Wer jetzt? Demokratie im 21. Jhd.

Wir reden über die Zukunft der Demokratie. "Wer jetzt?" ist der Podcast fürs Praktische. Mit und über Menschen, die an der Weiterentwicklung und Förderung unserer Demokratie arbeiten, und unser politisches System von innen oder außen verändern. Philipp Weritz als Gastgeber interviewt Menschen aus Politik, Wissenschaft, Medien, Zivilgesellschaft und mehr in 30-40 Minuten Folgen über Ideen und Projekte, wie Demokratie morgen aussehen kann.

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episode 45: Freiheit, Gleichheit und Autonomie mit Herlinde Pauer-Studer


Warum sie eine moralische Krise der Parteikultur sieht, wieso Gleichheit nicht automatisch Verteilungsgerechtigkeit bedeutet und wie man Philosophie übersetzt. Die Philosophin und Forscherin Herlinde Pauer-Studer im Gespräch über die politische Kultur Österreichs und ihr Forscherleben als ERC-Preisträgerin. Lesen Sie hier zwei Stichpunkte aus dem Gespräch. Bedenkliche Trendwende Ein problematischer Trend, der sich langsam aber sicher aus den USA überträgt, ist die Fokussierung auf private Wahlkampfspenden. „In Ansätzen sieht man das schon in Österreich, dass sich Parteien über private Spendengeber zu finanzieren. Ich halte das für absolut gefährlich und es wäre ein Verlust dessen, was die Demokratie in Österreich ausgezeichnet hat“. Es sei „vollkommen naiv“ anzunehmen, dass Spendengeber hinter den Kulissen keinen Einfluss ausüben würden. Sie sagt deutlich: „Hier sollte man private Spenden verbieten, die Parteien sollen mit den Budgets die sie haben, auskommen“. Auch eine starke Transparenz genügt für sie nicht. „Wenn ich von jemandem 500.000€ bekomme, dann ist das problematisch“. Selbst Kleinstspenden in der Höhe von 20 Dollar, wie sie der US-amerikanische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders per Crowdfunding gesammelt hat, seien bereits zu viel. „Wenn man keine Spenden nimmt, muss man es rigoros handhaben und für alle gleich“. Hand in Hand damit geht der stark personenzentrierte Wahlkampf, der ebenfalls aus den USA kommt. Kandidat*innen die sich stark akzentuiert geben, zu einer leeren Persönlichkeitsmarke werden, die sich in den Medien nach vorne drängeln. „Für Wahlbewegungen und Demokratie müssen Inhalte im Vordergrund stehen. Das ist keine gute Entwicklung. Wen wir wählen ist ja nicht die Person, wir wählen bestimmte Ämter und Funktionen“. Trotzdem lässt Pauer-Studer Österreich nicht schlecht dastehen. „Die politische Kultur hat gelitten, insgesamt aber steht das Land sehr gut da. Unglaublicher Wohlstand, kein Krieg seit mehreren Dekaden, global gesehen durchläuft das Land eine sehr, sehr positive Periode“. Warum Philosophie? „Warum Demokratie und kein anderes System? Wie legitimiert sich Macht? Was ist ein normativer Rahmen, der sich für ein gesamtes System vertreten lässt?“ Diese philosophischen Fragen tauchen vor allem in der Politik tagtäglich auf. Besonders die akademische Philosophie habe eine Verpflichtung sich mit abstrakten Fragen zu beschäftigen. Im Nachhinein müsse dieser Diskurs aber der Öffentlichkeit übersetzt und verständlich gemacht werden. Als Beispiel nennt Pauer-Studer ihre Forschungen zum Recht und Rechtsveränderungen im Nationalsozialismus. Das Buch „Weil ich nun mal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin“ erzählt den Werdegang eines SS-Richters und die Struktur hinter dem systematischen Verbiegen von Recht und Moral. Welche Argumentation verwendet ein Richter, der in seiner Funktion offensichtliches Unrecht judiziert und trotzdem einem persönlichen Ethos folgt? Die Fallstudie über Konrad Morgen, der schlussendlich gegen SS-Weggefährten ermittelte, vereint theoretischen Hintergrund am praktischen historischen Beispiel, wie wir scheinbar moralisch gerechtfertigt handeln. Wer jetzt? Bio und Links Herlinde Pauer-Studer ist Philosophin, habilitierte Universitätsprofessorin an der Uni Wien und internationale Forscherin. Sie ist Autorin mehrerer Bücher. • Diese Episode wurde von Stadt Wien Kultur gefördert. • Das Gespräch wurde im Oktober 2019 aufgezeichnet.


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 August 27, 2020  37m