Expl0393: Sex und Christentum
March 1, 2016
(duration 14m)
Woher kommt eigentlich unser komischer Umgang mit Sex? Auf der einen Seite sind wir alle so verklemmt, auf der anderen ist Sex ein Dauerthema. Es ist sicher nicht falsch, in diesem Zusammenhang das Christentum zu verdächtigen. Aber wo hat das Christentum wiederum seine Ideen her?
Download der Epsiode hier.
Beitragsbild: By Jenny Mealing – Flickr, CC BY 2.0
Opener: „Christian Dating Advice – Should I Have Sex Before Marriage?“ von Chelsea Crockett
Closer: „Christian Sex Hotline“ von JaclynGlenn
Musik: „I Cleaned Up“ von Jara / CC BY-NC-ND 3.0
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Skript zur Sendung
Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Umfrage unter Menschen, die die westliche Kultur – unsere Kultur – ablehnen, als Nummer-Eins-Grund für die Ablehnung Sex nennen würde. Man hasst den Westen wegen Sex. Weil wir alles damit verkaufen, ununterbrochen darüber reden oder Witze machen. Der Ausdruck „Porno-Industrie“ z.B. bedeutet, dass Milliarden damit verdient werden, dass Menschen andere Menschen beim Geschlechtsverkehr filmen. Was dann Dritte sich anschauen.
Das ist, wenn man darüber nachdenkt, ja wohl das bizarrste Geschäftsmodell, das man entwickeln kann. Und ein Klasse-Beleg dafür, dass unser Umgang mit Sex immer noch irgendwo tief gestört ist. Wir reden die ganze Zeit über Sex, weil wir alle in Wirklichkeit nicht so locker flockig drauf sind, sondern – gesamt als Kultur – verklemmt und schwer verstört.
Wenn man darüber nachdenkt, woran das liegt, kommt man um den Schluss nicht herum, dass es am Christentum liegt. Asiatische Kulturen kennen durchaus auch Sex, sonst gäbe es ja keine Asiaten, aber das war halt etwas, was man zu Hause machte. Und über das man nicht viele Worte verlor. Klar, nachdem wir diese Kulturen mit Kanonenbooten zum Umgang mit uns gezwungen haben, sind die auch komisch drauf, zugegeben.
Aber woher hat das Christentum seine sexfeindliche Haltung? Und seine frauenfeindliche, denn das gehört zusammen. Fangen wir also mit Jesus an. Der Jude war. Und das Judentum ist nun in keiner Weise eine sexfeindliche Religion. Man könnte sagen, das Augenmerk war so stark auf das Fruchtbar-Sein und Sich-Mehren gerichtet, dass Sex gewünscht war. Die Ehe war von Gott gewollt und selbstverständlich. Beste Lebensform. Wir können durchaus davon ausgehen, dass auch Jesus verheiratet war. Sonst hätten die zwei jüdischen Autoren der Evangelien das wohl als sehr bemerkenswerten Fakt erwähnt. Mit 33 Jahren war man einfach verheiratet. Basta. Das muss man nicht erwähnen.
Alle antiken Kulturen waren mehr oder weniger frauenfeindlich, da ist auch das Judentum keine große Ausnahme. Es gibt ein sehr altes jüdisches Gebet, in dem – frei übersetzt – Gott gedankt wird. Weil er so gütig war, einen nicht als Heiden, Ignoranten oder als Frau geboren zu haben.
Doch eigentlich finden wir in den Evangelien nichts über Sex. Das scheint kein Thema für Jesus zu sein. Am ehesten sind da noch seine Äußerungen gegen die Scheidung geeignet. Da war er kein Fan von – im Judentum waren die aber nicht verpönt. Wenn eine Frau nicht genug Nachwuchs zeugte, ließ man sich scheiden. Siehe oben.
Aber zur Zeit Jesu war noch eine andere Kultur wichtig, nämlich der Hellenismus. Das ist die Kultur, die sich nach Alexander dem Großen im ganzen östlichen Mittelmeerraum verbreitet hatte. Und deswegen ist das Christentum ein Amalgam aus griechischem und jüdischem Gedankengut.
Der wichtigste Einfluss hier ist Paulus, aus dessen Denkschule mehr als die Hälfte des Neuen Testaments stammt. Und der aus der kleinen innerjüdischen Sekte ein Erfolgsmodell schmiedete. Das einige wichtige Persönlichkeiten in dieser Christensekte Frauen waren, kann er nicht ganz verschweigen, aber es ist ihm ein Dorn im Auge. Frauen sollten doch bitte in der Kirche schweigen. Und Kopftuch tragen, nebenbei erwähnt. Und Bischöfe sollten besser nicht Heiraten.
Denn mit Paulus und dem Hellenismus kommen auch Platon und Aristoteles in das christliche Denken. Und die haben schweren Schaden hinterlassen. Platon war der Meinung, dass es Fleisch gibt und Geist. Und alles Fleischliche ist verderblich. Und sogar eine Illusion. Nur der Geist zählt, nur der Logos ist wahr. Fleischliches ist abzulehnen. Lust ist fleischlich. Also bäh.
Und Aristoteles geht noch einen Schritt weiter. Dessen Thema ist Natur. Was ist natürlich, was ist widernatürlich. Sex dient nur der Fortpflanzung und ist ein Übel, um das man nicht herumkommt. Darum sind einige Positionen in Ordnung, andere aber widernatürlich. Könnte zu zuviel Lust führen. Ja, die Missionarsstellung ist eigentlich eine Idee von Aristoteles.
Und weil jedes Spermium ein kleiner Mensch ist, und die Frau nur eine Brutkammer, ist natürlich auch Masturbation igitt. Und Homosexualität auch. Logisch. Ist sozusagen Babyverschwendung.
Das sind die Puzzleteile, die die Machos, die man Kirchenväter nennt, dann zusammenbastelten. Denn man wollte sich ja von den Römern und Griechen und auch den Juden unterscheiden. Und da kamen auch diese nagelneue Mönchsbewegung wie gerufen. Die da auf einmal in Syrien auftauchte. Männer, die dem Sex komplett abschworen. Und in großen WGs zusammenlebten. Und beteten.
Das ist der richtige Weg! Am besten gar kein Sex! Das sind heilige Männer. Die Ehe ist auf einmal nur zweite Wahl, Der schlechtere Lebensentwurf. Der Zölibat, die Keuschheit, das ist der Weg, den sich der liebe Gott wünscht. Heilige sind allesamt Jungfrauen. Oder eben Junker. Oder wie man das beim Mann halt nennt…
Dann kommt noch der größte Sexfeind von allen. Augustinus. Wenn man sich einen Frauenfeind vorstellen will, dann kann man ruhig Augustinus als Archetyp nehmen. Seine Schriften enthalten viele Weisheiten, aber Mann, Mann, Mann hatte der ‘was gegen Frauen.
Vor dem Sündenfall, so seine Theorie, da hatten Adam und Eva volle Kontrolle über ihre Geschlechtsteile. Er spricht vom „stillen Paaren im Paradies“ – das ist fast schon wieder drollig. Aber nachdem sie vom Baum der Erkenntnis schnabuliert hatten, strafte sie Gott – mit Lust. Und dem bösen Orgasmus. Und mangelnder Triebkontrolle, so wie Augustinus das versteht.
Heilig, das ist das Gleiche wie Kontrolle.
Aber die Frau, die Apfelbringerin, die ewige Verführerin, die immer Lust will – die ist der Feind des Christenmenschen. Das muss aufhören, dieser Sex-Scheiß. Na gut, so weit ist er dann doch nicht gegangen. Vielleicht weil er durchaus wusste, dass Religionen, die ganz ohne Sex auskommen wollen, meist nach einer Generation ausgestorben sind. Vielleicht.
Augustinus von Hippo ist auch so wichtig, weil er in Latein schreibt. Und damit einer der Kirchenväter der katholischen Kirche ist. Denn die Sollbruchstelle zwischen orthodoxem Christentum im Osten und katholischem im Westen war die Sprache. Und darum kam es auch zum Schisma. Und zum alleinigen Führungsanspruchs des Bischofs von Rom. Dem Papst. Dem Papismus.
Und der setzt dann – gegen die Interessen der meisten seiner Angestellten – im 11ten und 12ten Jahrhundert die sexuelle Enthaltsamkeit für alle seine Priester durch. Jeder Prediger hatte zu leben wie ein Mönch. Weil, so geht halt heilig. Weil, weil, so halt!
Das wurde erst anders durch die Reformation. Luther, ein Ex-Mönch, heiratete demonstrativ. Eine Ex-Nonne. Und salbaderte über seine Sexualpraktiken in Worten, die diese Sendung zu einer Über-18-Sendung machen würden. Jetzt durften Pfarrer wieder heiraten. Aber Sex war immer noch nicht enttabuisiert. Und hatte nur in der Ehe stattzufinden. Und immer noch ist die arme Eva an allem schuld. An der Erbsünde eben. Denn im Prinzip sind Menschen schlecht, Frauen noch ein bisschen mehr als Männer…
Die ganzen jungen Amerikanerinnen und Amerikaner, die sich den Sex bis zu Hochzeit verkneifen – wie die junge Frau aus dem Opener – das sind alles Evangelische. Kein Grund stolz zu sein, Herr Luther. Oder Herr Calvin. Oder herr Zwingli. Oder Jan Hus – wen ihr auch wollt.
Es hat dann noch einmal 500 Jahre gedauert, den Einfluss der Kirche zurückzuschrauben. So dass Amy Schumer jetzt ausgiebig über verkaterten Sex mit fremden Männern in bizarren Stellungen witzeln darf. Auch, wenn das in keinster Weise souverän und selbstsicher daher kommt. Denn eigentlich ist das eben witzig, WEIL wir noch alle verklemmt sind.
Na ja, wahrscheinlich dauert’s noch einmal 500 Jahre, bis wir wirklich frei sind von den dummen Ideen mürrischer alter Männer aus der Antike. Bis dahin toben wir im Westen uns jetzt aus und reden wahrscheinlich die nächsten 500 Jahre nur noch über Sex.
Sorry, Judentum. Sorry, Islam. Sorry, Buddhismus.
Ich weiß, wir nerven. Sind Aufräumarbeiten…
GB004 | Portrait: Weihbischof em. Wolfgang Weider
March 23, 2016
(duration 1h20m)
Im Januar 2016 sprach ich mit dem emeritierten Weihbischof im Erzbistum Berlin – Weihbischof Wolfgang Weider – in seinem sehr kleinen Büro, im Erzbischöflichen Ordinariat, in der Niederwallstraße in Berlin. In diesem Büro steht nicht viel mehr als ein Schreibtisch mit einem PC, eine Wand voll Bücher, ein Faxgerät und zwei Stühlen. Ein kleines Fenster von nicht mehr als 1m Breite spendet karges Licht, im verwinkelten Dachgeschoss.
Seine Exzellenz Weihbischof Wolfgang Weider ist ebenfalls Bischof des Titularbistums Uzita, welches sich im aktuell aufgewühlten Tunesien befindet. Wolfgang Weider ist nun seit 58 Jahren Priester im Erzbistum Berlin (Weihe: 21. Dezember 1957) und seit guten 34 Jahren Bischof (Weihe: 25. März 1982 durch Card. Meisner). In dieser Zeit ist viel geschehen, was von weltpolitischem Interesse war. So beispielsweise wurde die Mauer gebaut, die fast 30 Jahre lang zum Brennpunkt für die ganze Weltpolitik wurde, welche dann 1989 eingerissen wurde. In seiner Zeit als Priester hat er bis jetzt vier Diözesanbischöfe miterlebt und stand zweien als amtierender Weihbischof zur Seite.
Das Brustkreuz (Pektorale) des Weihbischofs em. Wolfgang Weider, er trug es bis 1989. Es zeigt die geteilte Stadt Berlin und wurde ihm von Cardinal Meisner geschenkt. Das Brustkreuz kann in der Schatzkammer der St. Hedwigskathedrale in Berlin angesehen werden.
Im Jahre 2009 nahm seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI sein Ersuchen an, das Amt des Weihbischofs von Berlin niederzulegen. Bis dahin erlebte er die Finanzkrise des Erzbistums, aber auch die Erhebung des Bistums Berlin zum Erzbistum Berlin. Die neue Kirchenprovinz Berlin umfasst nun das Bistum Dresden-Meißen, aus dem der 2015 neu gewählte Erzbischof Heiner Koch nach Berlin kam, sowie das Bistum Görlitz. Wolfgang Weider lebte im Ostteil des Bistums und somit einen ganz eigenen Blick auf die geteilte Welt. Dies drückt sich unter anderem im Motiv seines Bischofskreuzes aus. Es bildet die geteilte Stadt Berlin ab.
Wolfgang Weider ist zwar in einem hohen Alter (geboren am: 29.10.1932 in Berlin), was seinen Scharfsinn, seine Liebe zur Kirche und vor allem sein Erinnerungsvermögen nicht schmälert. Sein Wahlspruch lautet “Quod dixerit vobis, facite” (“Was Er euch sagt, das tut.”). Seine Exzellenz Weihbischof Dr. Matthias Heinrich ist Weiders Nachfolger im Amt des Weihbischofs von Berlin.
Wer jetzt Lust hat Wolfgang Weider mal live zu erleben, kann jeden Dienstag Abend um 18:00 Uhr in die St. Hedwigskathedrale, der Bischofskirche des Erzbischofs von Berlin, zur Messe in die Unterkirche kommen. In der Regel nimmt er dort ab 17:15 Uhr die hlg. Beichte ab und feiert danach die Abendmesse, hier ist der Messplan zu finden (rechts in der Navigation). Wie er erzählte feiert er die Messe auch täglich in der Kapelle des St. Josephsheims, in der prenzl’berger Pappelallee. Dort geht er jeden Morgen um halb acht hin, was für ihn schon spät sei, wie er meinte. Er wohnt ganz in der Nähe, im Turm der nahe gelegenen Gemeinde Heilige Familie, dort bewohnt er, wie er sagt: “die schönste Wohnung der Stadt”, auch wenn sie schlecht geschnitten und zur Nordseite raus ist.
Nicht immer zelebriert er dort auch, manchmal sitzt er auch nur in der Bank der Kapelle. Der Weihbischof em. ist ein sehr angenehmer Gesprächspartner; und wer ihn ein bisschen erlebt, bemerkt schnell seinen Sanftmut. Sagen Sie doch einfach mal ein nettes Hallo, wenn Sie ihn in der Stadt, oder der Messe treffen – er freut sich bestimmt.
Shownotes
Die Frage der (Titular)bistümer auf berliner Gebiet
Alle ehemaligen Bistümer, die heute im Gebiet von Berlin sind, sind Bistümer ohne Titularbischof und mehr, oder weniger verwaist. Hier die Einträge in der Datenbank “Catholic Hierarchy“, dort sind unteranderem auch die Namen der Bischöfe aufgeführt und die historischen Namen, sowie weitere historische Daten:
- Lebus
- Kammin
- Brandenburg
- Havelberg
- Schwerin
Allgemeine Shownotes
- Zittau (Karte)
- Michendorf (Karte)
- Karlshorst (Karte mit Fokus auf Kirche | Wikipedia)
- St. Marien Kirche in Karlshorst (Foto | Website | Karte)
- Titularbistum Uzita (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Weihbischof em. Wolfgang Weider (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Weihbischof Johannes Kleineidam (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Generalvikar (Definition: Wikipedia)
- Diözese (Definition: Wikipedia)
- Dekanat (Wikipedia)
- Weihbischof Joseph Deitmer (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Papst Paul II (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Administrator Kirchenrecht (Wikipedia)
- Alfred Kardinal Bengsch (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Zölibat (Wikipedia)
- Selige Maria Teresia vom hl. Josef (Anna Maria Tauscher) (Karmelorden)
- Wunsch- und Segensfeier in Berlin (Infoseite | TAZ Artikel | Berliner Morgenpost)
- Kardinalskirche Meisner: St. Pudienziana (Wikipedia | Catholic Hierarchy)
- Kirchengemeinde Heilige Familie (Wikipedia | Homepage)
- St. josephsheim in der Pappelallee mit Kapelle (Wikipedia)
- Aufstand der Bauarbeiter der Stalin-Allee am 17. Juni 1953 (Wikipedia)
Zugehörige Episoden
Gott Bewahre: GB002 – Sakramente
Das Bildmaterial wurde zur Veröffentlichung von der Pressestelle des Erzbistums zur Verfügung gestellt.
Trinkgeld
Wenn Du magst, kannst Du den Gott bewahre! Podcast unterstützen, in dem Du vor einem Einkauf bei Amazon.de, bei iTunes, im AppStore oder bei iBooks Store einkaufst, auf den Partnerlink klickst. So musst Du nicht mehr bezahlen, ein paar Prozent des Einkaufs kommen aber bei mir an. So kann ich die Infrastruktur für den Podcast erhalten und ausbauen.
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Teilnehmer:
Wilhelm Ahrendt
Host
Wilhelm Ahrendt @ GB004 | Portrait: Weihbischof em. Wolfgang Weider
Weihbischof Wolfgang Weider
Gast
Clara B. Prenzlau
Intro
Clara B. Prenzlau @ GB004 | Portrait: Weihbischof em. Wolfgang Weider
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Elf Priester: Katholische Kirche ohne Zölibat - "Eigentlich ist es ein Trauerspiel"
January 16, 2017
(duration 6m)
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Das Priesteramt für Frauen und ein Leben als Priester ohne Zölibat? Für viele katholische Geistliche unvorstellbar. Jetzt fordern elf Priester von ihrer eigenen Kirche eine zeitgemäße Weiterentwicklung.
„Rückblick und Perspektiven“
Am 27. Januar 2017 feiern elf Priester aus Köln das 50-jährige Jubiläum ihrer Priesterweihe. Das ist für sie Anlass, auf ihre Zeit als Teil der katholischen Kirche zurückzublicken und zu schauen, ob sich ihre Hoffnungen und Erwartungen erfüllt haben. Zusammengefasst haben sie das in einem offenen Brief mit dem Titel „Rückblick und Perspektiven“, der beim Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlicht worden ist.
Ihr Studium haben sie einst unter Papst Johannes XXIII. begonnen und sich über die Öffnung der Kirche gefreut, die jedoch nicht lange angehalten hat. Im Brief heißt es: „Leider nahmen später bei Kirchenmännern in Rom und auch im Kölner Bistum die Ängste zu. Eine Art von Bunkermentalität sollte den Glauben sichern.“
Junge Familien und Jugendliche besuchen die Gottesdienste fast gar nicht mehr, bedauern die elf Priester, die sich seit ihrer Priesterweihe etwa einmal im Monat treffen.
Kein Zölibat und Priesteramt für Frauen
Doch für Wirbel um den Brief sorgen vor allem die darin aufgelisteten Forderungen. Neben einer verständlicheren Sprache in den Gottesdiensten und dem gemeinsamen Abendmahl von Protestanten und Katholiken, verlangen die Priester auch die Zulassung von Frauen im Priesteramt. Denn es habe keinen Sinn, „den Heiligen Geist ständig um Berufungen zu bitten und gleichzeitig alle Frauen von diesen Ämtern auszuschließen.“
Außerdem fordern sie die Abschaffung des Zölibats, also das Versprechen der Ehelosigkeit. Vor allem im höheren Alter sehen sie Nachteile des Zölibats: die Einsamkeit der Ehelosigkeit. Der ursprüngliche Gedanke, der hinter dem Zölibat steht, dem Beispiel Jesu zu folgen und mehr Zeit für seinen Glauben und die Gemeinde zu haben, führt demnach in unserer heutigen Gesellschaft zu Vereinsamung. Oder die Priester stürzen sich in ihre Arbeit, ohne dort Frieden und Spiritualität zu finden.
Weiterentwicklung der Kirche
Kann sich die konservative katholische Kirche überhaupt modernisieren? Viele Gläubige hoffen auf den reformfreudigen Papst Franziskus. Was dem im Weg steht und warum die Priester den Weg in die Öffentlichkeit gewählt haben, das hat detektor.fm-Moderator Alexander Hertel mit Wilhelm Hoffsümmer besprochen. Er ist Pfarrer und einer der elf Priester.
In den letzten 50 Jahren haben wir immer wieder die Forderungen erhoben. Das hat aber nicht viel gebracht.
Priester Wilhelm Hoffsümmersetzt sich für die Weiterentwicklung der Kirche ein.
Die Zukunft der katholischen Kirchehttps://detektor.fm/wp-content/uploads/2017/01/die-zukunft-der-katholischen-kirche-web.mp3