Wer jetzt? Demokratie im 21. Jhd.

Wir reden über die Zukunft der Demokratie. "Wer jetzt?" ist der Podcast fürs Praktische. Mit und über Menschen, die an der Weiterentwicklung und Förderung unserer Demokratie arbeiten, und unser politisches System von innen oder außen verändern. Philipp Weritz als Gastgeber interviewt Menschen aus Politik, Wissenschaft, Medien, Zivilgesellschaft und mehr in 30-40 Minuten Folgen über Ideen und Projekte, wie Demokratie morgen aussehen kann.

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episode 24: Der Beginn der politischen Wachsamkeit mit Robert Menasse


Den Abschluss unseres Europaschwerpunkts macht der Autor Robert Menasse. Als politischer Essayist und Europadenker hat er mit seinen Büchern „Der europäische Landbote“ und dem Roman „Die Hauptstadt“ Europa durchleuchtet und weitergedacht. Ein Gespräch über eine europäische Republik, wie der Gründergedanke verraten wurde und warum ein Wiener mehr mit einem Berliner als einem Tiroler gemein hat. Von Sportseiten zu Chile Was politisiert einen politischen Essayisten? Menasse beschreibt sich in seiner unpolitischen Zeit als Studenten, der Sport- und Kulturseiten in der Zeitung las. Das änderte sich am 11. September 1973. Der Tag an dem der demokratisch gewählte Regierung Chiles durch einen Putsch gestürzt wird. Er demonstriert vor der amerikanischen Botschaft: „Das war der Beginn meiner politischen Wachsamkeit“. Für Europa passiert das später. Menasse fragte sich, was die Chancen, Zustände und Umstände des Lebens produziere. „Die Gesetze, die Österreich umsetzt, sind zu 80 Prozent übernommen von der Europäischen Union. Die Rahmenbedingungen meines Lebens werden also in einem anderen Land gemacht. Was ist diese EU also?“. Menasse nimmt sich 2010 eine Wohnung in Brüssel und erforscht ein Jahr lang die Institutionen, allen voran die europäische Kommission. Er zeigte sich überrascht, wie schlank und effizient sie funktioniert, Blockaden kämen viel eher durch die Nationalstaaten. Das Ergebnis ist eine Reportage und Reflexion in einem: „Der europäische Landbote ist ein Stück Literatur, aber ein erfahrungsgesättigtes“. Bevölkerung versus Staaten Menasse sieht in der aktuellen Verfassung der EU keine gute Grundlage für die Zukunft. Seine Lösung dafür sind nicht mehr nationalstaatliche Kompetenzen, sondern eine europäische Republik: „Es geht dabei nicht um die Souveränität der Nationalstaaten, sondern um die Souveränität der Bevölkerung“. Das größte Problem ist für ihn die fehlende Gleichstellung vor dem Recht. „Wir sind alle europäische Bürger, aber wir haben verschieden gute Sozial- und Bildungssysteme, zahlen verschieden hohe Steuern und erhalten verschieden hohe Löhne für die gleiche Arbeit. Als wäre das nicht genug, zählt politisch nicht jede Stimme gleich viel“. Es sei ein großer Unterschied ob man Bürger eines großen, ökonomisch starken Mitgliedslandes, wie Deutschland, oder ein ökonomisch unbedeutender Zypriot ist, was demokratiepolitisch bedenkliche Folgen hat. Was ist heute der Zweck von Nationalstaaten? Mit Gesetzgebung, die Großteils auf europäischer Ebene geschieht, und Ländern die in sich gespalten sind? „Was habe ich als Wiener Autor, mit einem Tiroler Bergbauern gemeinsam? Da gibt es mehr Gemeinsamkeiten mit einem Städter aus Bratislava“. Menasse wird oft bescheinigt, dass durch eine Europäisierung eine Gleichmacherei geschehen würde, was aber nicht der Fall ist. Als Gegengewicht zu einer europäischen Republik sieht er die Stärkung der Regionen als wichtig an. Ein neuer Weg Menasse sagt, dass der Ursprungsgedanke der Gründer in Vergessenheit geraten sei: „Die Gründergeneration der EGKS hat das ja nicht wissen können, wie sehr sie recht hatte auch im Hinblick auf die Zukunft, also die Globalisierung“. Um es mit den Worten von Bill Clinton zu sagen, it’s the economy, stupid! Selbst zwei Weltkriege haben eine globalisierte Wirtschaft nur kurz aufhalten können, sagt Menasse. Darauf aufbauend soll eine europäische Politik entstehen, die nicht den Vorteil einzelner Nationalstaaten ermöglicht, sondern das Beste für die gesamteuropäische Bevölkerung. Ein erster Schritt könnte eine Sozialunion sein mit einer Arbeitslosenversicherung für alle EU-Bürger.


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 May 23, 2019  54m