ERF Plus - Wort zum Tag

Die tägliche, alltagstaugliche Auslegung eines Bibelverses aus der „Losung“ oder den „Lehrtexten“ der Herrnhuter Brüdergemeine.

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1. Mose 41,52


Welches sind die glücklichsten Momente, die ein Mensch erleben kann?

Ganz, ganz weit oben auf der Liste ist da für viele : die Geburt eines eigenen Kindes. Dieses Wunder, dass da ein neues Menschlein ist, aus dem eigenen Fleisch und Blut entstanden, das jetzt zur Familie gehört, das seinen Platz darin einnimmt, und das man auf der Stelle schon so liebt, dass man sich ab sofort das Leben ohne es nicht mehr vorstellen kann. Ein Kind voller Verheißungen, was aus ihm werden könnte, voller Ahnungen, wie viel Freude man mit ihm haben wird. Dieses Kind nun im Arm zu halten: das ist reines Glück.

Den Vers der heutigen Losung ist von einem solchen frischgebackenen Vater gesprochen. „Gott hat mich wachsen lassen in dem Lande meines Elends“, sagt Josef zur Geburt seines zweiten Sohnes Ephraim. Eben der Josef, dem zuvor so übel mitgespielt worden ist. Der tatsächlich weiß, was mit „Elend“ gemeint ist. Seine eigenen Brüder hatten ihn verkauft, Menschenhändler hatten ihn in ein fremdes Land verschleppt, seine neue Besitzerin hat ihn belästigt und er ist zu Unrecht im Gefängnis gesessen. Josef hat in seinem bisherigen Leben wirklich kaum etwas ausgelassen, was an Elend so möglich ist.

Und dann diese unverhoffte Wendung! Aus dem Gefängnis heraus gelangt Josef an eine Spitzenposition in der Regierung. Plötzlich meint es das Leben gut mit ihm. Das Land erlebt sieben Jahre Überfluss, und Josef erlebt die glücklichsten Jahre seines Lebens. Er ist mächtig, er hat bestimmt auch ein schönes Haus mit allem, was dazugehört, er hat eine Frau und bekommt mit ihr nun schon den zweiten Sohn. Es ist eine Zeit des reinen Glücks. Josef spricht es aus, und er dankt damit auch dem Gott, dem er das alles verdankt – kein Groll über seine schlimme Geschichte, sondern Jubel darüber, was Gott aus Josefs Leben gemacht hat und was er ihm nun alles geschenkt hat.

Doch, und das ist das Erstaunliche: Josef weiß in diesem Moment genau, dass dieses Glück nicht von Dauer sein wird. Dass er sogar genau weiß, wann das große Glück zu Ende sein wird: Auf die sieben fetten Jahre werden nämlich sieben magere folgen. Josef weiß genau, dass das Leben nicht so sorglos weitergehen wird. Dass auf alle Ägypter harte Zeiten zukommen werden, auch auf seine eigene Familie und seine beiden kleinen Jungs. Gerade deswegen hat er ja seinen Job bekommen, weil er das vorausgesehen hat, und seine berufliche Aufgabe dreht sich auch ausschließlich darum, für die kommende Not vorzusorgen.

Das hindert ihn aber nicht daran, sich über sein Glück zu freuen. Josef weiß, was Glück ist, gerade weil er sehr harte Zeiten hinter sich hat. Und vielleicht auch gerade, weil er weiß, dass wieder harte Zeiten kommen, freut er sich umso mehr. Wenn Gott mir gute Zeiten schenkt, in denen alles leicht ist und in denen mir alles gelingt, wenn Gott mir eine Familie, Kinder und beruflichen Erfolg schenkt, dann darf ich mich darüber freuen. Dann soll ich mich sogar darüber freuen. Denn diese Erfahrung gibt mir Kraft für die Tage, in denen es nicht so rund läuft. Und von denen wird es eines Tages sicher wieder genug geben.

Ich finde, Josef zeigt hier das, was man Charakter nennt. Das Schlimme nicht ausblenden, auch nicht meiden, auch nicht davor davonrennen. Sondern vor diesem Hintergrund das Schöne genießen und feiern, wenn es da ist – in dem Wissen, wem ich das alles zu verdanken habe. Und in der Zuversicht, dass der, der das Schöne schenkt, dass der auch das Schlimme beherrscht.

Autor: Jutta Schierholz

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 March 24, 2016  6m