Piratenmond - Podcasts

Der Piraten-Mond Podcasts: Die letzten Folgen aller Podcasts rund um die Piratenpartei

http://piraten-mond.de/moons/Podcasts/

subscribe
share






Franks SchreibBlog : Kein Selfie mit Obdachlosen


Jeder, der hin und wieder etwas von mir liest, wird mitbekommen haben, dass ich langjähriger Einwohner der #Lichtstadt Jena bin, die angesichts der überbordenden Probleme im Land mittlerweile einem neuen Tal der Ahnungslosen gleicht. Neulich ist mir am frühen Morgen auf dem Innenhof meiner Arbeitsstätte ein Obdachloser aufgefallen, der hier offenbar genächtigt hatte und gerade seine Habseligkeiten auf ein Fahrrad packte. Ich erinnerte mich wieder daran, als ich das Interview mit unserem Oberbürgermeister Albrecht Schröter im Radio (anlässlich des Gauck-Besuchs in Jena) hörte, der meinte, selbst Obdachlosigkeit wäre in unserer Stadt kein Problem und für die in Frage kommenden Personen würden ja ausreichend Schlafgelegenheiten bereit stehen. Man sieht halt immer nur das, was man sehen will. Während regelmässiger Aufenthalte in Berlin in den letzten Jahren musste ich leider beobachten, dass Obdachlose in unserer Hauptstadt keineswegs eine Seltenheit sind. Am letzten Wochenende sah ich einen Obdachlosen unter der Autobahnbrücke Schönefeld-Nord, der bei klirrender Kälte dicht neben einer vielbefahrenen Straße in einem Zelt haust. Zu anderen Jahreszeiten stolpert man am Kiehl-, Weigand- oder Maybachufer und am Landwehrkanal alle paar Meter über einen „Nichtseßhaften“. Die meisten bieten keinen schönen Anblick und mit Romantik einer Übernachtung unterm Sternenzelt hat das Ganze auch nichts zu tun. Selbst in unmittelbarer Nähe des Regierungsviertels reiht sich an der Spree Zelt an Zelt, ohne dass nebenan jemand Bauchschmerzen bei diesem Anblick bekommen würde. Auch hat man noch nie unsere Bundeskanzlerin gesehen, die dort ein Selfie mit Obdachlosen gemacht und „Wir schaffen das!“ verkündet hätte.

Etwa 80 % der Obdachlosen in Deutschland sind Männer. Wenn man dazu etwas recherchiert, so tauchen immer wieder die gleichen Schicksale auf. Jobverlust, Scheidung, Verlust der Familie und der Kinder, Unterhaltsklagen, Überschuldung, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Wegfall der Grundsicherung nach wiederholter Verletzung der damit verbundenen Pflichten, der Räumungsklage folgt der Rausschmiss – es gibt viele kleine und große Katastrophen, die in die Obdachlosigkeit führen und niemand sollte sich einbilden, dass ihm das niemals passieren könnte. Vielleicht abgesehen vom gutsituierten grünen und linken Bildungsbürgertum, die mit Papas Auto zum Studium, ins hippe Startup-Büro oder in die Redaktion einer bunten und toleranten Wochenzeitung mit stark abnehmender Leserschaft fahren. Die Sorgen und Nöte von Männern haben in unserer Gesellschaft keine Lobby, erstrecht wenn diese Männer weiß, nicht mehr die Jüngsten und Versager in der Leistungsgesellschaft sind. Laut Wikipedia ist die Zahl der Obdachlosen in Deutschland in keiner Bundesstatistik erfasst. Sie wird je nach Quelle auf 250000 bis 330000 geschätzt, wovon ca. 20000 dauerhaft „auf der Straße“ leben. Unter den Obdachlosen gibt es auch 5000-7000 Straßenkinder. Seit 2008 steigt die Zahl der „Wohnungslosen“ kontinuierlich Jahr für Jahr weiter an.

Seitdem die deutschen Gutmenschen, die selbstgerecht immer auf der richtigen Seite des Lebens stehen, ihr Herz für ausländische, vorzugsweise muslimische „Schutzsuchende“ entdeckten, haben sie vergessen, dass auch deutsche Obdachlose per se Schutzsuchende sind. Wobei das nicht ganz korrekt formuliert ist, denn vergessen kann man nur etwas, woran man schon einmal gedacht hat. Es wäre allerdings nicht richtig zu sagen, dass überhaupt nichts für Obdachlose getan wird. Die Obdachlosenhilfe liegt nach deutschem Ordnungsrecht in kommunaler Hand oder wird von Wohlfahrts- und Sozialverbänden übernommen. Die finanzielle Situation von Kommunen und sozialen Trägern in Deutschland dürfte allgemein bekannt sein. Wie so oft übernehmen Ehrenamtliche Aufgaben, für die sich der Staat kaum mehr interessiert. Es ist ebenso leicht nachzuvollziehen, dass die diesbezüglichen Probleme in einer 100000-Einwohner-Kommune mit denen in Großstädten und Ballungszentren kaum zu vergleichen sind. Kommunen müssen Wohnungslosen im Sinne einer Mindestnotversorgung wenigstens ein vorübergehendes menschenwürdiges Obdach zur Verfügung stellen. Wie die Zahl dauerhaft „auf der Straße“ Lebender zeigt, deckt sich die Behördenperspektive nur unvollständig mit der Realität. Jemandem zu helfen funktioniert umso schlechter, je länger derjenige schon obdachlos ist.

Menschen, die durch das soziale Raster der Wohlstandsgesellschaft gefallen sind, haben mit Problemen zu kämpfen, die im gesellschaftlichen Bewusstsein kaum einen Widerhall finden. Dabei ist ständige Geldnot nur das eine. Mangelernährung, schlechte Hygiene, Krankheiten, Gewalt und Kriminalität, Einsamkeit, Charakterveränderungen und psychische Probleme, mangelnde Gesundheitsversorgung, das Ertragen von extremen Witterungsbedingungen bis hin zum Risiko im Winter zu erfrieren, da kommt einiges zusammen. Die in der medialen #Aufschrei-Welt immer wieder bemühten Schlagworte wie Antidiskriminierung, Minderheitenschutz, Inklusion, Teilhabe und Integration scheinen für alle möglichen und unmöglichen Randgruppen zu gelten, nur nicht für Obdachlose. Wer heute von sozialem Engagement spricht, meint eher soetwas wie Unisex-Toiletten, Frauenquote, RefugeesWelcome, LGBT-Rechte oder schreibt seine Dissertation in Genderstudys. Der heruntergekommene Penner mit seinen Tüten und Decken gleich um die Ecke der eigenen Haustür kommt in diesem rosaroten Weltbild nicht vor.

Obdachlosigkeit ist nur ein Aspekt einer grassierenden Armut, die angesichts des Reichtums dieser Gesellschaft nach wie vor eine Schande ist. Bei den ungetrübt hohen Steuereinnahmen der letzten Jahre fließen Milliardenbeträge in alle möglichen und unmöglichen Kanäle. Von oben nach unten versickert in der staatlichen Verteilungsmaschinerie das Geld in den Taschen von Politikern, Parteifunktionären und Beamten Töpfen, die durch privilegierte Gruppen aller Art angezapft werden, bei den Armen kommt so gut wie nichts davon an. Immer wenn von Integration die Rede ist, sind sie nicht gemeint. Sie sind ja nur „diejenigen, die schon immer hier waren“. Mit hohem propagandistischem Aufwand wird die Gesellschaft darauf eingeschworen, sich um die neuen Einwanderer zu kümmern, unabhängig davon, ob diese vor Verfolgung und Krieg flüchten müssen oder mit der Erwartungshaltung hierher kommen, der Staat würde ganz selbstverständlich für ihren Wohlstand sorgen. Zuschüsse, Subventionen und Ausgaben für Sonderprogramme fallen ganz selbstverständlich aus Allahs Himmel und dem Pack, das dieses Geld erarbeitet, wird das allzu kritische Maul verboten. Integrations- und Bildungsangebote, soziale Absicherung, Gesundheitsversorgung, Unterkünfte, die aus dem Boden gestampft werden bis hin zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum – davon können die wirklich Armen dieser Republik nur träumen und die Obdachlosen erstrecht. Die gesamtgesellschaftliche Anstrengung, die man meint aufbringen zu müssen, um einen merkwürdig einseitig ausgesuchten Teil der Welt zu retten, würde auch notleidenden Menschen im eigenen Land guttun, denen keiner Teddys vorbeibringt und für deren spirituelle Bedürfnisse keine neuen Gotteshäuser gebaut werden. Dass dies nicht geschieht, liegt vielleicht am Unwillen, am System grundlegend etwas zu ändern. Dafür müsste man ja die eigenen Privilegien und Pfründe abbauen. Entwurzelte und perspektivlose Migranten als leicht manipulierbares und billiges Arbeitsvieh stärken dagegen das System eher noch. Wenn in #Kaltland Arme und Obdachlose die politischen Entscheidungsträger unbeeindruckt lassen, zeigt dies ziemlich gut, dass es bei der Bewältigung der nicht von ungefähr kommenden Flüchtlingskrise nicht um Nächstenliebe und ein gutes Gewissen geht, sondern lediglich – wie überall sonst auch – um Kalkül.

 

Bildquelle: Fotolia


fyyd: Podcast Search Engine
share








 November 29, 2016  n/a