Episode 011
„Cancel Culture“ geht weit über öffentliche Kritik und einen Shitstorm hinaus. Interessensgruppen fordern meist bereits in einer sehr frühen Phase von Vorwürfen oder Diskussionen -auf Verdacht hin- gleich die Maximalbestrafung. Nicht nur den persönlichen Boykott eines Menschen, sondern ein Delisting und Verbannen von künstlerischen Werken oder ein Ausschluss von Persönlichkeiten von relevanten Events und gesellschaftlichen Debatten. Damit überhöhen sich die Ankläger moralisch und faktisch und beanspruchen für sich, die oberste Instanz in Sachen Moral, Political Correctness und Rechtsverständnis zu sein. Und sorgen latent selber für Spaltung. „Cancel Culture“ hat auch nichts mit „links“ oder „rechts“ zu tun. Extreme beider Seiten nutzen und nutzen dieses Instrument. Entartete Kunst während der Nazizeit sowie der Boykott von Jedem, der in dem Verdacht stand sozialistisch oder kommunistisch zu sein, bis weit in die 60er Jahre hinein ist auch „Cancel Culture“ - selbst wenn es den Begriff so damals nicht gab. Und auch linke Aktivisten scheuen heute nicht davor zurück, mit der großen Cancel-Bazouka zu schießen, statt mit Argumenten zu debattieren. Und auffällig ist, dass gerade Interessensvertreter von gesellschaftlichen Gruppen, die sich benachteiligt, diskriminiert oder ausgegrenzt fühlen oder es faktisch sind, bei der Wahl ihrer Kampagnenmittel immer häufiger zur "Cancel Culture" greifen.