Gesamtlänge aller Episoden: 1 day 5 hours 32 minutes
Ein charmantes Menuett wird von wütenden Triolen zerfetzt: Im ersten Satz von op. 54 lässt Beethoven zwei maximal kontrastierende Abschnitte aufeinanderprallen. Nichts, aber auch gar nichts haben sie miteinander zu tun. Zuerst. Doch die Begegnung verändert die Musik. Und am Schluss, oh Wunder, verbinden sich die Gegensätze. Das Finale ist dann ein einziger Bewegungsrausch, schweißtreibend, schwindelerregend, euphorisch und hysterisch...
Für Igor Levit ist es das Herzensstück schlechthin. Die Waldsteinsonate op. 53 hat eine unvergleichliche Energie: Vibration, pure Lebendigkeit, Glückshormone. Ein Wendepunkt in der Geschichte der Klaviermusik. Ein Neustart. Impuls und Inspiration für alles, was auf dem Klavier im 19. Jahrhundert folgen sollte. Franz Liszt wäre unvorstellbar ohne dieses Stück. Der langsame Satz erzählt vom Suchen, das Finale vom Finden: Eine Hymne ans Leben...
Nur die Noten - keine Dynamik: Sonst ist Beethoven doch so penibel mit den Lautstärkeangaben! In der G-Dur-Sonate op. 49/2 fehlen sie. Für Igor Levit eine willkommene Aufforderung, die eigene Phantasie spielen zu lassen. Ansonsten: Wieder ein Stück für den Unterricht - knapp, witzig, auf den Punkt. Und nicht ohne doppelten Boden: Ist das "Tempo di Menuetto" wirklich so harmlos - oder nicht doch augenzwinkernd? Sicher ist diese Musik raffinierter, als es beim ersten Hören scheint...
Überraschung: Beethoven, der mittlerweile berühmt-berüchtigte Musik-Revolutionär, zaubert aus seinem Archiv zwei kleinformatige und überaus liebenswürdige Jugendwerke hervor. Die beiden Sonaten op. 49 haben beide nur zwei Sätze. Beide sind Studienstücke, gedacht für den Unterricht. Überschaubar im Anspruch, erstklassig in der Ausführung, findet Igor Levit. Richtig gute Musik, mit der aus Lernen Vergnügen wird.
Der Sturm hat sich verzogen. Zum Abschluss der Dreiergruppe op. 31 erkundet Beethoven Welten des Glücks. Manchmal zögernd und suchend, aber immer hell. Und im Finale schreibt er echte Pianisten-Musik: Ein virtuoser Bewegungsrausch, ein bisschen Show-Off - und für Igor Levit trotz aller Schweißperlen die pure Freude.
In seiner Sturm-Sonate op. 31, Nr. 2 erfindet Beethoven eine revolutionäre Dramaturgie: Die Geburt der Tragödie aus dem Klang. Und er zieht uns in einen erbarmungslosen Strudel dunkler Ereignisse. Im langsamen Satz gibt es zwar Inseln des Glücks. Doch die bleiben unwirklich. Die Schwärze und Atemlosigkeit des Finales empfindet Igor Levit als brutal und emotional unglaublich fordernd. Und doch ist die Sturm-Sonate für ihn eines von Beethovens vollkommensten Werken.
Die Musik blinzelt, frotzelt, täuscht an: In der Sonate op. 31, Nr. 1 spielt Beethoven über Bande. Gefragt sind Reaktionsschnelligkeit und Sinn für schrägen Humor. Etwa, wenn im langsamen Satz eine Opernsängerin parodiert wird, die sich in überdrehten Koloraturen verirrt. Ein Riesenvergnügen für Igor Levit. Und für uns.
Nach dem apokalyptischen Schluss der Mondscheinsonate setzt Beethoven erneut auf Kontrast: In der Sonate op. 28 gönnt er sich und uns Entspannung in der Natur. Besonderen Spaß hat Igor Levit an den urkomischen Momenten in den Mittelsätzen.
Ein weiter Raum - und ein Mensch: Im berühmtesten aller Sätze aus Beethovens Klaviersonaten, dem ersten aus der sogenannten "Mondscheinsonate", entwirft Beethoven ein suggestives Bild der Einsamkeit. Und im düsteren Finale endet alles in brutaler, schwärzester Verzweiflung. Aber Igor Levits Lieblingssatz ist der mittlere: "eine Blume zwischen zwei Abgründen" nannte ihn Franz Liszt.
"Sonata quasi una fantasia" schrieb Beethoven über seine beiden Sonaten op. 27. Zwei Sonaten, die fast freie Fantasien sind. Beethoven fängt an, mit der Form immer wildere Experimente zu machen. Igor Levit liebt das. Op. 27, Nr. 1 überfällt den Hörer immer wieder mit kleinen Schocks, wirkt dabei komplett unvorhersehbar, wie aus dem Moment improvisiert - und folgt doch einem Plan.