Bloodword - SciFi, Horror, Thrill and more

Der Podcast beeinhaltet Rohversionen der Endzeit-Reihe Nachwelt 2018 von Georg Bruckmann und hin und wieder auch mal Meinungen/Rezensionen zu Büchern, Filmen und Spielen. Offizielle Veröffentlichungen von Georg Bruckmann findet man auf Itunes, Amazon und Bandcamp. Mehr Infos unter www.nachwelt2018.de

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Staffelfinale von NACHWELT 2018 - Brenner



NACHWELT 2018 geht jetzt erstmal in die Staffelpause. In dieser Pause werde ich mich um einiges kümmern. - Die Veröffentlichung von "Wagenburg" und "Brenner" als Print- und eBook. - Die Neuaufnahme von Staffel 1-3 inkl. Bonusmaterial - Mein SciFi-Horror-Projekt "Old Baron" - Eine weitere Story für "N´amercaá - Geschichten aus der gnadenlosen Stadt", die den Sotrybogen kompletieren wird. - Neue Abenteuer von "Leonard Leech - der Monsterfresser" - Meinen Blog/Website dsgvo-konform wiederveröffentlichen. - Eine neue Rolf-Story um die Staffelnpause zu verkürzen und noch so einige mehr. Aber jetzt erstmal viel Spaß mit dem Finale von Brenner! :) Hier wie immer das rohe Skript: Zuerst waren es nur Schatten. Schemen, die in hoher Geschwindigkeit auf uns zu rasten. Zwei sprangen über ein Autowrack. Zu viele, um sie zählen zu können rannten um das Auto herum. Hunde. Aber noch etwas war da. Weiter hinten, über den Hunden. In der Luft hoch oben. Ein Licht, oder mehrere, und ein seltsames Geräusch. Leise. Fremdartig. Was zur Hölle war das? Keine Zeit. Ich griff die Machete fester und es tat weh. Gleich würden sie da sein. Wieso hatten wir sie nicht gehört? Kein Knurren. Kein Bellen. Nur die Geräusche ihrer Pfoten auf der Straße. Hätten wir sie früher bemerkt, hätten wir uns vielleicht in ein Auto retten können. Jetzt war es zu spät. Jan stand noch immer wie angewurzelt da. Sibylle, die die Tiere als erste entdeckt hatte, hatte sich auch als erste wieder gefasst und war im Begriff, sich umzudrehen und wegzurennen. Ich sah, wie das Rudel um das Autowrack etwa fünfzehn Meter von uns entfernt geradezu herum zu fließen schien. Mehr als ein Dutzend große Tiere. Bösartige, schattenhafte Umrisse, die sich kaum von der Dunkelheit abhoben und nur durch ihre Bewegungen erkennbar waren. Die beiden, die über die Kühlerhaube des Autos gesprungen waren, kollidierten miteinander, überschlugen sich, aber waren im Nu wieder auf den Beinen. Sie hielten geradewegs auf mich zu. Ich machte mich bereit. Den linken Arm angewinkelt, so als würde ich einen Schild tragen und den Rechten mit der Machete über den Kopf zum Schlag erhoben - so wollte ich die Tiere empfangen. Rennen machte keinen Sinn mehr. Wir waren zu schwach, und selbst wenn wir im Vollbesitz unserer Kräfte gewesen wären, hatten wir keine Chance, den Hunden zu entkommen. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Noch eine und sie wären da. Gleich würden die Bestien sich vom Boden abstoßen und mit weit geöffneten Mäulern auf mich zu fliegen. Welcher würde der schnellere sein? Der rechte oder der linke? Bei diesen Lichtverhältnissen konnte ich kaum anderen Unterschiede zwischen den beiden Tieren ausmachen, obwohl der linke etwas größer zu sein schien und auch breiter. Mein Körper verkrampfte sich in Erwartung eines Aufpralls, ich hörte Jan schreien und Sibylle war ganz aus meinem Blickfeld und meiner Wahrnehmung verschwunden. Dann wurde das Geräusch lauter, das Licht am Himmel war näher gekommen und auch schneller geworden. Die beiden großen Tiere waren jetzt ganz nah, und eine Sekunde später - waren sie mir vorbei. Erst jetzt begriff ich, dass die Tiere nicht auf der Jagd waren. Sie waren auf der Flucht. Eine weieter Sekunde dauerte es, dann war das ganze Rudel an uns vorbei gerannt, das Geräusch war noch lauter geworden und das Licht war noch näher gekommen, hatte seine Geschwindigkeit noch weiter erhöht und jetzt sah ich, dass das nicht nur näher gekommen war, sondern auch tiefer nach unten. Das gottverdammte Scheißding stürzt ab! Ein Hubschrauber? Zu klein. Eine Drohne! Diese und andere Gedanken in nur einem Sekundenbruchteil, dann: wo zur Hölle wird das verdammte Ding runterkommen? Jan? Sybille? Näher und näher und tiefer und tiefer und schneller und schneller und lauter und lauter - ich warf mich zu Boden und die Machete entglitt meinem Griff. Dann war die Drohne über mir und im nächsten Sekundenbruchteil schon über mich hinweg. Ein vager Eindruck von Flügeln und ein ebenso vager Eindruck von falscher Spielzeughaftigkeit. Dann ein Knall. Keine Explosion, aber dennoch unglaublich laut in der Stille. Ein lautes, hässliches, kratzendes und recht langanhaltendes Schleifgeräusch. Ich stand wieder auf und drehte mich um. Jan war noch auf den Füßen. Noch immer stand sein Mund offen und sein Blick sprang zwischen mir und der Schleifspur, die die abgestürzte Drohne im wegtauenden Schnee hinterlassen hatte hin und her. Wo war Sibylle? Ich konnte sie nicht sehen und in Anbetracht dieses überraschenden Ereignisses stand sie auch nicht ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Ich setzte mich träge in Bewegung und die Bewegung kam mir langsam vor, als ich die Machete einige Meter entfernt entdeckte und hinüber ging und sie auf hob. Ich bemerkte, dass Jan mich anstarrte, so als ob er ausgerechnet von mir eine Erklärung für das haben wollte, was gerade passiert war. Ich ging zu ihm, und während ich auf ihn zuging, zwang ich ein falsches Grinsen auf mein Gesicht, das sagen sollte: Meine Güte, was haben wir doch für ein Glück, nicht wahr? Für mehr reichte es nicht. Ich wusste nicht, was ich ihm hätte sagen sollen. Wie auch? Ich wusste ja nicht einmal, was genau es war, was sich hier abgespielt hatte. Ein Absturz. Natürlich. Aber warum? Wo war das Ding hergekommen und was hatte den Absturz verursacht? Es war sicherlich zweihundert Meter oder mehr inunserer Marschrichtung über die Autobahn geschlittert, hatte Teile der Flügel und Innereien hinter sich zurückgelassen, bis es schließlich so lange an der Leitplanke entlang geschrammt war, bis die kinetische Energie verbraucht war. Jetzt züngelten dort hinten kleine Flammen. Die waren es auch, die mir in der Dunkelheit überhaupt erlaubten den ungefähren Standort der Drohne zu erkennen. Jan sah mich noch immer erwartungsvoll an und ich holte die Schreckschusspistole aus der Tasche und drückte sie ihm in die Hand, damit ich ihm wenigstens irgend etwas geben konnte, auch wenn es in dieser Sekunde nicht das war, was er von mir wollte.«Nimm die. Ich glaube bei Dir ist sie besser aufgehoben.» Warum hatte ich nicht früher an die Waffe gedacht? Er sagte nichts, sah nur auf das Metall in seiner Hand.«Komm. Wir suchen die blöde Schlampe und gehen weiter.» Jan nickte zögernd, und während er das tat, sah er hoch in den dunklen Himmel. Ich verstand das Bedürfnis. Allerdings glaubte ich nicht, dass so etwas in absehbarer Zeit noch einmal passieren würde und noch weniger glaubte ich, dass die Drohne auch nur im entferntesten mit uns zu tun hatte, aber was viel wichtiger war: mein Bedürfnis voranzukommen war schlicht und einfach um ein Vielfaches größer und ich war viel zu müde, fühlte mich geradezu stumpf, um weiter darüber nachzudenken. Etwa drei Dutzend Schritte weiter fanden wir Sybille dann neben den Leichen zweier Hunde, die von der Drohne erwischt worden sein mussten. Sie lag auf dem Rücken und wimmerte. Im ersten Moment dachte ich, die Hunde wären doch noch über sie hergefallen. Fast war ich enttäuscht, als ich bemerkte, dass es nicht so war. Wäre ein passendes Ende für sie gewesen, fand ich. Göttliche Gerechtigkeit. Aber man muss nehmen was man bekommt und als ich sah, dass ihr linker Unterschenkel in einem sehr, sehr falschen Winkel von ihrem Bein abstand, war ich damit ebenfalls zufrieden. Die Drohne, oder wenigstens ein Teil von ihr musste sie von den Füßen geholt und das Bein gebrochen haben. Bei aller Abscheu, die ich für die Frau empfand, war ich doch unfreiwillig beeindruckt von ihrer Selbstkontrolle. Sie schrie nicht. Auch nicht, als wir sie unsanft auf die Füße rissen und sie in unsere Mitte nahmen. Wir kamen elend langsam voran. Die meisten der kleinen Flammen waren schon wieder erloschen, als wir für eine halbe Minute neben der zerschellten Drohne stehen blieben und sie schweigend angafften. Flügel und Leitwerk waren weggebrochen. Es stank nach verschmorter Elektronik. Im Grunde war da nur noch ein etwa drei Meter lange, zigarrenförmiger Zylinder. Jan murmelte ein paar Sätze, von denen ich nur das Wort „Bahre“ verstand. Kann sein, dass es besser gewesen wäre, seinen Vorschlag umzusetzen, aber ich wollte weg. Einfach nur weg. Es war gut möglich, dass wir Verfolger hatten und falls das so war, dann könnte es sein, dass sie den Drohnenabsturz als Hinweis auf uns auffassen würden. Und natürlich Gustav. Seine Uhr tickte. Es kam mir schlicht falsch vor, Zeit dafür zu verwenden, eine Bahre für die verletzte Degenerierte zusammenzubasteln. So schleppten wir uns weiter und mussten oft pausieren. Öfter als einmal dachte ich, dass wir die verdammte Fotze jetzt nicht an der Backe hätten, wenn ich sie doch erwürgt hätte. Mein Geist erforschte diesen Gedanken weiter, während wir vorankrochen und jeder unterdrückte Schmerzenslaut, den sie von sich gab, stimmte mich um eine Winzigkeit versöhnlicher. Je weiter wir gingen, desto öfter musste ich pausieren. Bei Jan schien es sich anders zu verhalten. Hatte ich nicht noch vor ein paar Stunden halb damit gerechnet, dass er das Zeitliche segnen würde? Keine Ahnung, ob es die Pillen waren, die er eingeworfen hat oder ob er sich wirklich in den wenigen Stunden im Keller ausreichend regeneriert hatte. Auf jeden Fall brauchte er jetzt weniger Rast als ich. Die Zeit kroch eintönig dahin, so eintönig wie die Autobahn. Die einzige Abwechslung war das ferne Hundegebell, das gelegentlich von der Nachtluft an uns herangetragen wurde. Jan wurde jedes Mal nervös und hob die Schreckschusspistole, aber ich war zu ausgebrannt, um mich davon verrückt machen zu lassen. Meine Füße waren Blei, meine Schultern scheinbar unauflösbar verkrampft und die Muskeln meiner Beine wie aus Gummi. Sibylle half mit, so gut sie konnte. Sie wusste eben, was gut für sie war. Dennoch wurde sie immer schwerer. Was ihr wohl durch den Kopf ging? Ob sie Dankbarkeit dafür empfand, dass wir sie nicht einfach liegen ließen? Oder schmiedete sie bereits Pläne? Ich begriff die Frau einfach nicht. Was hat sie dazu gebracht, sich mit Benito und den anderen Degs einzulassen? Die Gehirnwäsche? Die Not oder der Wunsch nach Sicherheit? Hätte sie sich jeder Gruppe angeschlossen, solange diese nur stark genug wäre, um ihr Schutz zu bieten? Eine Weile dachte ich darüber nach und dann beschloss ich, dass es mir egal war. Gerade hatten wir, nach einer weiteren von inzwischen sicherlich zwei Dutzend Pausen, erneut damit begonnen, uns voran zu schleppen und die Dunkelheit der Nacht war der einer frühen und grauen Morgendämmerung gewichen, da schälten sich Umrisse von Menschen vor uns aus dem Nichts. Jan hatte sie als erster gesehen, und war augenblicklich stehen geblieben. Mit einer Geste seines freien Armes, der auch die lächerliche Pistole hielt, machte er mich sehr aufmerksam. Ich hatte meinen Blick stur auf meine Füße gerichtet und hob jetzt den Kopf, als ich die Veränderung der Situation bemerkte. Wäre meine Körpertemperatur nicht ohnehin schon fiebrig-hoch gewesen, dann wäre mir spätestens in diesem Moment der Schweiß ausgebrochen. Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Waren das Gewehre, die sie trugen? Wie viele waren es? Acht? Zwölf? Mehr? Etwa die Hälfte von ihnen befand sich von der Mittelleitplanke getrennt auf der ursprünglich entgegengesetzten und jetzt richtungslosen Spur. Sie bewegten sich in einer losen Kette voran und die Tatsache, dass sie so breit aufgefächert gingen, ließ darauf schließen, dass sie etwas oder jemanden suchten, aber vielleicht wollten sie auch nur nicht zu dicht beieinander gehen, damit man sie schwerer auf einmal erwischen konnte. Das Bild, das sie abgaben, hatte einen Anschein von militärischer Dizplin und Drill, aber gleichzeitig lag etwas darin, dass diese Annahme negierte. Einer von ihnen, er ging in der Mitte rief etwas. Sie hatten uns also entdeckt. Zu spät, um die Autobahn zu verlassen und zu spät, um hinter irgend einem Autowrack in Deckung zu gehen. Nicht dass auf diesem Abschnitt der Strecke eines gewesen wäre. Die Bewegung, die nach diesem Ruf durch die Gruppe ging, bestätigte meinen Gedanken an Gewehre. Sie legten auf uns an, Waffen, die zuvor quer vor dem Bauch oder an Riemen über dem Rücken getragen worden waren, wurden bereit gemacht. Seltsamerweise, trotz des drohenden Charakters dieser Handlungen, war ich erleichtert. Die Leute vor uns waren immerhin keine Degenerierten. Wir blieben stehen. Der Ruf wurde wiederholt, und jetzt verstand ich ihn. Wir sollten die Hände nach oben nehmen. Was auch sonst? Dazu mussten wir Sibylle loslassen. Ein Umstand der mir das Gehorchen erleichterte. Reflexartig hatte sie versucht, auf ihrem gebrochenen Bein zu stehen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als ich sie losließ und einen Schritt zur Seite machte. Jetzt endlich schrie sie, als sie umfiel. Ich konnte er spüren als sehen, dass Jan mir einen missbilligenden Blick zuwarf. Ich ignorierte ihn und hob meine Hände nach oben. Jan tat es mir nach. Gespannt sah ich ihnen entgegen und erleichtert stellte ich fest, dass sie alle vermummt waren, als sie nach einigen langen Sekunden näher herangekommen waren. Das hohe Volk. Sie gehörten zum Hohen Volk. Sicher waren sie gekommen, um nach ihren Leuten zu suchen, oder vielleicht auch nur, um das Auto wieder zu beschaffen, dass Sonja und die, die sich unserer wahnwitzigen Aktion angeschlossen hatten, entwendet hatten. Das spielte keine Rolle. Alles was ich wissen musste, war, dass wir höchstwahrscheinlich nicht erschossen werden würden. Sibylle wimmerte jetzt wieder, und ihre Klagelaute überbrücken die Zeit, die es dauerte, bis sie uns erreicht hatten. Als derjenige, der das Kommando gerufen hatte bis auf acht oder zehn Schritte an mich herangekommen war, blieb er stehen und senkte die Waffe. Dann wickelte er das schmutzig-graue Tuch ab, unter dem er sein Gesicht und seinen rasierten Schädel verborgen hatte. Ich kannte seinen Namen nicht, aber ich hatte ihn gesehen, als sie ihre lächerliche Gerichtsverhandlung abgehalten hatten. Er war auf dem Dach gewesen irgendwo weiter hinten. Vermutlich war er aufgestiegen, nachdem Sonja und der Verräter Herr Paul nicht mehr da waren. Er kam ohne Umschweife zur Sache.« Wo sind sie? Wo sind unsere Leute? Wo ist Sonja?» Ich hatte nicht einmal vor, zu rechtfertigen, was passiert war.«Tot. In Viernheim.»« Alle?»« Alle.»« Die Kindermörder?»« Nein. Andere. Sind vielleicht hinter uns her. Wir müssen weg.» Er nickte nur, und sagte dann, dass ich mich würde verantworten müssen. Ich sagte, dass es mir egal sei. Idiot. Aber wenigstens hatte er begriffen, dass wir keine Zeit für ein erstes Verhör verschwenden sollten. Er warf Jan und Sibylle einen schnellen Blick zu. Er erfasste die Situation und gab die entsprechenden Kommandos. Zwei andere durften sich jetzt mit der Degenerierten abschleppen, die versuchte, sich einen Reim auf all das zu machen und aufgehört hatte, vor sich hin zu jammern. Es stellte sich heraus, dass wir in der Dunkelheit der Autobahn zu weit gefolgt waren und jetzt näher an den Versehrten der Poliklinik waren, als an dem Hochhaus, in dem das hohe Volk sich eingerichtet hatte. Ein glücklicher Umstand, sowohl für mich, für Gustav und auch für die vermummten, denn ihre Oberhäupter Herr Simon und Frau Mack befanden sich noch immer bei Petra und dem Narbengesicht, um die Zusammenführung der beiden Gruppen zu verhandeln. Das hatte ich bei den wenigen Gelegenheiten erfahren, bei denen der Anführer der Patrouille versucht hatte, Informationen zu sammeln, während wir liefen. Jan war etwas redseliger als ich, aber ich hatte nicht zu, was er sagte, während er hinter mir lief und ich mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte. Als wir die Poliklinik erreichten, war es ganz hell geworden. Ein weiterer trüber Tag in einer trüben Welt. Aber, so dachte ich, bald würde er weniger trüb sein, wenn ich Gustav endlich die Formel für sein Gegengift würde aushändigen können. Es war so gut wie geschafft, und mit leichter Verwunderung stellte ich fest, dass ein Lächeln auf meinem Gesicht lag und ein Gefühl von Triumph in mir aufstieg. Aber irgendetwas in mir wollte nicht, dass ich lächelte und triumphierte. So viele Tote. So viel Schreckliches war geschehen, seit ich aufgebrochen war. Und zu wenige von ihnen auf Seiten der Degs. Und sie darf noch leben, dachte ich, als mein Blick auf Sibylle fiel. Als wir weiter in die Nähe der Poliklinik kamen, stellte ich zu gleichen Teilen überrascht und erfreut fest, dass sie tatsächlich begonnen hatten, den großen Bau weiter zu befestigen und zu sichern. Wachen auf dem Dach, aber noch bevor ich Gelegenheit hatte, diese zu sehen, passierten wir drei hintereinander liegende Wachposten, die aus gesünderen Versehrten und Mitgliedern des hohen Volkes bestanden. Zwar hatte jeder von ihnen bestenfalls eine Stärke von vier Mann, aber sie waren klug positioniert worden. Jemand hatte verstanden, dass sie mit dem Träumen aufhören mussten und die Initiative ergriffen. Sicher hatte Gustav einen erheblichen Anteil an dieser neuen Entwicklung gehabt. Gut, dass er einen Draht zu seiner ehemaligen Kommilitonin Petra hatte. Die Wachposten hatten uns sofort erkannt, als wir uns genähert hatten und auch in die Poliklinik wurden wir ohne größeres Prozedere eingelassen. Spätestens jetzt hätte ich Erleichterung spüren müssen. Spätestens jetzt hätte eine große Last von mir abfallen sollen. Aber das Gefühl blieb aus. Ich begriff nicht, woran das lag, aber ich nahm diese Enttäuschung meine Erwartungen hin. Genau genommen hätte ich vermutlich alles hingenommen, was sich um mich herum und in mir drinnen abspielte. Ich war ausgebrannt. Erschöpft. Völlig am Ende. Die Gesichter der Toten tanzten vor meinen Augen. Sie vermischten sich mit den neuen Eindrücken der vergangenen Stunden. Ein schwebendes Gefühl, für einen Augenblick kein Gleichgewicht. Einer der Versehrten, die aufgeregt herbeieilten, als wir angekamen, machte einen schnellen Schritt und stützte mich. Hinten in der großen Eingangshalle erkannte ich Petra und ihr Narbengesicht, wie sie uns entgegeneilten.. Ich schüttelte meinen Helfer ab. Der emotionale Aufruhr über unsere Ankunft war enorm, das konnte ich spüren, auch wenn es keinerlei Geschrei, Gerufe oder andere Ausbrüche gab. Alles lief fast schon unwirklich ruhig ab. Hinter Petra und ihrem Mann kamen Frau Mack und Herr Simon her. Schnell hatten sich die vier von mir aufgebaut. Sibylle und Jan wurden weggeführt, damit man ihre Verletzungen versorgen konnte. Petra hatte diese Anweisungen in knappen, einsilbigen Worten gegeben, und als sie damit fertig war, wandte sie sich mir zu. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Frau Mack kam ihr zuvor. Sie wollte wissen, was ich mit ihren Leuten gemacht hätte, wo Sonja sei und Herr Paul und die anderen wären. Ich sagte es ihr, und sie wurde kreidebleich. Dann begann sie, mich anzuschreien. Das alles meine Schuld sei, dass es wieder eine Verhandlung geben würde, dass ich damit nicht durchkommen dürfe und so weiter und so weiter. Ich hörte ihr nicht zu, sondern lenkte meinen Blick auf ihre Hand, die die von Herrn Simon, der neben sie getreten war, umklammerte. Die beiden hielten zusammen, komme was da wolle. Beneidenswert. Petra ließ sie einen Moment lang gewähren, dann mischte sie sich wieder ein. Sagte, dass ich mich ausruhen müsse, und dass meine Verletzungen versorgen sollte. Und Essen sollte ich und trinken. Dann würde man weiter sehen. Frau Mack war noch immer außer sich und verlangte, dass man mich zumindest unter Bewachung stellen sollte. Ich konnte sehen, dass Petra der Gedanke nicht gefiel, aber sie willigte ein und ich wurde in mein altes Zimmer geführt, in dem ich mich schon einmal von Verletzungen und Fieber erholt hatte. Essen. Trinken. Ein Bett. Und Schlaf. Ja, Schlaf. So verführerisch. Aber war da nicht noch etwas? Natürlich. Ich riss die Tür wieder auf und die beiden kahlköpfigen Frauen des hohen Volkes, die rechts und links im Gang Stellung bezogen hatten, fuhren erschrocken herum. Eine hob sogar ihre Waffe in meine Richtung, als ich in den Jackentaschen herumkramte und schließlich die Kopie an der Formel zum Vorschein brachte, die ich von meinem Arm abgemalt hatte. Ich hielt sie der Frau vor die Nase, bis sie endlich danach griff.« Bring das zu Gustav. Sofort. Es ist wichtig. Sein Leben hängt davon ab.» Sie sah mich zwei Sekunden lang an, und dann nickte sie zögernd.« Schlaf jetzt.», sagte sie und schob mich zurück ins Zimmer. Das tat ich, und trotz des in meinem Hinterkopf nagenden Gefühls einer Niederlage, trotz all der Aufregung und trotz all der schrecklichen Ereignisse der letzten achtundvierzig Stunden war ich weg, sobald ich mich auf dem Rücken ausgestreckt und die Augen geschlossen hatte. Die Cafeteria war zum bersten voll. An dem erhöhten Tisch saßen. Petra und ihr Narbengesicht und Frau Mack. Herr Simon schien nicht sitzen zu wollen, denn obwohl noch ein Platz frei war stand er hinter seiner Partnerin und hatte ihr die Hände auf die Schultern gelegt. Ich selbst befand mich einmal mehr im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit. Man hatte mir Salbe auf die Hände geschmiert und Verbände angelegt. Allerdings war es nicht Gustav gewesen, der das getan hatte und auch jetzt konnte ich nirgends entdecken, als ich meinen Blick über all die Menschen schweifen ließ. Sicher war er irgendwo in einem Labor damit beschäftigt, einen Vorrat seines Gegengifts herzustellen. Seine Abwesenheit stimmte mich positiv, was diese «Verhandlung“ anging. Er wäre hier, wenn er glauben würde, dass ich in Schwierigkeiten stecken würde. Und in der Tat - objektiv gesehen, hatte ich mir nichts vorzuwerfen. Sonja und ihre Leute waren aus freien Stücken mitgekommen und an ihrem Tod waren entweder die Degenerierten oder wahlweise auch Herr Paul Schuld. Ich würde die Geschichte erzählen, so wie sie stattgefunden hatte und niemand würde mir ankreiden können, was ich getan hatte. Ich wünschte nur, dass ich mir diese Sichtweise auf emotionaler Ebene auch zu eigen machen könnte. Aber das hatte hier und jetzt nichts in meinen Gedanken zu suchen. Neben mir stand Jan und Sibylle saß in einem Rollstuhl auf meiner anderen Seite. Ihr gebrochenes Bein war wieder gerade und geschieht. Ihr ungepflegtes, verlebtes Gesicht wirkte noch eingefallener, wenn das überhaupt möglich war. Ihre Lippen waren rissig und trocken und sie fuhr sich immer wieder mit der Zunge darüber. Jan konnte sich ohne Probleme aufrecht halten. Auch er trug Verbände und sie hatten ihm frische Kleidung gegeben. Er machte jetzt nicht mehr den Eindruck, dass er jeden Moment sterben könnte. Noch immer lag ein leichter Drogen-Glanz in seinen Augen. Immer wieder warf er mir Blicke zu, und ich konnte ihm ansehen, dass er viele Fragen hatte. Gleichzeitig aber begriff er wohl, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war, sie zu stellen. Erneut betrachtete ich die Menschen um mich herum. Viele der Versehrten hatten die „Mode“ des hohen Volkes übernommen, und sich die Schädel rasiert. Vor allem die, die noch in der Lage waren, einen aktiven Beitrag zu leisten und nicht an Rollstühle, Krücken oder Sauerstoff-Flaschen gebunden waren. Anmerkung: im Roman nachschauen, ob es Namen gibt, die man erwähnen könnte. Anmerkung Ende. Dann ging es los. Herr Simon hob die Stimme und bat um Ruhe, eine Anweisung, der sofort entsprochen wurde. Dann forderte er mich auf, zu berichten. Und das tat ich. Ich erzählte von der Spurensuche in Dossenheim. Davon, wie wir die Dialyse in Weinheim durchsucht hatten. Von unserer Ankunft in Viernheim und den schrecklichen Gräuel, die wir dort vorgefunden hatten. Davon, wie Sonja wie aus dem Nichts von einem Pfeil getroffen worden war. Dann von meiner Gefangennahme und davon, wie ich an die Formel gekommen und von Herrn Pauls Verrat erfahren hatte. Dann von seinem und dem Tod der anderen aus unserer kleinen Gruppe. Und dann von all den Dingen, die darauf gefolgt waren. Auch, dass Tommy sich bei den Degenerierten befunden hatte, ließ ich nicht aus. Ich berichtete von Benito und Sibylle Taten und natürlich zeigte ich auf sie, damit niemand auf die Idee kommen könnte, dass diese jämmerliche Kreatur im Rollstuhl irgend eine Art von Gnade verdient hätte. Dann kamen mir Zweifel und ich begann zurück zu rudern und zu betonen, dass sie dennoch einen Wert als Geisel haben könnte, falls Benito unwahrscheinlicherweise in Erscheinung treten würde. Daran glaubte ich eigentlich nicht wirklich. Christiano und seine Leute waren ihm haushoch überlegen gewesen. Als ich zu den neuesten Ereignissen kam, kam mir der gestrige Absturz der Drohne auf der A5 so unwirklich vor, dass ich froh war, dass er vom Anführer der Patrouille, die uns gefunden hatte, bestätigt wurde. Keiner der vier, die dieser Versammlung vorsaßen, unterbrach mich, um Zwischenfragen zu stellen. Erst nachdem ich geendet hatte, fassten sie nach und ich arbeitete mich so gut ich konnte durch Details, die unklar geblieben waren. Dann wollten sie nichts mehr von mir wissen und wandten sich Jan und Sibylle zu. Während die beiden - Jan offen und ehrlich, und Sibylle vorsichtig, zögernd und auf ihren Vorteil bedacht - meine Geschichte bestätigten, sofern sie das denn konnten, sah ich mich einmal mehr um. Kein Gustav. Immer noch nicht. Wie lange ging diese ganze Sache jetzt schon? Natürlich verstand ich, dass sie wissen wollten, was passiert war. Aber dieses ganze Brimborium mit Vollversammlung und allem erschien mir irgendwie übertrieben. Wie lange ging das jetzt schon? Beinahe eine Stunde, schätzte ich. Während ich gesprochen hatte, hatte ich die Gesichter der vier nicht aus den Augen gelassen. Sorge hatte ich gelesen, Stirnrunzeln gesehen und mühsam unterdrückten Zorn. All das hatte sich abgewechselt mit Abscheu und Trauer und noch etwas anderem. Was dieses andere war, erfuhr ich erst eine halbe Stunde später, nachdem die Befragung, erneut von Herrn Simon, beendet worden war und ich es beim besten Willen nicht mehr aushielt, dieses überflüssige Affentheater mitzumachen. Die Menge aus Kranken und Mitgliedern des hohen Volkes zerstreute sich nur langsam. Sibylle wurde weg geschoben und Jan blieb in meiner Nähe, wohl weil er sonst niemanden hier kannte. Brudermörder, dachte ich aber dieses Wissen ließ mich seltsamerweise nicht schlechter von ihm denken. Noch bevor ich mich über mich selbst wundern konnte, wurde dieser Gedanke erneut verdrängt. Schnell überbrückte ich die Distanz, die mich von Petra, dem Narbengesicht und Herrn Simon und Frau Mack trennte. Ich hatte ihre Aufmerksamkeit sofort. Genau genommen hatten sie ihren Blick ohnehin nicht wirklich von mir abgewandt, nicht während sie Jan befragt hatten und auch nicht bei der Befragung von Sibylle. Noch bevor ich fragen konnte, stand Petra auf und ging mir einen Schritt entgegen. Jetzt sah ich in ihrem Gesicht, was dieses andere war. Bedauern. Trauer und Bedauern und Mitleid. Ich wusste, was sie gleich sagen würde und als sie es dann tat, war es als würde ich sterben und nicht, als wäre Gustav gestorben.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Du warst zu langsam, hörte ich.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Du hast versagt, hörte ich«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Du hast ihn im Stich gelassen, hörte ich.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Er ist alleine und unter Qualen verreckt, hörte ich.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Du hast uns unseren Arzt genommen, hörte ich«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Er war umso vieles besser als Du, hörte ich.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Es war alles umsonst, hörte ich.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. Du hast sie für nichts in den Tod geführt, hörte ich.«Er ist tot. Gestern.», sagte sie. So viel überflüssiges Sterben, hörte ich. Sie sagte das nicht, und ich weiß auch, dass sie das nicht ausdrücken wollte. Ich weiß, dass ihr Bedauern und ihre Traurigkeit und auch ihr Mitgefühl mir gegenüber ehrlich gewesen waren. Aber in diesem Moment war ich nicht in der Lage, das zu erfassen. Plötzlich konnte ich einfach nicht mehr in ihrer Nähe sein, nicht mehr den milden, beinahe mütterlichen Blick ertragen. Plötzlich konnte ich einfach niemandes Nähe mehr ertragen. Ich wandte mich ab, drehte mich um und ging weg und mit jedem Schritt, den ich tat wurde ich schneller. Dann ist da nur noch schwarz. Das nächste, an dass ich mich erinnern kann ist, dass ich auf dem Boden lag und schweres Gewicht auf mir lastete und dass ich dagegen ankämpfte, aufstehen wollte und brüllte, dass sie mich loslassen sollten. Dann Ohnmacht und Wut und noch mehr Wut und schließlich - endlich - Resignation und mit ihr einhergehende Ruhe. Mit der Ruhe kamen Vorboten einer Traurigkeit, die mich seitdem nie wieder ganz verlassen hat. Im großen Krieg hat man mir die erste Familie genommen. Und jetzt, nachdem ich mich wider besseres Wissen erneut auf Menschen eingelassen habe, die zweite. Wanda und Mariam waren weg und Gustav war tot. Die besten Menschen, die ich getroffen habe, seit die Welt sich in einen Albtraum aus Ruinen und Grausamkeit verwandelt hatte. Sie und so viele andere. Mein Widerstand erschlaffte und nach einer Weile ließen sie mich aufstehen. Ich bat sie, mir Gustavs Grab zu zeigen. Sie nickten und als ich das Zimmer beinahe schon verlassen hatte, drehte ich mich noch einmal um. Das Fenster war offen und vor ihm lag ein umgekippter Rollstuhl. Ich ging hin. Ich sah nicht nach unten. Ich wusste, was ich dort sehen würde. Ich sah nach oben. Da flog etwas, in einiger Entfernung. Eine Drohne. ----------------- NACHWELT 2018 zum post-apokalyptischen Selbstlesen: TASCHENBÜCHER Die Ratten von Frankfurt : https://goo.gl/oR8h92 Unter Ivans Knute : https://goo.gl/ABjfGq Blutarm : https://goo.gl/RDBV2g EBOOKS: Die Ratten von Frankfurt : https://goo.gl/hnzvv6 Unter Ivans Knute : https://goo.gl/5qY8Pi Blutarm : https://goo.gl/QrC5be LINKS & INFOS ####FACEBOOK: https://goo.gl/P3xwbx ####BLOG: http://georgbruckmann.blogspot.de ####WEB: http://nachwelt2018.de ####AMAZON: http://goo.gl/K228Tw GOODIES: eBook „Hexagon der Finsternis“: http://goo.gl/c7mNaV eBook ROLF:EXODUS: https://goo.gl/ntgsq5 NACHWELT 2018 ist ein zum Großteil in Deutschland spielender Endzeit-Thriller, inspiriert von Games wie Stalker, Fallout, der "Metro"-Reihe, Filmen wie Mad-Max, The Walking Dead usw. Nichts für Zartbesaitete! ;) IN EIGENER SACHE: Nichts ist wichtiger als MUNDPROPAGANDA! :) Wenn Du hier etwas Spaß hattest, abonniere, hinterlasse einen Kommentar, vergib Likes, schau auf Facebook vorbei, schreibe ne Bewertung auf Amzn, schleppe Freunde an, sprich darüber! Würde sehr helfen und wäre generell toll von Dir! :-) #hörbuch #endzeit #thriller #horror


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 August 19, 2018  36m