Literaturschock - Nächte durchlesen mit Suse

Hallo und herzlich Willkommen zur 40. Folge meines Podcasts von Literaturschock, in der ich dir “Die Gauklerin von Kaltenberg” von Julia Freidank vorstelle.

Es begab sich vor langer langer Zeit eine tragische Liebesgeschichte. Ränke wurden geschmiedet, es kamen eine rothaarige Maid niederen Standes, ein Burgherr und ein schwarzer Ritter vor. Einzig ein Lied auf den Lippen brachte die Maid Männerherzen zum erliegen, doch das Lied war es, das ihr zum Verhängnis wurde. Die missgünstige “Stiefmutter” (eigentlich die Ehefrau des Burgherren) wollte die Maid als Hexe brandmarken und tot sehen. Nur knapp entkam die Maid ihren Peinigern und wollte fortan ihren Namen rein waschen, damit sie zur Liebe ihres Lebens zurückkehren konnte. So oder anders muss es sich zugetragen haben.

Unsere Maid, nennen wir sie Anna, muss mit Hebamme Marthe verwandt sein, denn Anna spielt die Hauptrolle in Julia Freidanks Buch “Die Gauklerin von Kaltenberg”. Sie ist taff (logisch), sie ist bildschön (natürlich), mutig (glasklar) und wird aus jeder brenzligen Situation wie durch ein Wunder gerettet. Als weitere Zutaten für einen historischen Schmöker nehme man:

– ein Überfall auf das Dorf

– ein paar Bösewichte mit Eiterbeulen und juckendem Ausschlag

– die obligatorische Vergewaltigung mit ein paar vorangegangenen Fast-Vergewaltigungen

– ein mysteriöser Unbekannter

– eine ordentliche Portion Theatralik in den Dialogen

– fürs Alibi: Einen Roten Faden, hier die Carmina Burana.

Weder sprachlich noch inhaltlich kann Julia Freidank mit ihrem Buch überzeugen. Es gibt immer wieder ungelöste Handlungsstränge, vieles bleibt unklar. Wie konnte Anna zum Beispiel bei der Wasserprobe gerettet werden?. Bereits nach den ersten 10 Seiten weiß man, wohin sich die Geschichte entwickeln wird.

Historisch gesehen kommt die großartig angekündigte Geschichte um die “Carmina Burana” viel zu kurz. Letzten Endes hätte man sich die zwei, drei Fakten auch bei Wikipedia anlesen können. Allerdings wäre einem da ein sehr interessanter Hauptcharakter entgangen: Raoul ist der Traum vieler schlafloser Nächte (o.k., nicht unbedingt meiner, aber …) und insgesamt der vielschichtigste Protagonist des Buches. Anna kann alles und ist mutiger als jeder Mann. Sie stellt sich gegen Ritter, Burgherren und Geistliche und schnell gewinnt man den Eindruck, dass sie auch durch pures Handauflegen den Kölner Dom verrücken könnte, wäre er nicht einen Tick zu weit vom mehr oder weniger beschaulichen Kaltenberg entfernt.

Leserinnen reiner historischer Romane werden von “Die Gauklerin von Kaltenberg” schwer enttäuscht sein. Trotzdem ist das Buch manchmal sogar spannend und damit als leichte Zwischendurchlektüre bei Strandbesuchen und ungnädig herabknallender Sonne durchaus zu empfehlen. Super Lesestoff für eine sonnenstichige oder sangriagetränkte Matschbirne.

“Die Gauklerin von Kaltenberg” erschien 2011 bei Ullstein. Wer sich durch das Taschenbuch quälen will, kann es für 8,99 EUR erstehen. Das E-Book gibt es schon für gigantische 7,99 EUR.

• Rezension auf Literaturschock

Bis dann. Viel Spaß beim Nächte durchlesen!
Deine Suse von Literaturschock

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