Phantastikon

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Sherlock Holmes (Das erste Fandom der Geschichte)



Statue des Sherlock Holmes in der Marylebone Road, London; von Oxfordian Kissuth fotografiert



Sherlock Holmes ist neben Dracula jene fiktive Figur, die in der Popkultur am meisten adaptiert und inszeniert wurde. Dass der Detektiv auf der ganzen Welt bekannt ist, liegt aber nicht an den kongenialen Originalgeschichten, sondern an den unzähligen Filmen, Theaterstücken, Musicals und Comics. Fast alle Symbole und Sätze, die aus den vielen Fernseh-, Film-, Theater- und anderen grafischen Reproduktionen stammen und die heute scheinbar zum Kanon gehören – wie etwa der Deerstalker-Hut – kommen in den Texten überhaupt nicht vor. Aber während diese dazu neigen, mit der Mode zu wechseln, scheinen die Originalgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle, die immer wieder bearbeitet werden, sich in unserem kollektiven Bewusstsein festzuhalten wie nichts vor oder nach ihnen.



Der Reichenbach-Schock



1893 stieß der Autor Sir Arthur Conan Doyle den Detektiv Sherlock Holmes von einer Klippe. Die Klippe befand sich in der Schweiz. Es sind die berühmten Reichenbachfälle, die unter ihr dahinbrausen. Aber Conan Doyle war gar nicht vor Ort, er erledigte die Drecksarbeit von seinem Haus in London aus, in dem er schrieb.







“Ich nehme schweren Herzens meine Feder in die Hand, um diese letzten Worte zu schreiben, mit denen ich die einzigartigen Gaben festhalten werde, mit denen mein Freund Sherlock Holmes ausgezeichnet wurde”,



sagt der Erzähler Dr. John Watson in Conan Doyles Geschichte Das letzte Problem, die im Dezember 1893 im Magazin “The Strand” erschien.



Conan Doyle selbst wirkte etwas weniger emotional. “Tötete Holmes”, schrieb er in sein Tagebuch. Man kann sich Conan Doyle vorstellen, sein glattes Haar, das im Kerzenschein schimmert, wie er seinen üppigen Schnurrbart vor Freude dreht. Später sagte er von seiner berühmten Figur:



“Ich hatte eine solche Überdosis von ihm, dass ich mich ihm gegenüber fühlte wie gegenüber der Leberpastete, von der ich einmal zu viel gegessen hatte, so dass allein der Name mir bis heute ein kränkliches Gefühl gibt.”



Conan Doyle mag zu diesem Zeitpunkt noch gedacht haben, dass er sich seiner Figur damit entledigt hätte, aber damit unterschätzte er die Fans. Die öffentliche Reaktion auf Holmes’ Tod war anders als alles, was die Welt der Fiktion jemals vorher erlebt hatte. Mehr als 20.000 Strand-Leser kündigten ihre Abonnements, empört über Holmes’ vorzeitigen Tod. Das Magazin überlebte kaum. Selbst die Mitarbeiter bezeichneten Holmes’ Tod als ein “absolut schreckliches Ereignis”.



Der Legende nach trugen junge Männer in ganz London schwarzes Trauerflor. Leser schrieben wütende Briefe an die Redaktion, es wurden Clubs gegründet, in denen es ausschließlich um die Rettung von Holmes’ Leben ging.



Das erste Fandom



Und Conan Doyle war schiockiert über das Verhalten der Fans. Das hatte es vorher noch nicht gegeben. (Sie wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal als “Fans” bezeichnet. Der Begriff – eine Kurzform für “Fanatiker” – wurde erst vor kurzem für amerikanische Baseballbegeisterte verwendet). In der Regel akzeptierten die Leser, was in ihren Büchern geschah. Jetzt begannen sie, ihre Lektüre persönlich zu nehmen und zu erwarten, dass ihre Lieblingswerke bestimmten Erwartungen entspräche.



Die begeisterten Leser von Sherlock Holmes waren es, die das moderne Fandom erschufen. Interessanterweise setzt sich Holmes’ intensive Fangemeinde bis heute fort und läutet endlose Neuerungen ein,


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 March 10, 2021  14m