Christoph predigt

Predigten von Pfarrer Christoph Fischer, Gäufelden

https://christoph-fischer.de/

subscribe
share






Alle Augen auf dich


Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn.

"Wer die Hand an den Pflug legt", sagt Jesus "und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes." (Lukas 9,62)

Ich kann mir das bildhaft vorstellen: Der Bauer, der da seine Reihen zieht auf dem Feld. Den Blick hat er fest nach vorne gerichtet. Dorthin, wo diese nächste Reihe führt. Schritt für Schritt geht er vorwärts, er führt sein Zugtier (wir sind ja gedanklich in Jesu Zeit) stets parallel zur letzten Reihe. Doch plötzlich wird er abgelenkt. Keine Ahnung wovon. Vielleicht geht ein schönes Mädchen am Feld vorbei. Vielleicht hat er Schritte gehört, oder sonst ein unerwartetes Geräusch. Vielleicht ziehen hinter ihm dunkle Wolken auf und werfen auf einmal Schatten über ihn, auf das bisher so sonnige Feld. Ich weiß es wirklich nicht, woran man da denken muss. Jedenfalls dreht er sich um. Er schaut nach hinten, während seine Füße beständig im Takt bleiben. Das Ergebnis kann man hinterher deutlich sehen: Mitten unter den geraden Reihen auf dem Feld ist eine, die ist furchtbar krumm und schief. Verschenkte Fläche, verschenktes Ackerland. Er hat das Wichtigste aus dem Blick verloren. So wird das nichts!

"Folge mir nach", sagt Jesus. Zu Petrus, zu dessen Freunden, zu ganz vielen Menschen nach ihnen. "Folge mir nach!" Zu uns sagt er das ja auch.

Man hätte sich gewünscht, die Wege in seiner Nachfolge ergäben geradere Linien. Ohne Umwege und Probleme, ohne Nöte und Zweifel, ohne Herausforderungen und Gegenwind. "Folge mir nach", hatten wir gedacht: "Das geht bestimmt geradewegs aufs Ziel zu." Viele vor uns haben auf die harte Tour gelernt, dass es auch in der Nachfolge Jesu ganz anders kommen kann.

"Wer die Hand an den Pflug legt", sagt Jesus -- nicht ohne Grund: "Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes." (Lukas 9,62)

Die Christen des ersten Jahrhunderts konnten ein Lied davon singen. Ein Lied von begeisterten Aufbrüchen -- ganz wörtlich meine ich das: Man denke an das Pfingstereignis! Ein Lied von begeisterten Aufbrüchen und von einer Umwelt, die deutlich weniger Begeisterung für den von Gott gesandten Christus zeigte. Viele seiner Nachfolger haben es am eigenen Leib erfahren. Schon früh mussten die ersten ihr Leben lassen um des Glaubens willen. Andere wurden verfolgt, landeten im Gefängnis, wurden vertrieben und ausgegrenzt. Ausgelacht zu werden, weil man an einen Gekreuzigten, einen hingerichteten Verbrecher, glaubte, war bei weitem noch das Harmloseste, was einem passieren konnte.

"Wer die Hand an den Pflug legt", sagt Jesus "und sieht zurück,..."

Wer will es ihnen denn verdenken, denen, die das getan haben. Zumal die Nachfolge Jesus eben doch ein ganz anderes Umfeld ist als das vertraute Ackerfeld. Hier gibt es keine vorgezogenen Linien, denen man folgen könnte. Wie oft sind wir außerhalb der bisherigen Linien unterwegs. Wie leicht kann man da ins Grübeln kommen, ins Nachdenken. Ins Fragen: Ist das überhaupt der richtige Weg? Lohnt es sich, weiter in diese Richtung zu gehen? Wie oft verdrehen uns die Fragen fast von selbst den Kopf. Wir verlieren aus den Augen, was wirklich wichtig ist. So wird das nix!

Es mag ein halbes Jahrhundert nach dem Kreuz gewesen sein. Vielleicht waren es auch ein paar Jahre mehr. Lange her, die Begeisterung der ersten Zeit. Die Apostel, treue Zeugen von Christus, waren nicht mehr da. Keine vorgezogenenen Linien.

Einer aus dem Umfeld des Petrus schreibt: Ermutigung, Ermahnung. Worte zum Festhalten, wenn die Linien verschwimmen. Wenn die Fragen beginnen. Wenn die Probleme einer neuen Zeit sich aufdrängen mit macht. Er schreibt an die anderen unter Petrus' Namen. Das hat man damals oft so gemacht. Er erinnert an das, was wichtig ist. Aus dem ersten Petrusbrief, aus dem ersten Kapitel:

13 Darum umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi. 14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet; 15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel. 16 Denn es steht geschrieben (3.Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« 17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben in Gottesfurcht, solange ihr hier in der Fremde weilt; 18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, 19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. 20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, 21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt. (1. Petrus 1,13-21)

Fast zwei Jahrtausende sind vergangen. Wir lesen diese Worte in einer anderen Zeit. In einer veränderten Welt. In unserem Land müssen wir nicht um unser Leben fürchten, weil wir an Jesus glauben. Uns droht weder Gefängnis noch Verfolgung. Im Gegenteil: Wir sind verwöhnt. Lange Zeit waren wir hier eine Mehrheitskirche. Wir können uns an Zeiten erinnern, an denen die Kirchenbänke viel voller waren als heute. Als es selbstverständlich war, dass man als Jugendliche:r konfirmiert wurde. Als man für die Gemeindearbeit neue Gebäude baute, statt Immobilienkonzepte zu schreiben, welche man hergeben kann. Als man Kirchengemeinden gründete und Pfarrstellen schuf, statt Pfarrpläne zu verabschieden. Als man aus voller Kehle miteinander die alt-vertrauten Choräle sang -- Lieder, mit denen man sich verbunden wusste mit Generationen vor uns, die auch schon hier gesungen und gebetet hatten. Die auch schon hier getauft wurden. Die auch glaubten und Jesus nachfolgten und die ihre Furchen vor uns zogen. Vertraute Linien, denen wir folgen konnten.

Heute ist alles anders. Oder ganz vieles zumindest. Manchmal können wir noch gar nicht beschreiben, wie es jetzt ist, weil noch alles im Fluss scheint. Weil sich vieles noch verändert. Wohin wissen wir oft noch nicht. Unsere Welt ist anders geworden. Unsere Gesellschaft, unser Land verändert sich. Rasend schnell entwickelt sich vieles weiter. Man hält kaum noch Schritt. Man kommt kaum noch nach. Viele machen sich Sorgen. Wo soll das alles hingehen? Unsere Kirche verändert sich auch. Wir kommen vor Pfarrplänen und Reformen kaum noch zu Atem. Wir werden eine Minderheitskirche. Wie lange unser aktuelles System noch tragfähig sein wird, wissen wir nicht. Wie soll man sich das vorstellen? Ganz konkret: Gäufelden, mit einer Kirchengemeinde, mit einem Pfarrer für über 3.000 Menschen? Wie soll denn Kirche da noch gelebt werden? Wie soll den Nachfolge noch weitergehen?

Wo sind die geraden, sicheren Linien, denen wir folgen könnten? Sie sind verblasst, scheint es. Man erkennt sie kaum noch. So wird das nichts!

Stop!

Merkt ihr denn, was gerade passiert ist? Manche von euch haben zustimmend genickt. Ihr habt euch wiedergefunden in dem, was ich beschrieben habe. Das alles kam euch nur zu bekannt vor. Ich habe euch ein Bild vor Augen gemalt. Eigentlich hattet ihr es doch längst selbst vor Augen. Und irgendwie haben wir uns darin verloren.

Wir haben auf die Umstände geschaut. Auf das, was uns Angst macht. Oder Sorge. Auf das, was uns verwirrt und fragend zurücklässt. Wir haben auf die Probleme und Herausforderungen geschaut -- statt nach vorne, auf Jesus.

"Wer die Hand an den Pflug legt", sagt Jesus "und sieht zurück,..."

Wir haben nach hinten geschaut. Auf eine Vergangenheit, die wir so gerne verklären. Wer schonungslos ehrlich ist, weiß: Früher war auch nicht alles besser. Wir hätten schon vor vielen Jahren ganz ähnliche Klagen hören können. Vielleicht schon immer. Wir haben zurückgeschaut, wo wir doch auch nicht finden, was wir suchen -- statt nach vorne, auf Jesus.

"Wer die Hand an den Pflug legt", sagt Jesus "und sieht zurück,..."

Und der Petrusjünger würde uns auch zurufen: Schaut auf Jesus! Schaut auf ihn!

Lasst uns das doch einfach mal ausprobieren. Auf Jesus schauen, statt nach hinten. Auf Jesus schauen, statt auf die Umstände.


Was seht ihr denn da?

Ich sehe den Gekreuzigten. Die krummen Linien sind ihm geradezu ins Gesicht geschrieben. Schmerzverzerrte Linien sehe ich.

Wer auf Jesus schaut, der sieht nicht Glanz und Gloria. Kein Silber und kein Gold.

Schon will ich wegschauen, da höre ich die Worte des Petrustexts: "Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber und Gold erlöst seid." Nicht mit Silber und Gold -- nein, mit viel größeren Werten. Gott gibt sich selber in seinem Sohn um unsere Erlösung zu erwerben. Silber und Gold? Nein, bitte! "...sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen Lamms."

Schau auf Jesus. Da siehst du, wie viel du Gott wert bist.

Sollte er dich wirklich nun hier zwischen den Ackerfurchen des Alltags hängenlassen.


Schaut auf Jesus. Was seht ihr noch?

Ich sehe Gott selbst. Dafür ist er ja Mensch geworden, Jesus, sein Sohn, damit Gottes Wesen sichtbar wird für uns Menschen. Ich sehe Gott, am Werk für seine geliebten Geschäpfe, schon von Anbeginn der Zeit. "... ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war". "Ancient history", uralte Gott-Geschichte, aber nun "offenbart", offen gelegt, sichtbar gemacht "am Ende der Zeiten, um euretwillen", schreibt der Petrusjünger. Und, merkt ihr, der glaubte sich damals auch schon "am Ende der Zeiten." Das ist es, was ihm damals Halt gab: Gott ist am Werk.

Schaut auf Jesus. Da seht ihr ihn handeln -- "um euretwillen"!

Glaubt ihr wirklich, er hat seinen Plan 2024 plötzlich vergessen?


Schaut auf Jesus. Was seht ihr noch?

Ich sehe den Auferstandenen. Ich sehe den, der nicht nur irgendein Problem gelöst hat. Er hat den Tod überwunden. In ihm hat das Leben triumphiert. In ihm leuchtet die Herrlichkeit von dem was Gott tun kann. Der dunkelste Abgrund des menschlichen Daseins ist in ihm keine Sackgasse mehr, sondern ein helles Tor zu Gottes neuem Leben. "Durch ihn", schreibt der Petrusjünger, "glaubt ihr an Gott der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt."

Glaube. Und Hoffnung. Das ist es, was man sieht, wenn man auf Jesus schaut.

Glaube. Das heißt, sich vertrauensvoll festhalten zu können, an dem, was Gott in ihm getan hat und tut. Das kann ich nur, wenn ich ihn im Blick behalte. Also: Schaut auf Jesus. Alle Augen auf ihn!

Hoffnung. Davon rede ich ja ganz viel: "Wir haben Hoffnung!" So bin ich angetreten. Das werde ich euch immer wieder zurufen (sogar als Hashtag): Wir haben Hoffnung. Hoffnung nimmt die erwartete Zukunft schon vorweg. Ich sehe noch nicht, was kommen wird. Die Zukunft ist noch nicht geschehen. Wenn ich auf Jesus schaue, dann bin ich -- wie dieser alte Spruch sagt -- vielleicht noch nicht gewiss, was einmal kommen wird. Aber ganz sicher, wer kommt. Das nimmt mir die Angst. Das lichtet die Sorgen. Das gibt mir Zuversicht und Auftrieb. Hoffnung, eben.

Das ist es, was man sieht, wenn man auf Jesus schaut.


Also schaut auf ihn. Dann geht das wieder ganz neu, mit der Nachfolge. Das ist nämlich dann die Herausforderung, die daraus wächst.

"Umgürtet euch", schreibt der Petrusjünger. Damals, mit traditionellem langen Gewand, hieß das, den Saum in den Gürtel zu stecken, damit man besser laufen kann. Bereit zum Aufbruch, also. Umgürtet euch, seid nüchtern und "setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi."

Selbst wenn ihr nämlich sonst keine Hoffnung seht, ist das eine Gewissheit, die bleibt.

Wisst ihr das nicht?

Schaut auf Jesus, dann seht ihr's.

Alle Augen auf ihn!

Amen.



fyyd: Podcast Search Engine
share








 March 3, 2024  13m