Christoph predigt

Predigten von Pfarrer Christoph Fischer, Gäufelden

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Herzensangelegenheit


Liebe Konfis,

Da kommt einer mit Segen im Gepäck. Der ganze Ort ist auf den Beinen. Alle wollen dabei sein. Alle wollen es miterleben. Er steht da. Er weiß sich von Gott selbst beauftragt. Vor ihm steht ein junger Mann. Der wird gleich den Segen empfangen. Das kann man sich auch gut vorstellen. Er macht nämlich Eindruck, dieser Junge. Stark, stattlich und schön. Er macht was her, dieser Typ. Aus dem wird einmal etwas werden. Und nun, mit Gottes Versprechen, mit Gottes Zusagen -- mit Gott selbst an seiner Seite -- da stehen ihm im Leben wirklich alle Türen offen. Bessere Voraussetzungen kann es eigentlich gar nicht geben. Aus dem wird einmal etwas ganz Großes. Man kann es sich schon richtig ausmalen. Der bleibt nicht in diesem kleinen Ort. Mit Gottes Beistand wird der es sicher bis nach ganz oben schaffen. Und mancher, der zuschaut denkt: Das hätte ich auch brauchen können. Was gäbe ich drum, wenn Gott sich mir so zuwenden würde!

Wir schreiben so ungefähr das Jahr 1000 vor Christus. Die Geschichte spielt in Israel, in der kleinen Stadt Bethlehem, die später einmal in der Weihnachtsgeschichte berühmt werden wird. Daran ist noch lange nicht zu denken. Israel, das ist ein kleines Ländchen, ein kleines Völkchen, bedrängt von allen Seiten von den Feinden. Keiner weiß noch so recht, ob das überhaupt gut gehen kann. Nach langem Hin und Her hat Israel seit einiger Zeit zum ersten Mal einen König. Auch der wurde von Gott gesegnet. Auch der bekam ganz viele Versprechen. Leider war ihm das nicht besonders wichtig. An entscheidenden Stellen machte er sein eigenes Ding. Und seine eigenen Fehler. Vieles geht schief in seiner Regierung -- und seiner Beziehung zu Gott. Man munkelt, Gott habe ihn aufgegeben. Gott suche sich einen anderen. Ob deshalb der Mann Gottes in Bethlehem aufgetaucht ist?

Da steht er nun, mit Segen im Gepäck. Wo wir heute die Hände zum Segen auflegen, gab es damals nämlich ein deutlich sichtbares Zeichen. Duftendes Öl aus einer Flasche aus Horn wurde dem, der gesegnet werden sollte, auf die Haare gegossen. Das floss dann überall über Kopf und Kleidung. So, das konnte man sich gut vorstellen, sollte dann auch Gottes Segen über den ganzen Menschen fließen. Das ganze Leben erfassen, sozusagen. Sichtbar und unsichtbar. Aber Samuel -- so heißt der Mann Gottes -- hat seine Ölflasche wieder weggepackt. Ohne einen einzigen Tropfen zu vergießen. War der junge Mann vor ihm denn nicht gut genug? Hatte der denn nicht alles, was man sich wünschen konnte? Der wirkte doch schon von weitem irgendwie königlich. Eine gute Wahl, hat sich jeder der Zuschauenden gedacht. Der Vater, neben dem jungen Mann, war stolz wie Oskar. Und Samuel selbst war auch sofort überzeugt. Der hatte schon die Hand an der Flasche. Bis Gott zu ihm redete. Der sah das anders. "Der Mensch sieht, was vor Augen ist", erklärte er Samuel. "Der Herr aber sieht das Herz an."

Da steht ihr nun, liebe Konfis, und wir haben Segen im Gepäck. Lange habt ihr euch vorbereitet auf diesen Tag. Ihr habt gemeinsam mit uns über das Leben und den Glauben nachgedacht. Habt manches ganz praktisch ausprobiert. Habt mitgefeiert, wenn wir hier im Gottesdienst Begegnungen mit Gott hatten. Miteinander haben wir dieses Fest vorbereitet. Sichtbar und unsichtbar. Dass ihr vorbereitet seid, das kann man heute gut sehen. Schick habt ihr euch gemacht! Beeindruckende Kleidung. Tolle Frisuren. Wunderbare junge Menschen sitzen hier vorne in der ersten Reihe und leuchten, quasi von innen heraus. Konfirmation ist ja immer auch so ein Übergangsmoment. Früher war man da mit der Schule fertig und das Berufsleben begann. Das ist bei euch nicht so. Trotzdem steht auch ihr an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Ihr seid keine Kinder mehr. Ihr seid gewachsen, habt euch verändert, habt eigenständige Persönlichkeiten angenommen. Allein in diesem letzten Jahr ist viel passiert. Eure Eltern sind zurecht stolz auf das, was bis heute aus euch geworden ist. Und wir ja auch! Wenn man euch heute hier so sitzen sieht, kann man sich gut vorstellen, dass euch -- mit Gottes Segen und Beistand allzumal -- die Zukunft zu Füßen liegt. Wir freuen uns darauf, zu sehen und mitzuerleben, wie diese Zukunft für euch persönlich aussehen wird.

"Der Mensch sieht, was vor Augen ist", erklärte Gott Samuel. "Der Herr aber sieht das Herz an." Das Thema "Herz" habt ihr euch ja selbst ausgesucht für diesen Tag. Es steht, das muss man jetzt nicht noch einmal im Einzelnen erklären, für das ganze Leben. Besonders: Für das Zentrum des Lebens. Für Gedanken, Gefühle, Impulse -- für das, was das Leben steuert. Für Werte und das, was euch wichtig ist im Leben. Es steht für das, was euch als Person im Eigentlichen ausmacht -- weit über das hinaus, was man von außen sehen kann. Was wir sehen können, zumindest. Gott sieht da ja weiter, als wir das tun. Er sieht hinter die schicken Kleider. Er sieht, was unter den tollen Frisuren in eurem Kopf vorgeht. Er kennt die Regungen eures Herzens. Gott hält sich nicht mit Äußerlichkeiten auf. Er kennt uns alle durch und durch. Er lässt sich von einer schicken Fassade nicht blenden. Er weiß, wer ich wirklich bin. Er weiß, wer ihr seid -- im wahrsten Sinne des Wortes. Der Herr sieht das Herz an. Was sieht er da?

Das klingt jetzt irgendwie ungemütlich. Vor Gott kann man sich nicht verstecken! Das klingt doch sofort wieder so nach Kontrolle--nach dem Gott mit dem erhobenen Zeigefinger, der alles sieht und alles weiß und vor allem: alles bewertet. Der immerzu auf unsere Fehler schaut und vermutlich oben im Himmel (oder wo auch immer) Strichliste führt und der dir am Ende deines Lebens (oder vielleicht auch immer wieder zwischendurch) alles unter die Nase reibt, was schief gelaufen ist. Auch das, was die anderen gar nicht bemerkt haben, weil sie es nicht sehen konnten. Der Herr sieht ja das Herz an! Ich zucke innerlich zusammen, wenn ich das höre. Denn neben Gott bin ich der andere, der noch weiß, was da in meinem Herzen zu finden ist. Manches ist schön und wertvoll. Anderes ist definitiv nicht vorzeigbar. Was Gott wohl dazu sagt?

In Israel wird man Jahre nach der Geschichte von heute dem übernächsten König ein Buch zuschreiben: Das "Sprüchebuch" in unserer Bibel, eine Sammlung von Lebensweisheiten. "Bewahre dein Herz mit allem Fleiß", heißt es dort. Und noch einmal Jahrhunderte später ist dann Jesus unterwegs in Israel. Der hat viel zu sagen, über das Herz. Dass es wohl einen Unterschied macht, woran ich "mein Herz hänge". Was mir wichtig ist. Wovon ich mich beeinflussen lasse. Wem oder was ich Gewicht einräume und Platz gebe in meinem Leben. "Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz", sagt Jesus. Und er lädt uns ein, Gott zum Wichtigsten in unserem Leben zu machen. Unser Herz, das ganze Leben, an ihn "zu hängen" und auf seine Worte, seine Begleitung, seinen Beistand zu gründen. Das ist es, wozu auch wir euch heute, in Jesu Namen sozusagen, noch einmal einladen. Wenn ihr weitergeht, nehmt das, was ihr heute bekennt, mit. Macht es zur Lebensgrundlage. Setzt euer Vertrauen auf Gottes Zusage in der Taufe. Hört auf seine Worte in der Bibel. Lasst euch durch seine guten Gebote leiten. Bleibt im Kontakt mit ihm im Gebet. Stärkt euch an der Gemeinschaft mit anderen Christen und Christinnen und an Christus selbst im Abendmahl. Lasst das euren Schatz sein--das, was euer Herz ausfüllt.

Da steht er nun, der Samuel, mit Segen im Gepäck. Den ersten Kandidaten hat er abgelehnt. Sechs weitere auch. Schon wollte er wieder gehen, ohne auch nur ein Tröpfchen Segen verteilt zu haben. Jetzt steht er da und ein junger Mann steht vor ihm. Der lässt die Umstehenden ehrlich gesagt erst mal zweifeln. Ist der nicht zu jung? Kann der überhaupt was? Wer ist das eigentlich? Er stellt nichts besonderes dar. Er hat nichts vorzuweisen, was andere zum Staunen bringt. Ehrlich gesagt ist man gar nicht davon ausgegangen, dass er hierher passt. Als alle anderen sich beeilten, herzukommen, um den Mann Gottes segnen zu sehen, hat man ihm überlassen, sich um die Schafe und Ziegen zu kümmern. Selbst sein eigener Vater hätte nie gedacht, dass Gott mit ihm etwas anfangen könnte. "Hast du noch weitere Söhne?" muss er sich von Samuel fragen lassen. Welch eine Frage für einen Vater! Da steht er nun, jung und unscheinbar. Nach außen stellt er nichts dar. Aber Gott sieht ja das Herz an. Der kann mit ihm sehr wohl etwas anfangen. Was nach außen noch fehlt, das kann ja Gottes Segen füllen. Samuel zückt noch einmal sein Horn. Er gießt Segen aus. Sichtbar und unsichtbar. Der junge Gesegnete heißt David. Der Rest ist Geschichte. Die könnt ihr ausführlich in den Samuel- und Chronikbüchern eurer Bibel nachlesen.

Da stehen wir nun, liebe Konfis. Wir haben Segen im Gepäck. Kein Öl, aber Segen. Gottes Versprechen für euer Leben. Das erfinden wir heute nicht einfach. Es sind auch nicht nur unsere guten Wünsche. Was wir euch heute zusprechen werden, das hat Gott euch längst gesagt: in der Taufe. Auf das, was Gott sagt, kann man sich verlassen. Liebe Konfis, wenn wir eines aus der Geschichte vom jungen David gelernt haben, dann das: Gott schaut das Herz an. Und das ist gar nicht bedrohlich. Im Gegenteil: Das ist das, was wir "Gnade" nennen. Gott sind die Äußerlichkeiten nämlich egal. Ob ihr einmal ganz groß rauskommt oder aus der Sicht der anderen im Leben total versagt -- das ist nicht das, was Gott anschaut. Gott schaut viel weiter. Er sieht immer euch als Person. Wenn er euch anschaut, dann sieht man sofort die Liebe in seinem Blick. Er sieht nämlich seine geliebten Kinder. Er sieht die, denen er von Anfang an seinen Beistand, seine Begleitung, seinen Segen versprochen hat. Gott lässt sich von dem, was andere sehen, nicht zurückhalten. Er wird euch nie anders sehen als mit dieser väterlichen Liebe. Er wird euch nie vergessen oder aus den Augen verlieren, denn ihr habt einen ganz wichtigen Platz in seinem Herzen. Das ist es, was er euch heute zusagt. Nehmt das mit in eurem Gepäck, für's ganze Leben. Behaltet das in eurem Herzen.

Amen.


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