Christoph predigt

Predigten von Pfarrer Christoph Fischer, Gäufelden

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Benedictus


Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn!

Benedictus

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!

Denn er hat besucht und erlöst sein Volk

und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils

im Hause seines Dieners David -

wie er vorzeiten geredet hat

durch den Mund seiner heiligen Propheten -,

dass er uns errettete von unsern Feinden

und aus der Hand aller, die uns hassen,

und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern

und gedächte an seinen heiligen Bund,

an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham,

uns zu geben,

dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde,

ihm dienten ohne Furcht

unser Leben lang

in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.

Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen.

Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest

und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk

in der Vergebung ihrer Sünden,

durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes,

durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe,

auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes,

und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. (Lukas 1,68-79)

Zacharias

Liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus,

Lasst uns ein paar Worte über Zacharias reden.

Zacharias, das ist der Autor dieser wunderschönen Worte, die wir heute bereits miteinander gebetet haben. "Benedictus" nennt man diesen Text, eines der großen biblischen Gebete. "Bendedictus", nach dem lateinischen Anfang: "Gelobt sei der Herr!"

Was hätte ich getan an Zacharias' Stelle? Hätte ich geglaubt?

Lasst uns über Zacharias reden.

Zacharias hat nicht geglaubt.

Was angesichts dieses beeindruckenden Gebets überraschend erscheinen mag, legt sich wie ein dunkler Fleck über das Leben von Zacharias.

Zacharias hat nicht geglaubt.

Und daran wird man sich für immer erinnern.

Die Geschichte von Anfang an: Das Lukasevangelium beginnt mit der Erzählung von Zacharias, einem schon recht alten Priester aus dem judäischen Bergland, verheiratet mit Elisabeth und -- zu beider großem Unglück -- leider kinderlos. Das allein war schon ein Makel in der damaligen Gesellschaft, die Kinder als sichtbares Zeichen des Segens Gottes betrachtete. Beim Anblick des kinderlosen Ehepaars hat sich sicher mancher gefragt, was wohl der Grund sein könnte, warum Gott hier seinen Segen verweigerte. Ob es da wohl ein Problem gab? Die Blicke der anderen und der Anblick von glücklichen, kinderreichen Familien, haben Zacharias und Elisabeth wohl manches Mal einen Stich ins Herz versetzt. Sehnsucht. Enttäuschung. Vielleicht sogar Bitterkeit.

Doch dann kommt, gleich in den ersten Versen, dieser wunderbare Gott, von dem das Lukasevangelium so viel zu erzählen hat und erbarmt sich der Kinderlosen. Das ist ja das, was sich durch die Geschichte von Weihnachten und überhaupt durch das ganze Leben des Jesus von Nazareth durchzieht: Dass Gott denen nahekommt, die klein und gering sind, enttäuscht, unbeachtet, ungeliebt, wertlos in den Augen der anderen. Dass Gott sich ganz klein macht -- in einem Kind -- und Mensch wird, auf Augenhöhe mit all denen, die ihn so dringend brauchen.

Zacharias begegnet Gott im Tempel. Ein Vorrecht, dort, ganz nahe am Allerheiligsten, dem Wohnort Gottes, Dienst am Räucheraltar tun zu dürfen. Auch ein Priester erlebte diese Momente der symbolischen Gottesnähe nicht oft. Dort, ganz allein vor Gott, während alle anderen draußen beten, da spricht plötzlich ein Engel des Herrn zu Zacharias: "Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Johannes geben."

Welch ein Erlebnis! Wer kann schon von sich sagen, eine Begegnung mit einem Engel gehabt zu haben? Und dann noch mit einem, der die Erfüllung der kühnsten, längst verloren geglaubten Lebensträume verspricht?

Zacharias kann das.

Aber Zacharias hat nicht geglaubt.

"Ich bin alt", stammelt er, "und meine Frau ist hochbetagt."

Logische Argumente, wo doch Vertrauen in Gott gefragt gewesen wäre.

Zacharias hat nicht geglaubt.

Und das hat Konsequenzen. Bis zur Geburt seines Sohnes werde er wegen seines Unglaubens stumm sein, sagt der Engel. Und so geschieht es auch.

Stumm geht er nach Hause.

Jeder merkt sofort, dass da etwas vorgefallen ist.

Stumm tritt er seiner Frau entgegen.

Fragen und Sorgen und hilflose Gesten bleiben unbeantwortet.

Stumm verbringt er die nächsten Tage, Wochen, Monate.

Zacharias hat nicht geglaubt.

Das wird ihm immer anhängen.

Zacharias...

Tailfingen

Wer bin ich eigentlich, dass ich heute so über Zacharias rede? Was maße ich mir an, mir ein Urteil zu fällen über diesen Mann?

Was hätte ich getan an seiner Stelle?

Das ist natürlich eine Frage, die nie beantwortet werden wird. Es ist immer einfach, zu behaupten, man hätte in einer bestimmten Situation dies oder das getan, gedacht, oder gelassen -- wenn es von Anfang an sonnenklar ist, dass man selbst sowieso nie in diese Situation geraten wird. Da kann man bedenkenlos ein wunderschönes Bild von sich selbst zeichnen -- ein falsches Bild, das andere -- und mich selbst -- belügt.

Das weiß ich nicht. Ich werde es nie wissen.

Aber was tue ich heute? In meiner Situation? Im Jahr 2020, mit Corona und allen seinen Herausforderungen? Mit ständig neuen Schreckensnachrichten, mit neuen Einschränkungen, mit endlosem Warten und mit Zahlen, die uns allen davonlaufen? Mit immer neuen Plänen, die scheitern? Immer neuen Hoffnungen, die dann wieder verschoben oder abgesagt werden? Wie ist es da?

In den letzten Wochen hatten wir doch Hoffnung geschöpft. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Erste Impfstoffe kommen auf den Markt. Eine Perspektive für die kommenden Monate. Und die Vorfreude auf unsere Weihnachtspläne. Dann plötzlich Ausgangsbeschränkungen. Ein harter Lockdown am Horizont. Ob wir an Weihnachten überhaupt Gottesdienste feiern können werden, -- ob wir überhaupt irgendetwas tun können werden -- hängt auch von dem ab, was die Ministerpräsidenten heute in Berlin miteinander vereinbaren. Und das weiß noch keiner.

Plötzlich fühle ich mich Zacharias viel näher, als es mir lieb ist.

Ich merke: Auch mir fällt oft das Glauben schwer.

Die fast schon vergessene Jahreslosung für 2020 -- die könnte von Zacharias stammen. Oder von mir. Dieser Schrei: "Ich glaube, Herr! Hilf [doch] meinem Unglauben!"

Auch mir fällt oft das Glauben schwer.

Das Vertrauen auf Gott. Mich auf ihn zu verlassen, heißt ja auch, mich damit abzufinden, dass ich selbst nicht immer alles unter Kontrolle habe. Dass mir oft gar nichts anderes mehr bleibt, als mich in seine Hände fallen zu lassen, weil meine Hände sowieso nichts ausrichten können. Kaum ein Jahr hat mir das so krass vor Augen geführt wie dieses.

Auch mir fällt oft das Glauben schwer.

Zacharias war Priester. Ganz nahe bei Gott. Brückenbauer zwischen Gott und Menschen. Näher als jeder andere durfte er zum Gnadenthron, zum Allerheiligsten.

Zacharias hat nicht geglaubt.

Ich bin Pfarrer. Berufen, das Evangelium zu verkünden. Davon lebe ich. Dafür lebe ich.

Und auch mir fällt oft das Glauben schwer.

Wie mag es da erst anderen um uns herum ergehen? Denen, die dieses Jahr noch einmal ganz anders mitgenommen hat. Weil es ihnen nicht so gut geht wie mir: Weil sie ihre Arbeit verloren haben und ihr Einkommen. Weil sie den Kontakt zu anderen verloren haben und einsam zu Hause sitzen. Weil sie liebe Menschen verloren haben, die jetzt ganz schmerzlich fehlen. Weil sie die Hoffnung auf eine Zukunft und das Grundvertrauen in unsere Gesellschaft und Sicherheit verloren haben.

Und ich: Bleibe stumm?

Fällt uns gar allen das Glauben schwer?



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 December 13, 2020  16m