Kinoshita

Der japanische Regisseur Keisuke Kinoshita (1912-1998) ist außerhalb Japans kaum bekannt. Micha von Schneeland, die Videokünstlerin Sandra und Thomas von SchönerDenken entdecken gemeinsam den Regisseur und sprechen über alle Kinoshita-Filme, die sie finden können - in chronologischer Reihenfolge.

https://keisuke-kinoshita.de

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episode 4: Folge 4: ARMY (1944)


Zurecht ist ARMY (Rikugun) für sein großartiges, aufwühlendes Finale bekannt, aber worum geht es eigentlich in Keisuke Kinoshitas Kriegsfilm aus dem Jahr 1944? Der Film erzählt eine Dreigenerationengeschichte – von 1866 in der Meji-Ära bis zur damaligen Gegenwart 1944. Zu Beginn wird der Familie ein Prachtband der „Geschichte des Großen Japan“ von einem Soldaten geschenkt – dieses Buch steht natürlich für die große Nation und wird über die Generationen in höchsten Ehren gehalten. Schließlich stehen Tomohiko und seine Frau Waka im Mittelpunkt – und ihr Sohn Shintaro. Groß ist die Angst, dass der schwächliche, aber kluge und hilfsbereite Sohn nicht das Zeug zum richtigen Soldaten hat. Tomohiko selbst war in seiner Jugend als Soldat nie an der Front, sondern immer mit Fieber im Lazarett. Am Ende ist aber aus Tomohikos Sohn Shintaro ein ganzer Mann geworden und er zieht als Teil der Rikugun (Armee) in den Krieg.
Michael und Thomas staunen über die Bedeutung des gottgleichen Kaisers und beobachten, dass Kinoshita mitten im Krieg in seinem Film einen Diskurs beschreibt, was echter Patriotismus sei und was geschehen wäre, wenn Japan das Kriegsglück verlassen hätte – zum Beispiel im Kampf gegen die Mongolen. Protagonisten dieses Streits sind ein Unternehmer, der eine patriotische Schule gründet und finanziert und Tomohiko, der dort als Lehrer angestellt ist. Aber Tomohiko ist niemand patriotisch genug, auch nicht der eigene Sohn, dem es nicht gelingt, direkt nach der Ausbildung sofort an die Front versetzt zu werden.

Besonders beeindruckt sind Michael und Thomas vom Finale, in dem sich die Mutter Waka doch noch in letzter Minute aufmacht, um sich von Sohn Shintaro zu verabschieden. Was eine kleine harmlose Szene hätte sein können, wird durch Kinoshitas Regie und Taketomis beeindruckende nahe und bewegliche Kamera zu einem mitreißenden Drama, das ohne Worte, die Liebe der Mutter und die verzweifelte Angst, das eigene Kind auf dem Schlachtfeld zu verlieren, zeigt. Ganz großes Kino und ein oft übersehenes Stück Filmgeschichte. Die staatliche Filmaufsicht reagierte erbost. Oberflächlich erfüllt der Film zwar die Vorgaben der Behörde, aber am Ende wird offensichtlich, dass er die Liebe über den Krieg stellt. Kinoshita durfte vor der Kapitulation Japans keine Filme mehr drehen.

Ergänzung

Unser Hörer Christoph hat uns auf ein wichtiges Detail aufmerksam gemacht: "Ungefähr in der Hälfte des Podcasts geht es um den jungen Tomohiko, der aus dem Zugfenster schaut. Angeblich lässt uns Kinoshita absichtlich im Unklaren, was genau er vom Zug aus betrachtet. Aber kurz bevor er das Fenster öffnet, erkannt man - zwar nur schemenhaft, aber doch eindeutig - den schneebedeckten Gipfel des Fuji als Spiegelung in der Scheibe. Somit erklärt sich auch der erst überraschte, dann freudige und schließlich ehrfürchtige Blick des Jungen, der dieses heilige Symbol der Japaner gerade zum ersten Mal aus der Nähe erblickt. Folglich könnte man mutmaßen, dass ihm dieser Moment weitaus wichtiger erscheint, als den Kaiserpalast in Tokyo zu besuchen." Vielen Dank für diesen Hinweis - das erklärt den Blick und das Handeln Tomohikos!

Dieser Film ist erhältlich als Teil der Box „Kinoshita and World War II“, Eclipse Series 41 from the Criterion Collection

  • Michaels sehr empfehlenswerten Blog Schneeland findet Ihr hier. 
  • Den Filmpodcast SchönerDenken findet Ihr hier.
  • Filmkritik von Hayley Scanlon für Windows on Worlds
  • Filmkritik von Nathan Marone für Fully Reconditioned
Vielen Dank an Sandra für das wunderbare Episodenbild! Und danke an Michael Meier von Kompendium des Unbehagens für die Unterstützung beim Jingle. Grüße nach Osaka!


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 February 27, 2022  52m