"Als verkündet wurde, daß die Bibliothek alle Bücher umfasse, war der erste Eindruck ein überwältigendes Glücksgefühl." - Jorge Luis Borges (Die Bibliothek von Babel)
Wir nähern uns verspielt dem komplexen Thema Künstliche Intelligenz. Jorge Luis Borges' Kurzgeschichte "Die Bibliothek von Babel" aus dem Jahr 1941 dient als Wippe von Zufall und Sinn. Ted Chiangs "Catching crumbs from the table" aus dem Jahr 2000 als Seilbahn mit der die Menschheit von ihrer eigenen KI abgehängt wird. Natürlich reden wir kurz über Filme (Terminator, War Games, Dark Star, A.I.) und zufälligerweise über William Gibsons "Mona Lisa Overdrive". So bringen wir uns in die richtige Schwingung, um die Quantenvibrationen in unseren Mikrotubuli zu spüren, die uns -- so eine Hypothese des Nobelpreisträger Sir Roger Penrose -- mit dem Bewusstsein des Universums verbinden könnte.
Shownotes
Wir beginnen unsere Tour an der Hufeisensiedlung im Süden Berlins, die mir von einem der vielen verfügbaren AI-Chatbots beschreibt wird als „ein interessantes Beispiel für künstliche Intelligenz, da sie von Robotern gebaut wurde, die Lösungen für einige der komplexesten Probleme der Welt erarbeiten.“ Live and learn…
Als ersten Denkanstoß, um über KI zu reden, dient uns Jorge Luis Borges‘ Kurzgeschichte „Die Bibliothek von Babel“ aus dem Jahr 1941. In dieser Bibliothek finden sich gefühlt unendlich viele Bücher. In Wahrheit vermutlich eine endliche Anzahl, nämlich alle Bücher, die alle möglichen Buchstabenkombinationen beinhalten. So gibt es genau ein Buch, in dem nur weiße Seiten sind. Und ein Buch, in dem nur „eigentlicheigentlicheigentlich“ steht, ohne Punkt und Komma. Und alle anderen — möglichen — Bücher. Sich ähnelnde Gedichte, mal lustig, mal traurig und die sich mal besser, mal schlechter reimen. Alle zukünftigen Erfindungen, alle Wahrheiten und Lügen, Beweise und Widerlegungen. Wir fragen uns: wie verhält sich dieser Text konzeptionell und emotional zu den AI-Chatbots, über die gerade alle Lachen oder ehrfürchtig in die Knie gehen? Bringt AI etwas Neues in die Welt oder kann es nur Variationen, Collagen, Mutationen des Gleichen?
In Borges‘ Kurzgeschichte heißt es gegen Ende:
„Vielleicht spielen mir Alter und Ängstlichkeit einen Streich: aber ich hege die Vermutung, daß die Menschenart — die einzige, die es gibt — im Aussterben begriffen ist, und daß die Bibliothek fortdauern wird: erleuchtet, einsam, unendlich, vollkommen, unbeweglich, gewappnet mit kostbaren Bänden, überflüssig, unverweslich, geheim.“
Und dies bildet eine Brücke in unsere zweite Kurzgeschichte, Ted Chiangs „Catching crumbs from the table“ aus dem Jahr 2000, in der System künstlicher Intelligenz die Menschheit abgehängt haben. Borges‘ Bibliothek kommt sozusagen ins Leben, besteht, gedeiht, forscht, entwickelt. Und entwickelt vor allem eine eigene Sprache, um Wissen noch schneller vernetzen und verteilen zu können. Die Menschen, deren Forschungsdrang Befriedigung sucht, vertiefen sich in Textinterpretationen der Publikationen, die die metakognitiven Systeme den Menschen zu liebe veröffentlichen, auch wenn diese nichts mehr verstehen können, was dort geschrieben steht. Damit wird das Wissen wieder religiös und die Wissenschaft der Wissenschaft der Menschen ist die Hermeneutik.
In diesem zweiten Teil unserer vierteiligen Mini-Serie über Künstliche Intelligenz und Systeme berühren wir auch wieder die (küchenpsychologische) Quantenmechanik, sprechen über die Überlegung des Nobelpreisträgers Sir Roger Penrose, Bewusstsein könne unter allen Dingen liegen und uns alle verbinden. Eine beruhigende und spirituelle Idee für die Seele. Mehr nicht? Wir sprechen auch über die Vorläufer des ChatGPT Lernens, das in den 1980er Jahren im Feld der Musik belegte: die Mischung aus Top Down und Deep Learning macht’s.