Zwei Freunde mit Hintergrund KI-Forschung möchten mit Mythen und Legenden zur künstlichen Intelligenz aufräumen. Dazu beleuchten Johannes und Gesina im Gespräch allgemeine und spezielle Fragen zum Thema KI.
Welche Auswirkungen hat die Nutzung von KI für das Klima und welche positiven Beiträge kann KI zum Klimaschutz leisten? Unser Gast Bettina beleuchtet dieses Thema genauer mit uns.
Nochmal kurz für Beepo
Unser Gast: Bettina Finzel ist zur Zeit Doktorandin zum Thema KI an der Universität Bamberg, Schwerpunkt KI in der Medizin und Methoden der erklärbaren KI
Klimaschutz ist ein wichtiges und lange überfälliges Thema: Es muss dringend der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen z.B. für die Energiegewinnung wegen übermäßigen Energieverbrauchs verringert werden.
Entlang des gesamten Lebenszyklus einer KI-Anwendung werden Resourcen (Energie/Strom, Wasser, Computerbestandteile, etc.) verbraucht, oft aber teilweise vermeidbar:
Datenacquise -> Wähle das Modell richtig um nötige Daten zu reduzieren
Datenvorprozessierung, Code-Qualität -> Kein unnötiger Energieverbrauch durch unsauberen Code, z.B. teures Vorprozessieren
Training -> kleinere Modelle verwenden statt mit riesigen starten, wenn möglich; nach Möglichkeit Vorwissen einbringen, um das Training zu verkürzen
Betreiben des Modells -> kleine, effiziente Modelle verwenden
Updates & Wiederverwendbarkeit -> Modelle sollten einfach aktualisierbar oder in neuen Anwendungen wiederverwendbar sein
Intelligente KI-Anwendungen haben das Potenzial, netto dem Klima zu helfen (= Energieverbrauch durch die Modelle wird durch dank KI erzielter Einsparungen in anderen Bereichen aufgehoben); dazu muss aber viel getan und beachtet werden!
Bewusstsein ist wichtig! Hier kann viel schon bei der Auswahl der Anwendung und der Entwicklung der KI getan werden.
Das Problem im Überblick
Mehr Daten, mehr Interesse an großen, rechenintensiven KI Verfahren wie neuronalen Netzen heißt mehr Verbrauch von Rechenleistung (=Strom, Kühlwasser, etc.)
Ganz kurz: Was ist die Klimakrise?
Aktuell typische Energieerzeugungsmöglichkeiten setzen sehr viele (zusätzliche) Treibhausgase frei, die die Erde aufheizen
Treibhausgase verursachen eine globale Klimaerwärmung mit deutlich gesteigerter Anzahl und Schwere von Extremwettersituationen (z.B. Trockenheit, Sturzregen) als Folge
Für Schadensbegrenzung müssen wir Ausstoß von Treibhausgasen, z.B. durch übermäßigen Energie-/Stromverbrauch, vermeiden/eindemmen, und knapper werdende Resourcen (z.B. Frischwasser) schonen!
Wie KI dem Klimaschutz helfen kann
Beispielanwendungen, die direkt dem Klima nützen können:
Navigation für kurze Fahrtwege
Wettervorhersage
Assistenzsystem für Unfallvermeidung im Straßenverkehr und damit Vermeidung von Sachschaden und neuen Produktionskosten
Präzisionslandwirtschaft, z.B. bildbasierte Erkennung kranker Bäume
Effizientere Produktion (aber Achtung, das kann auch den Konsum und damit Resourcenverbrauch ankurbeln und damit letztenendes einen negativen Effekt haben!)
Beispielanwendungen, die indirekt dem Klima nützen können:
Klimafreundlichere Anwendungen durch KI attraktiver machen, z.B.
Videokonferenzen (anstatt Hinfahren)
Wissensmanagement und Bildung, z.B.
Verfügbarmachen von Wissen, z.B. über den Klimawandel, über z.B. Suchmaschinen, um informierte Entscheidungen zu ermöglichen
Visualisierung von Informationen für bessere Nahbarkeit / „Wachrütteln“, z.B. Anwendung, die mögliche Folgen des Klimawandels wie Naturkatastrophen veranschaulicht
Wie KI schädlich fürs Klima sein kannProbleme, die von KI verursacht werden können
Stromverbrauch (bei Datenbeschaffung, (Neu-)Training, Betreiben des KI-Modells)
Frischwasserverbrauch beim Training und Betreiben großer Modelle in Rechenzentren durch Kühlwasserbedarf
Resourcen– und Energieverbrauch für Herstellung benötigter Computern, z.B. Gold, seltene Erden
Konsumsteigerung durch Automatisierung, z.B. Steigerung der Produktionsleistung -> geplante KI-Anwendung vorher prüfen
Wie kann KI klimaschädlich sein und was hilft dagegen
Verwendung eines Modells: Wenn das Modell oft ausgewertet wird, sollte die Auswertung möglichst recheneffizient sein! Möglichkeiten, das zu erreichen:
Expertenwissen in das Modell einbauen: Auf die wesentlichen Informationen konzentrieren hilft, kleine Modelle zu finden
Pruning = gezielt trainierte Modelle verkleinern, indem Bestandteile entfernt werden, die für gute Funktion nicht gebraucht werden
Sparsamere Modelle (z.B. keine neuronalen Netze) verwenden, wo es geht
Training: Mehr Rechenleistung wird benötigt
je mehr Parameter man zu optimieren hat
je mehr Trainingsdaten herangezogen werden
je weniger Vorwissen angewendet wird
Trainingsdaten: Mehr Trainingsdaten heißt auch
mehr Aufwand (und damit Resourcenverbrauch) für die Datenacquise, z.B. Testfahrten -> Verwende bevorzugt Modelle, die wenig Daten brauchen
Mehr Speicherplatz und Energieverbrauch fürs Speichermanagement (z.B. Verschieben) von Daten
Datenvorprozessierung und allgemein schlechte Code-Qualität: Prozessierungsschritte wie Normalisierung können rechenaufwendig sein -> wenn nötig, zwischenspeichern
Wiederverwendbarkeit: Concept Drift = die Umwelt ändert sich, sodass ein neues Modell nötig wäre (z.B. Klima); Damit man Modelle nicht immer wegwerfen muss:
Verwende flexible Modelle, die leicht aktualisiert bzw. auf andere Aufgaben übertragen werden können
Erstelle ein möglichst allgemeines Modell, das mehrere Aufgaben erfüllt werden können; aber Achtung, große Modelle können wieder viel Rechenleistung brauchen! Groß & allgemein steht im Gegensatz zu klein & spezialisiert.
Rechenplattformen:
Herstellung von Computern braucht auch wichtige Resourcen und Energie, z.B. hochreines Silizium, seltene Erden, Gold
Betreiben von Rechenzentren braucht viel Energie und oft auch viel Kühlwasser — das kann auf Kosten nicht-erneuerbarer Energiequellen und Wasserquellen gehen!
Kann man KI gegen das Klima aufwiegen?
Es muss ein paralleler Prozess sein: Umdenken Richtung Nachhaltigkeit auf der einen Seite, und neue Technologien, um gesellschaftsrelevante Anwendungen (z.B. für den Klimaschutz) zu ermöglichen, auf der anderen Seite.
Bewusstsein ist wichtig! Nachhaltigkeit muss schon bei der KI-Entwicklung bedacht werden, um unnötige Folgen fürs Klima zu vermeiden. Und nicht alle Anwendungen sind überhaupt sinnvoll.
Allgemeines Potential von KI fürs Klima: Rechenzentren sind aktuell für „nur“ ca. 2% des Energieverbrauchs verantwortlich; Ziel wäre es, mit wenigem Anteil am Energieverbrauch größere Energieschlucker durch intelligente Anwendungen stark zu verringern
KI-Anwendungen bieten gesellschaftlichen Fortschritt (z.B. Bildung, Gesundheit, Sicherheit), der schwer gegen Klimaziele aufzuwiegen ist -> hier müssen Konzepte her, um diese Anwendungen nachhaltig umsetzen zu können.
Sonstige Links
Studie zum Energieverbrauch von Video-Streaming (Englisch): https://www.carbontrust.com/our-work-and-impact/guides-reports-and-tools/carbon-impact-of-video-streaming Und hier eine kurze deutsche Zusammenfassung davon: https://www.enex.me/blog/wie-viel-strom-verbraucht-video-streaming
Forschungsprojekt zur Baumgesundheitsüberwachung mit KI: https://www.fh-ooe.at/campus-wels/studiengaenge/bachelor/leichtbau-und-composite-werkstoffe/news-events/news/news-1/kuenstliche-intelligenz-soll-borkenkaefer-erschnueffeln/
Pruning: https://de.wikipedia.org/wiki/Pruning
Beispiele, wie KI bei Videokonferenzen helfen kann: https://www.gms-mediaservices.de/wie-kuenstliche-intelligenz-ihre-videokonferenzen-verbessert/
Mitteilung von Google, dass sie 100% erneuerbare Energie nutzen (auch für ihre Rechenzentren): https://www.google.com/intl/de/about/datacenters/cleanenergy/
Angaben von OpenAI über u.a. die Größe von GPT-Modellen: https://openai.com/research/instruction-following
Gesinas Aussage, dass Nvidia mit 1000 Datenaufnahmefahrzeugen unterwegs ist, stammt von einer Aussage in der Keynote von Nvidia in der VDA Automotive SYS 2019 Konferenz.
Das menschliche Gehirn verbraucht tatsächlich nur 20 Watt (ca. 20% des gesamten Energiebedarfs des menschlichen Körpers) und damit 5x weniger als ein typischer Fernseher (ca. 100W) und 50x weniger als ein typischer 1000W-Staubsauger. https://www.spektrum.de/news/kuenstliche-intelligenz-verbraucht-fuer-den-lernprozess-unvorstellbar-viel-energie/1660246https://arxiv.org/pdf/1906.02243.pdf
Die Suchmaschine Ecosia, die mit ihrem Gewinn Bäume pflanzt, findet ihr hier: https://www.ecosia.org
Smart Grids (=intelligentes Stromnetz) und wozu man sie braucht: https://de.wikipedia.org/wiki/Intelligentes_Stromnetz https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-ein-smart-grid
OFA-Netzwerk als „Mutter-Netzwerk“ für zahlreiche Subnetze (https://wir-die-zukunftsmacher.de/beitrag/wie-wird-kuenstliche-intelligenz-nachhaltiger/) OFA („Once for all“) vom MIT: https://arxiv.org/pdf/1908.09791.pdf
Wer sich mal ein typisches Rechenzentrum auf einer Karte anschauen möchte: Hier sollte auch der Server und die Speicher stehen, über die dieser Podcast verteilt wird: https://goo.gl/maps/HmFRsE2kZcrDkUJ78
Das Vergleichsportal „Save on Energy“ hat berechnet, dass allein das Streamen der beliebten Netflix-Serie „Stranger Things“ von 64 Millionen Menschen die gleiche Menge CO2 verursacht wie etwa 56.700 deutsche Autofahrer und Autofahrerinnen pro Jahr Save on Energy: https://www.saveonenergy.com/resources/uk-energy/
Kurzer Bericht zu einer KI, die für die Erdbebenerkennung genutzt werden könnte: https://www.wissenschaft-x.com/stanford-ai-detection-system-could-predict-earthquakes Noch mehr zu KI und Erdbebenerkennung: https://www.gfz-potsdam.de/presse/meldungen/detailansicht/schnellere-erdbebenfruehwarnung-mit-kuenstlicher-intelligenz
Jährlich werden >= 32 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen: https://www.geo.de/geolino/natur-und-umwelt/15385-rtkl-klimawandel-wie-kohlendioxid-das-klima-veraendert Laut europäischem Emissionsradar haben die weltweiten CO2 Emissionen im Jahr 2021 schon 38 Milliarden Tonnen erreicht https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/umwelt-energie/umwelt/G20_CO2.html
Energieverbrauch von Rechenzentren:
Bericht „Energieverbrauch von Rechenzentren“ des wissenschaftlichen Dienstes vom deutschen Bundestag im Jahr 2021: „Der Energieverbrauch von Rechenzentren in den EU-Mitgliedsstaaten wird voraussichtlich von 2,7 % des Strombedarfs im Jahr 2018 auf 3,2 % im Jahr 2030 ansteigen.“ https://www.bundestag.de/resource/blob/863850/423c11968fcb5c9995e9ef9090edf9e6/WD-8-070-21-pdf-data.pdf
Die Zeit: „Alle Rechenzentren weltweit sind nur für etwa ein bis zwei Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, und KI-Anwendungen machen davon wiederum nur einen Bruchteil aus“ https://www.zeit.de/digital/internet/2022-07/kuenstliche-intelligenz-klimaschutz-energieverbrauch/komplettansicht
CO2-Verbrauch von AlphaGo: https://wir-die-zukunftsmacher.de/beitrag/wie-wird-kuenstliche-intelligenz-nachhaltiger/
Zum Wasserverbrauch von Rechenzentren:
Hier ein Artikel (Englisch) zum Stand in den USA, veröffentlicht 2021: https://www.nature.com/articles/s41545-021-00101-w
Frischwasserverbrauch von Rechenzentren (Englisch): Der Frischwasserverbrauch sowie die Abwassererzeugung kann im Bereich von Millionen von Gallonen (1 Gallone~3,785 Liter): https://pubs.usgs.gov/circ/1441/circ1441.pdf
Energieverbrauch von AlphaGo: Die KI von Googles AlphaGo hat in 40 Tagen Forschungstrainings mehr als 90 Tonnen Kohlendioxid erzeugt: https://wir-die-zukunftsmacher.de/beitrag/wie-wird-kuenstliche-intelligenz-nachhaltiger/
Was ist Präzisionslandwirtschaft: https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/581892/EPRS_STU(2016)581892_DE.pdf