Kapitel 1, Ravana, der Herrscher von Lanka, bittet den Buddha um Belehrung
Man muß die unübersetzten Sanskrit-Ausdrücke und Eigennamen nicht verstehen, da würde man nur den "Philosophen" gleichen, gegen die sich diese Streitschrift beständig wendet. Das Lankavatara-Sutra ist in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung entstanden. Bodhidharma, der als der Begründer des Zen gilt, so wie wir es kennen, hat es von Indien nach China gebracht. Man nannte die ersten Zen-Praktizierenden auch "Lankavataras". Diese Lehrschrift in dichterischer Form ist in der Nachfolge des großen Zen-Philosophen Nagarjuna aus dem zweiten Jahrhundert, der mit seinem japanischen Namen Ryuju einer der Patriarchen des Zen ist. Nagarjuna ist der "Philosoph der Leere", derjenige, der diesen Begriff geprägt und definiert hat wie kein anderer. Wesentliches Merkmal ist der Dreischritt von "utpada" (Auftauchen), "stithi" (Verweilen) und "nirodha" (Verschwinden) aller Erscheinungen und somit deren Nicht-Vorhandensein in einer beständigen Existenz. Das Lankavatara-Sutra wendet sich gegen alle, vor allem nihilistischen Philosophien, die sich darum herumspinnen und verweist auf die unmittelbare Erkenntnis – auf genau das, was die chinesischen Zen-Meister in der Folge auf einen Schrei, auf einen Stoß, auf das Umstossen aller gewohnten Denkformen komprimierten.
Die Übersetzung aus dem Sanskrit stammt von Karl-Heinz Golzio, O.W. Barth Verlag 1995