Literaturschock - Nächte durchlesen mit Suse

Suse gibt dir regelmäßige Buchtipps und verrät ihre Flops quer durch die Genres. Außerdem führt sie Interviews mit AutorInnen.

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010 – Buchflop: Sabine Ebert – Das Geheimnis der Hebamme




Hallo und herzlich Willkommen zur zehnten Folge meines Podcasts von Literaturschock, in der ich dir das Buch “Das Geheimnis der Hebamme” von Sabine Ebert vorstelle.

652 Seiten
ET 2006 bei Knaur
ISBN: 978-3426634127 “Das Geheimnis der Hebamme” von Sabine Ebert

Im Jahre 1167 herrscht der ungerechte und rachsüchtige Burgherr Wulfhart über das Dorf, in dem die junge Hebamme Marthe lebt. Als sie den Sohn ihres Herrn bei der Geburt nicht retten kann, entkommt sie gerade noch seinen Schergen Oswald und Ludolf und kann sich in letzter Minute in einem nach Meißen ziehenden Siedlerzug verstecken. Unter der Führung von Ritter Christian suchen einfache Bauern nach einem neuen Leben ohne Unterdrückung, ein Leben, das sie in der Ferne zu finden hoffen, wo ihnen Land und 10 Jahre Abgabenfreiheit versprochen wurde. Marthes heilerische Fähigkeiten werden schnell unentbehrlich, denn der Weg ist weit und Gefahren lauern überall.

Sabine Ebert legte mit “Das Geheimnis der Hebamme” ihr historisches Debüt vor und berichtet über den ersten Silberfund Deutschlands. Leider erzählt sie nichts Neues im Regal der “Starke-Frauen-werden-von-mächtigen-Männern-unterdrückt-Romane”. Hauptfigur Marthe ist ein 14jähriges Mädchen mit Fähigkeiten, die Superwoman und Elastigirl zusammen vor Neid erblassen lassen würden. Marthe kann nicht nur gebrochene Beine richten, Schultern einrenken und verschobene Wirbel osteopathisch wieder in ihre Position schieben, nein, Marthe hat auch das “zweite Gesicht” und erspürt damit sogar Kinder im Mutterleib und erschnüffelt Schierling im Weinbecher (von den sonstigen negativen Schwingungen ganz zu schweigen). Damit macht sie nicht nur Lassie Konkurrenz, sondern vermag anfangs interessierten Leserinnen und Lesern den letzten Nerv zu rauben.

Der Anfang ist vielversprechend, man ist gleich in der Geschichte drin, die auch rasant weitergeht mit Marthes Flucht in den Siedlerzug. Der Erzählstil und die flotte Handlung erinnerten mich auf Anhieb an die erfolgreichen Romane des Autorenteams Iny Lorentz – allen voran die Geschichten mit Marie und Michel, die in “Die Wanderhure” ihren Anfang nahm. Gute, wenn auch keine sehr anspruchsvolle, Unterhaltung. Doch die Geschütze, die Sabine Ebert im Laufe der Handlung auffährt, stellen alles bisher von mir Gelesene in den Schatten. Mit einer unheimlichen Zielsicherheit trifft sie jedes Klischee des historischen Romans. Besonders störend dabei ist Marthes “zweites Gesicht”, mit dem jede sich anbahnende Gefahr angekündigt wird. Marthe selbst ist natürlich nicht nur ein Allround-Talent, sondern auch so schön, dass sich das Buch zu einem – Achtung! Schlechter Wortwitz – Spießrutenlauf zwischen erigierten Gliedern, die alle auf Marthe zeigen, entwickelt. Nahezu jeder der Jünglinge ist in das Mädchen verliebt oder will sie in eine Ecke zerren.

Zu der bereits angesprochenen Kritik gesellt sich eine eher flache Handlung, noch flachere Charaktere (die Guten sind gut, die Bösen sind böse) und manchmal holprige Satzkonstrukte und Floskeln wie “Sie konnte die Hoffnungslosigkeit in seinen Augen erkennen“. Intrigen und Gefahren werden innerhalb von wenigen Seiten zu allseitigem Wohlgefallen aufgelöst und so portiert Sabine Ebert “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” an den Hof des Markgrafen Otto von Meißen:

Wird Ritter Christian seine Ehre wieder herstellen können?

Mit welchen heilerischen Fähigkeiten wird Marthe dem nächsten Edlen das Leben retten?

Wird Drago, der Stolz seines Herrn, von ängstlichen Stallburschen kastriert werden?

Und – die Frage, die uns alle bewegt – wird Else Kling aus dem Reich der Toten zurückkehren?

Das alles macht das Buch vorhersehbar, obwohl es die Autorin schaffte, mich über einige Strecken durch den flüssig zu lesenden Schreibstil an Marthe und ihren Ritter Christian zu binden. Das Ende bietet dann nochmal einen spannenden Showdown mit allerlei Grausamkeiten, damit man auch ja kein Mitgefühl mit den pöhsen Purschen bekommt.

Ich hatte durchaus einigen Lesespaß, vermute aber, dass die Komik von der Autorin nicht ganz beabsichtigt war. Diesen Flop kann ich jeder Katastrophentouristin wärmstens empfehlen und ich scheue mich nicht davor, in den nächsten Monaten die Folgebände hier zu besprechen. Kauf dir das Ding für am besten gebraucht für einen Cent. Das 10,99 EUR teure Taschenbuch ist im Knaur-Verlag erschienen. Ein E-Book für 9,99 EUR lässt sich super im Reader verstecken.

Shownotes
  • Rezension auf Literaturschock

Bis dann. Viel Spaß beim Nächte durchlesen!
Deine Suse von Literaturschock

Der Beitrag 010 – Buchflop: Sabine Ebert – Das Geheimnis der Hebamme erschien zuerst auf Literaturschock - Der Podcast!.


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 February 2, 2017  6m