familieberlin – Der Podcast

Ein Podcast aus Berlin, über Berlins, von Berlins zum gleichnamigen Blog familieberlin. Familienleben, Gedanken als Mama, Kinderthemen und das ganz normale Chaos eben.

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episode 6: Podcast #6: Liebe Frau am Nebentisch – Über Toleranz und das Vergessen unter Müttern


Liebe Frau am Nebentisch, danke! Danke, dass du dich über uns und meine Kinder bei der Kellnerin beschwert hast. Denn ohne das wäre meine Interpretation deiner Blicke nur eine Hypothese geblieben. Denkst du, ich merke sie nicht? Dein Augenrollen, als mei

Liebe Frau am Nebentisch,

danke! Danke, dass du dich über uns und meine Kinder bei der Kellnerin beschwert hast. Denn ohne das wäre meine Interpretation deiner Blicke nur eine Hypothese geblieben. Denkst du, ich merke sie nicht? Dein Augenrollen, als meine kleine Tochter laut „Schnellaaaaa“ rufend durchs Restaurant peeste, bevor wir uns setzen konnten. Meinst du, ich weiß nicht, dass das nicht dem Ort angemessen ist? Ich habe sie auf den Arm genommen und ihr erklärt, dass das hier nicht geht. Klar, fand sie das nicht toll und teilte das allen laut mit. Aber musst du deswegen gleich „Na, jetzt wird es ja gemütlich hier“ sagen? So leise, dass es kaum jemand hört, aber so laut, dass wir es genau merken.

Blicke sagen viel.

Deine Blicke haben uns das ganze Essen begleitet. Naserümpfend hast du mich beim Essen beobachtet. Als ich mit Kleinkind auf dem Schoß versuchte, meine Tortilla zu essen…einhändig. Ich glaube, du kannst dir vorstellen, dass es nicht einfach war und ich kann mir denken, dass es nicht angebracht aussah. Aber glaube mir, für mich und dich war die Situation so die Beste. Denn du hattest keinen weiteren Grund, dich über meine „lauten“ Kinder zu erbosen und auch für mich war es entspannter. Mein Kind isst nunmal gern auf meinem Schoß. Die Alternative? Ein lautes, wütendes und brüllendes Kind. Wäre dir das lieber?

Ok, ich gebe zu, als meine große Tochter das Glas vom Tisch schubste, habe ich auch die Augen verdreht. Aber statt dann mit meinem Mann über eben dieses Missgeschick zu tuscheln und den Kopf zu schütteln, haben wir unseren eigenen Dreck weggemacht. Unsere Töchter sind keine unerzogenen Gören, sie sind fast zwei und vier. In diesem Alter hat man eher Augen für die heißersehnte Pizza, die auf den Tisch gestellt wird, als für das Wasserglas daneben. Dann fällt eben mal was runter, na und?

Auch du bist Mutter.

Neben deinem leisen Tuscheln, habe ich doch vieles gehört und auch verstanden. Sätze wie „Unsere waren nicht so“. Ich schließe daraus einfach mal, dass du auch Mutter bist. Waren deine Kinder wirklich nicht so? Mal laut, mal ausgelassen und einfach nur fröhlich. Denn das waren meine Töchter, als sie mit ihren Buntstiften auch mal über den Rand des Blattes auf den Tisch malten oder sich laut lachend freuten, wenn ein Elternteil vom Händewaschen kam. „Mami, meine Mami“, schallt es dann durch jeden noch so großen Raum, weil meine Kleine sich einfach nach jeder noch so kurzen Trennung freut, mich zu sehen. Und ja, sie freut sich auch über die zehnte Straßenbahn, die am Fenster vorbei fährt. Wären dir laute Wutanfälle vor Langeweile lieber? Mir nicht.

Du bist doch auch Mutter: hast du wirklich vergessen, wie Kinder sind? Das sie nicht immer nur leise, brav und angebracht sind? Im Gegenteil müsste ich über meine Kinder wohl sagen. Und sie sind in unserem Freundes- und Bekanntenkreis noch harmlos. Es gibt da ganz andere Kandidaten, die einfach immer rennen, toben, brüllen und auch mal wüten. Wie waren deine Kinder? Und selbst wenn sie immer lieb und nett waren, wie hast du das geschafft? Mir erschließt sich einfach kein Weg, meine Kinder dazu zu bekommen, stets lieb und nett zu sein. Zumindest kein Weg, der für uns alle tragbar wäre.

Von Mutter zu Mutter? Nee.

Ich finde es schade, dass du dir von uns hast den Abend verderben lassen. Denn so sah dein Gesicht die ganze Zeit aus. Aber noch viel schlimmer finde ich das Gefühl, welches du mir gegeben hast. So von Mutter zu Mutter. Denn auch wenn deine Kinder schon groß sind und offensichtlich ohne dich klar kommen, wäre nicht ein wissendes Nicken hilfreicher? Über ein „Ach das kenne ich“ oder „Es wird besser, versprochen“ hätte ich mich eher gefreut und meine Gedanken wären nicht darauf gerichtet, was wir als nächstes anstellen, um dich zu nerven. Denn das haben wir nicht mit Absicht getan, sei dir sicher. Wir wollten nur einen schönen Urlaubstag ausklingen lassen, über unsere Eindrücke reden und ja, eine von uns wollte Straßenbahnen anschauen – vor allem die Blauen.

Du weißt nichts über mich und ich nicht über dich.

Wo kämen wir denn hin, wenn Eltern wegen Menschen wie dir nicht mehr ausgehen würden – mit ihren Kindern. Was wäre es für eine Welt, in der Familien sich nicht mehr frei bewegen können, ohne Anfeindungen und Beschwerden. Alltag, mögen einige sagen. Ausnahmen, sagen andere. Doch egal, ob Alltag oder Ausnahme, vielleicht solltest du nicht von dieser Momentaufnahme von uns auf unser Leben schließen. Auf unsere Kinder, unsere Erziehung. Denn ehrlich: ich weiß auch nicht, ob du nicht einen schlechten Tag hattest, an diesem Abend euer Hochzeitstag oder ein Wiedersehen nach langer Kur war. Wenn dem so war, tut es mir leid!

Du weißt nichts über mich und ich nichts über dich. Also lassen wir das mit den stummen Verurteilungen doch einfach und erinnern uns ein bisschen an die Zeit vor einigen Jahren. Ich erinnere mich daran, wie es war, ohne Kinder im Restaurant zu sitzen und du mit ihnen, ok? Vielleicht verstehen wir beide dann besser, wie der andere sich gerade fühlen mag. Wir wenden uns vom anderen ab und unserer Gesellschaft zu, denn deswegen sind wir doch hier.

Doch noch eines hat mir deine sinnlose Beschwerde bei der Bedienung gezeigt. Dass es auch andere Menschen gibt. Menschen, die darauf sagen:

So sind Kinder nunmal, haben sie das vergessen?

Denn ja, anscheinend hast du das. Schade!


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 April 12, 2018  7m