Zettel und Zeilen

Vertonte Gedichte und Kurzgeschichten.

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In dieser Stadt


Die Zeit einzuschätzen, war einfacher Als man noch geraucht hat. Als die plattgetretenen Filter und Stummel auf Dem Boden Zeugnis ablegten, Darüber wo und wie lange man wartete. Vielleicht darauf, Dass die Tage einander wichen, Weil der Kalender an der Wand, Letzten Endes auch nur eine ToDo-Liste mit 365 Feldern ist. — So wie die abgebrannten Stummel im Gleisbett, Zeugnis darüber ablegen, wieviele Züge Es dauert, bis zu dem einen, Mit dem man geht und der nie pünktlich ist, In dieser Stadt. Ein paar mal im Jahr kommt man noch zurück, Aber nur, um bald schon wieder genug zu haben. Man begutachtet den Ort, an dem man aufwuchs Und stellt fest, dass man ihm immer mehr entwächst, Wie einem Nimmerland ohne Piraten und Krokodile. Wie einem zerlaufenen Paar Schuhe, Das längst nicht mehr bequem ist. Anfangs hat man noch gedacht, die Vergangenheit wäre Wichtig, aber Vergangenheit ist Vergangenheit Und die verschwindet nicht, Nur weil man selbst es tut. Die Freunde, die es seit damals noch gibt, Die hat man immer noch, Doch damit hat die Stadt nichts zu tun. Die Freunde, die man aus den Augen verlor, Sind jetzt irgendwo, Doch damit hat diese Stadt nichts zu tun. Diese Städte und Dörfer, sind allesamt ein Sammelsurium an Hinterlassenschaften: Vom Kirchturm, über die Straßennamen, Dem alten Kino an der Ecke, Das heute eine Kneipe ist— Bis zu den Menschen in diesem Gebäude, Die nach der letzten Vorstellung zu lange auf ihren Sitzen verweilten und mit dem Fundament verwuchsen. Es war gut fortzugehen, Das ist der eine Punkt, Wo man wirklich das tun sollte, Was alle tun. Denn die Uhr dreht sich weiter, Auch wenn man stehen bleibt. Auch die Züge, obwohl sie immer zu spät kommen in dieser Stadt, Halten nicht lange und Das schlimmste wäre, Immer noch hier zu sein, Wenn man gehen muss. Selbst zu einer Hinterlassenschaft zu werden, In Stillstand zu verharren, Dass sogar der Staub schneller ist Und die Fugen schließt, Zwischen der Nostalgie mit der man eingemauert ist: Wie die Zigarettenreste im Gleisbett Und die Gespenster in den Kinosälen. An die man nur denkt, Wenn der Zug eben schon wieder zu spät ist Und man jetzt beim Warten nicht mehr raucht, Weil man es aufgegeben hat, Wie auch eigentlich das Warten, Bevor es zur Gewohnheit wurde. Kerim Mallée


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 January 26, 2020  2m