gewässer sind nicht identisch, das ist einfach Fakt,
1:03:28
natürlich auch Teil der Forschungsfrage, wie verallgemeinerbar ist denn jetzt mein Ergebnis.
1:03:34
Aber das führt eben zu hohen Aufwänden und das macht man nicht mal eben nebenher
1:03:40
und das hat halt dann auch gewisse Grenzen, in dem wie eine Arbeitsgruppe oder eine Professur oder so leisten kann.
1:03:45
Also bin ich jetzt sehr dankbar, dass ich durch das BMBF da gute Förderung, gute Projektförderung hatte,
1:03:51
das sind Dinge, die die DFG also wahrscheinlich nie fördern würde, das sind auch sehr teure Projekte.
1:03:57
Also muss man so ein bisschen abwägen, da ist das BMBF sicherlich da der beste Ansprechpartner.
1:04:01 timpritlove
Aber es ist der Weg raus aus dem Elfenbeinturm sozusagen.
1:04:03 robertarlinghaus
Das ist definitiv der Weg…
1:04:04 timpritlove
Direkt an den Wasserrand.
1:04:06 robertarlinghaus
Definitiv der Weg raus aus dem Elfenbeinturm, mit allen Fallstricken, die das auch mit sich bringt.
1:04:11
Ich meine, Sie hatten Pandemie angesprochen, auch die Schwierigkeit der Wissenschaftskommunikation,
1:04:15
das ist bei uns ja das gleiche, also im Mikrokosmos Angeln.
1:04:18
Das ist natürlich jetzt nicht mit Drostens Pandemiedebatte, um es mal vereinfacht darzustellen, zu vergleichen.
1:04:25
Aber im Grunde laufen bei uns auf einem kleinen Niveau die gleichen Dinge ab.
1:04:29
Da wird instrumentalisiert, da werden Daten dann im falschen Kontext wieder rezipiert und so weiter und so fort.
1:04:37
Also wenn man sich da rausbewegt aus seinem Elfenbeinturm, landet man natürlich auch in diesen Zwickmühlen.
1:04:44
Und damit muss man halt auch Lust habe, sich damit zu beschäftigen.
1:04:49
Und dann eben auch Instrumentalisierung und so weiter mit einplanen, das passiert dann irgendwann.
1:04:54 timpritlove
Ja. Das ist definitiv eine Phase, in der sich auch nicht nur unsere Gesellschaft befindet,
1:05:02
sondern die einfach eine Folge ist der medialen Änderungen der Welt durch Technologie,
1:05:09
durch das Internet und andere Kanäle.
1:05:12
Ich denke, das ist etwas, was erst mal noch von einer Generation auch in irgendeiner Form noch verarbeitet und umgesetzt werden muss,
1:05:19
um dort neue Wege zu finden.
1:05:23
Derzeit führt es auf jeden Fall zu einer Menge Verstörung so, die teilweise vielleicht auch nachvollziehbar ist,
1:05:29
weil einfach der Wandel so schnell geht.
1:05:31
Aber letztlich muss es wahrscheinlich auch Teil der Wissenschaft und natürlich Untersuchungsgegenstand der Wissenschaft werden.
1:05:39 robertarlinghaus
Würde ich absolut unterschreiben, gerade bei solchen Themen wie Umweltbereich finde ich ist fast alternativlos.
1:05:44
Weil fast alle Probleme, mit denen wir zu tun haben, komplex sind und vom menschlichen Verhalten am Ende abhängig sind.
1:05:50
Und wenn ich sozusagen diese Menschen nicht mit einbinde, dann ist eben auch kaum an Veränderung zu denken.
1:05:55
Also ich bin wirklich frustriert von der Haltung, gute Wissenschaft ist, tolle Paper publizieren
1:06:03
und dann hoffen wir, dass irgendeiner das aufnimmt.
1:06:07
Also selbst für meinen kleinen Bereich des Fischereimanagements kann ich sagen,
1:06:10
also von meinen Papers auf Englisch ist nichts angekommen vor Ort
1:06:14
oder es dauert 25 Jahre, ich meine, dann ist eine Art ausgestorben zum Beispiel.
1:06:19
Also das ist alternativlos.
1:06:23
Und zweitens, ja die Hürden sind hoch, aber auf der anderen Seite, mir persönlich hat das enorm geholfen,
1:06:28
mich mit den Leuten vor Ort auseinanderzusetzen, die die Probleme zu verstehen,
1:06:34
sie auch umzuformulieren in konkreten Forschungsfragen, die nicht abstrakt sind und an den Leuten vorbei forschen,
1:06:40
sondern wirklich deren Probleme angehen vor Ort im Fischereimanagement.
1:06:43
Das fordert mich auch, Themen klar zu formulieren, klar abzustecken, Forschungsfragen einzugrenzen,
1:06:50
und am Ende ist es eben auch sehr erfrischend, mit den Leuten vor Ort auch deren Erfahrungswissen zu partizipieren
1:06:57
und davon habe ich enorm gelernt.
1:06:59
Also da sind ganz viele Dinge, die stehen in keiner Fachzeitschrift
1:07:03
und die kann ich nur durch das Mitarbeiten und das Zusammenarbeiten mit Praktikern irgendwie überhaupt verstehen.
1:07:10
Also das hilft am Ende auch, Erkenntnis zu realisieren.
1:07:13
Das hat ganz viele positive Ebenen, die mir gar nicht bewusst waren, als wir diese ersten Sachen angefangen haben.
1:07:18 timpritlove
Und viele kostengünstige wissenschaftliche Hilfsarbeiter, die man sonst erst mal in den Antrag schreiben müsste.
1:07:23 robertarlinghaus
Ja okay, wobei das echt Grenzen hat.
1:07:26 timpritlove
Klar, das muss natürlich auch alles noch verwaltet werden.
1:07:28
Aber ich denke, ich kann mir das ganz gut vorstellen, dass das auch, sagen wir mal, für die Motivation der eigenen Arbeit einfach auch sehr hilfreich ist.
1:07:34 robertarlinghaus
Ganz genau, ganz genau.
1:07:37 timpritlove
Gut, ich denke, jetzt haben wir den Themenbereich ordentlich durchfischt und ein paar schöne Aspekte auch herausangeln können.
1:07:46
Ich sage, vielen Dank Robert Arlinghaus.
1:07:47 robertarlinghaus
Sehr gerne, hat Spaß gemacht.
1:07:48 timpritlove
Und vielen Dank fürs Zuhören bei Forschergeist, bald geht es wieder weiter
1:07:53
und bis dahin sage ich, tschüss und bis bald.