Medium Religion | Ausstellungseröffnung
Eröffnungsansprache von Peter Weibel, Vorstand des ZKM. 22.11.2008
Ausstellung Medium Religion (21.11.2008-19.04.2009) im ZKM | Museum für Neue Kunst
Die religiösen Bewegungen der Gegenwart operieren in erster Linie mit Bildern, die sich mittels der Massenmedien fast augenblicklich über die ganze Welt verbreiten lassen. Die elektronischen Bildmedien Video und Fernsehen sind zu den ausgesuchten Medien der religiösen Propaganda geworden, da sie sich besonders schnell produzieren und verbreiten lassen. Die Rückkehr der Religionen, von der man heute spricht, bedeutet also nicht unbedingt, dass heutzutage mehr Menschen gläubig geworden sind, sondern vielmehr, dass sich die Religionen aus der privaten Sphäre des persönlichen Glaubens heraus in die öffentliche Sphäre der visuellen Kommunikation bewegt haben. Die Religionen funktionieren dabei zum einen als repetitive Maschinerien zur massenmedialen Verbreitung von mechanisch produzierten Bildern.
Zum anderen hat diese Repetition ihr Vorbild in der Wiederholbarkeit des religiösen Rituals, das der Entstehung aller späteren medialen Techniken der Reproduktion zu Grunde liegt. Die ursprünglichen Medien der Religion waren die Schrift und das Buch mit der gleichen Aufgabe der Verbreitung des Glaubens. Der Text diente allerdings auch dazu, den Glauben zu kanonisieren. Ohne Schrift keine Kirche, ohne Schriftrollen kein Glauben. Die Religion war also von Anfang an nicht nur an Medien gebunden, sondern war vielmehr durch den Anspruch der Wiederholbarkeit, den das Ritual verkörperte, selbst ein Medium. Die Religion bediente sich also nicht nur der Medien Schrift und Bild, sondern ist selbst ein Medium: Die Religion als Medium komplementiert die Medien als Religion.