Archivradio – Geschichte im Original

Historische Aufnahmen und Radioberichte von den ersten Tonaufzeichnungen bis (fast) heute. Das Archivradio macht Geschichte hör- und die Stimmung vergangener Jahrzehnte fühlbar. Präsentiert von: Gábor Paál, Lukas Meyer-Blankenburg, Maximilian Schönherr und Christoph König. Ein Podcast von SWR2. https://archivradio.de | Übersicht über alle Beiträge: http://x.swr.de/s/archivradiokatalog

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Die Barschel-Affäre – Ehrenwort und Rücktritt | 7. bis 25.9.1987


Hintergrund: Uwe Barschel war Ministerpräsident, einer der jüngsten, den die Bundesrepublik je hatte, mit 38 kam er ins Amt und war ein großer Hoffnungsträger der CDU. Im September 1987 hat er gute Chancen, wiedergewählt zu werden. 7.9.1987: Spiegel veröffentlicht ersten Artikel zu „Waterkant-Gate" Eine Woche vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein enthüllt der „Spiegel“ einen Artikel unter dem Titel „Waterkant-Gate – Spitzel gegen den Spitzenmann“. Tenor. Der Spitzenkandidat der SPD, Björn Enghom – Gegenspieler von Uwe Barschel – wurde bespitzelt, womöglich von der CDU. Engholm sollte mit fingierten Angaben fälschlich der Steuerhinterziehung bezichtigt werden. Die Angaben dazu könnten nur aus den CDU-geführten Finanzministerien in Bonn oder Kiel stammen. Der Bericht im Süddeutschen Rundfunk beginnt mit einem Interview mit Björn Engholm. 12.9.1987: Spiegel legt nach und veröffentlicht „Barschels schmutzige Tricks“ Eine Woche später bringt Spiegel Rainer Pfeiffer ins Spiel, einen Medienreferenten von Uwe Barschel. Der habe eine eidesstattliche Versicherung abgegeben: Er habe von Barschel persönlich den Auftrag bekommen, Engholm zu bespitzeln. Der Artikel ist deshalb brisant, weil der Spiegel zwar regulär am Montag erscheint – das wäre einen Tag nach der Wahl gewesen – aber die ersten gedruckten Exemplare schon am Samstag an einige Medien gehen und damit wichtige Inhalte dann schon in die Öffentlichkeit gelangen. Das war dann in diesem Fall einen Tag vor der Landtagswahl. Auch der NDR berichtet an diesem Samstag mittag und telefoniert mit Uwe Barschel - der die Beschuldigungen zurückweist. 13.9.1987: CDU verliert absolute Mehrheit – Interview mit Rainer Pfeiffer im NDR Die Enthüllungen zeigen Wirkung: Die CDU verliert bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ihre absolute Mehrheit, stärkste Fraktion wird die SPD. Und es ist klar, dass dabei auch die Spiegel-Geschichte eine Rolle spielt. Nach Schließung der Wahllokale sendet der NDR ein Interview mit dem Belastungszeugen, Rainer Pfeiffer. 14.9.1987: Spiegel-Chef Böhme weist Kritik zurück Tags drauf erscheint im Spiegel dann auch die ganze Geschichte. Barschel kündigt einen Untersuchungsausschuss an. Die CDU kritisiert den Spiegel: Der habe die Geschichte bewusst am Tag vor der Landtagswahl lanciert, um die CDU bei der Wahl maximal zu schädigen. NDR-Redakteur Butz Peters interviewt dazu Spiegel-Chefredakteur Erich Böhme. 18.9.1987: Barschel gibt sein Ehrenwort Die Rücktrittsforderungen gegen Uwe Barschel werden immer lauter. Weitere vier Tage später gibt er die berühmte Pressekonferenz, auf der er beteuert: ... gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins (sic!) und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort, ich wiederhole: ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.

Quelle: Uwe Barschel, 18.9.1987

Am selben Vormittag ist die Affäre dann auch Thema im Bundestag in Bonn. Es stehen sich nun also die eidesstattliche Erklärungen Uwe Barschels und Rainer Pfeiffers gegenüber. Am 21. September bringt der Spiegel neue Details – ist sich aber bezüglich der Rolle von Uwe Barschel nicht mehr so sicher. Auf der politischen Ebene gehen die Koalitionsgespräche derweil weiter. Noch immer will die CDU mit Uwe Barschel eine Regierung mit der FDP und dem Südschleswigschen Wählerverband bilden. Am 25. September aber kündigt Uwe Barschel seinen Rücktritt an. Nach dem Rücktritt am 25.9.1987 Barschels Stellvertreter Henning Schwarz übernahm die Regierungsgeschäfte. Da er aber keine Regierungsmehrheit bilden konnte, kam es im Mai des kommenden Jahres zu Neuwahlen. Björn Engholm wurde Ministerpräsident, sogar Kanzlerkandidat der SPD, bis er auch er 1993 von allen Ämtern zurücktreten musste. Denn es kam heraus, dass er von seiner Bespitzelung durch Rainer Pfeiffer schon früher wusste als er im Untersuchungsausschuss behauptet hatte. Die weiteren Ermittlungen ergaben außerdem, dass der Kronzeuge der Spiegel-Enthüllungen – Rainer Pfeiffer – teilweise falsche Aussagen gemacht hat. Ob und wieviel Barschel also wirklich von der Bespitzelung Engholms wusste, ist bis heute nicht gesichert. Barschels tragisches Ende Barschel selbst hatte nach seinem Rücktritt noch die Hoffnung, sich entlasten zu können, doch dazu kam es nicht mehr. Am 11. Oktober, nach seinem Rücktritt. wird er tot im Genfer Hotel Beau Rivage aufgefunden. Zum Tod Uwe Barschels und den ersten Ermittlungen gibt es eine eigene Folge im SWR2 Archivradio.


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 September 13, 2022  38m