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die ennomane - Enno Park : Das Transautoritäre in der postfaktischen Gesellschaft


tl;dr: Ein Versuch, nach der Wahl in den USA die Gedanken zu sortieren  und eine Antwort auf die Forderung nach „Populismus von links“

Die gängigen Erklärungen für den Rechtspopulismus in den USA und Europa klingen alle schlüssig, bringen interessante Aspekte, orientieren sich an Fakten, doch keine scheint so richtig den Punkt zu treffen. Besonders beliebt ist im linken Spektrum die Theorie, dass der Rechtspopulismus eine Reaktion auf wirtschaftlichen Niedergang sei. Prekariat, Hartz IV usw. Klingt im ersten Moment schlüssig, hat aber einen Haken: es sind die relativ wohlhabenden aus eher bürgerlichen Schichten, die montags in Dresden gegen die Islamisierung des Abendlandes demonstrieren. Tatsächlich haben auch in den USA Menschen mit höherem Einkommen tendenziell Trump gewählt. Und diese Menschen interessieren sich gar nicht für linke Projekte.

Das ist es also eher nicht. Was dann? Ein Kulturkampf? Schon eher. Konservative und Reaktionäre im Kampf um die Deutungshoheit, wenn es um Themen wie Homosexualität, Rassismus, Feminismus usw. geht. Gegen einen solchen Kulturkampf spricht aber, dass es um Fragen geht, die eigentlich längst entschieden sind. Beispiel „Ehe für alle“: In den letzten Jahren ergaben die meisten Meinungsumfragen in den USA und Europa klare Zustimmungwerte für die Gleichstellung homosexueller Ehen von 60-80%. Ähnlich sieht es aus, wenn man nach Gleichberechtigung für Frauen fragt oder die Bedrohung durch den Klimawandel. Diese Punkte werden zwar von Rechtspopulisten hervorgehoben und immer wieder angegriffen, gesamtgesellschaftlich spielen sie aber längst nicht die Rolle, die sie in der Rhetorik der Rechtspopulisten einnehmen.

Eine andere gute Erklärung ist Emotionalität. Konservativen Wählen wird nachgesagt, eher emotional auf bestimmte Inhalte zu reagieren und dementsprechend zu handeln und zu wählen, während progressive eher zu rationalen Überlegungen neigen. So hat gemäß einer hervorragenden Analyse von Elisabeth Wellig Donald Trump konsequent ein emotionales Framing benutzt und Menschen zum Beispiel als schmutzig oder übelriechend bezeichnet oder auf perfide Weise auf die Menstruation von Frauen angespielt, die er heruntermachen wollte. Das sind Begriffe, die Trigger in unseren Gehirnen auslösen und nicht mehr nicht gedacht werden können, wenn sie einmal oder oft genug gesagt wurden. Getriggert hat Trump zielgerichtet Werte und neuralgische Punkte wie etwa der Wunsch nach Reinheit, Ordnung und Sauberkeit im Denken und Fühlen Konservativer. Hillary Clinton hingegen habe weitgehend auf ein solches an tief verankerte Werte und Gefühle zielendes Framing verzichtet und vor allem mit sachlichen Argumenten gearbeitet. Die leider regelmäßig nicht beim Zuhörenden hängen bleiben, solange nicht eine ohne schon vorhandene Weltsicht gestärkt wird.

So bestechend diese Theorie ist, am Ende ist es auch nur die sehr elaborierte Version davon, dass die Trump-Wähler einfach „dumm“ seien und führt uns nicht weiter. Der Glaube an die Dummheit der Rechten sitzt tief. So tief, dass jetzt die ersten Forderungen nach einem Populismus von links auftauchen. Die Rechtspopulisten sollen mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden. Ganz ehrlich: Ich komme da nicht mehr mit. Fight fire with fire macht vor allem einen noch größeren Brand. Ich frage mich, wie das aussehen soll, so ein „Populismus von Links“. Etwa das, was Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine in regelmäßigen Abständen von sich geben und wofür sie dann meist aus Richtung AfD gelobt werden? Oder gar Demonstrationen auf denen der Galgen für Frauke Petry gefordert wird statt Angela Merkel? Soll das ernsthaft das Niveau sein? Das wäre die völlige politische Bankrotterklärung. Es gäbe für den Wähler keinen Unterschied mehr zwischen Rechts- und Linkspopulisten. Lügen würden die eh doch alle. Dann lieber das Original wählen.

Irgendwie haben all diese Erklärungsverusche und Lösungansätze teilweise recht, ohne das Phänomen wirklich zu fassen. Ich habe da auch keine Antwort drauf, aber einen Vorschlag: ich nenne das Phänomen „transautoritär“. Der Begriff hängt eng mit dem Postfaktischen zusammen. Fakten spielen keine Rolle, wichtig ist ob Gesagtes auf Zustimmung trifft. Die Vorstellung, dass es letztlich keine Fakten sondern nur Weltsichten gibt, haben sich die Rechtspopulisten nicht ausgedacht. Vielmehr wirkt es auf mich so, als habe die Postmoderne schließlich ihren Weg an den Stammtisch gefunden. Ob ich ein Faktum als solches akzeptiere, liegt daran, welche Autoritäten ich akzeptiere. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen vermutlich teilweise auch in der antiautoritären Erziehung. „Denke selbst“ war zum Beispiel ein beliebter (wie bekloppter) Slogan der Piratenpartei. Bekloppt weil beim „Selberdenken“ schnell auch mal herauskommt, dass die Erde eine Scheibe sein muss, was innerhalb wie außerhabl der Partei regelmäßig zu beobachten ist. Jedenfalls ist es das, was die Trolle und Trumpisten glauben zu tun: selber denken. Und das Ergebnis liest sich wie der Twitter-Account von Donald Trump.

So sind die neuen rechtspopulistischen Strömungen zwar durchaus faschistoid, aber auf erstaunliche Art un-autoritär. Viel mehr glauben sie, gegen Autoritäten anzukämpfen und missachten dabei zahlreiche Regeln, vor allem häufig die des Anstandes. Sie bekämpfen dieses „linksgrünversiffte“ Establishment aus „SPDCDUFPDGrüneLinke“, die sie Blockparteien nennen. Sie sind aber keinesfalls antiautoritär: Sie wollen ja kein Leben und Leben lassen sondern wenden sich gegen Frauen, Homosexuelle, Flüchtlinge usw. Sie sind autoritär und antiautoritär zugleich und suchen sich aus dem Baukasten der Autoritäten, was gerade so passt. Deshalb nenne ich dieses seltsame Gemisch aus autoritär und antiautoritär transautoritär.

Die Frage könnte also sein: Wie einigen wir uns auf gemeinsame, rationale, humanistische Autoritäten, die wieder unbestritten sind, und zwar (wichtig!) nicht weil sie gewaltsam durchgesetzt sondern anerkannt werden? Wenn ich auf das Wahlergebnis in den USA schaue, scheint es tatsächlich die Abwesenheit einer solchen positiven Autorität zu sein, die Probleme bereitet. So hatte Trump weniger Stimmen als Romney vor vier Jahren. Die Amerikaner haben in erster Linie nicht Trump gewählt, sondern sind zu Hause geblieben. Hillary Clinton steht in der Lebensrealität vieler Amerikaner für das alte Washington-Establishment, für den Verfall des Rust-Belt, dafür in der Krise Banken gerettet aber eine Armee obdachloser Alleinerziehender produziert zu haben. Für eine Autorität, die nicht mehr anerkannt wird. Kann man den Leuten übel nehmen, dass sie zu Hause bleiben, wenn sie zwischen Witzfigur und Unglaubwürdigkeit wählen sollen? Unglaubwürdigkeit ist das Ende jeglicher Autorität. Ist der Kaiser nackt, wählen die Leute den Hofnarren. So ist eine sozialdemokratische Partei, die antisoziale Gesetze beschließt oder völlig gaga „Berlin bleibt bezahlbar“ plakatiert, der direkte Weg zu Trump. Die Autorität der Institution „Demokratie“ wird immer weniger anerkannt. Bis nur noch der (dumme?) Rest zur Wahl geht.


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 November 11, 2016  44m