Phantastikon

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Thomas Ligotti



Thomas Ligotti



Als im Jahre 1992 als letzter der von Frank Rainer Scheck herausgegebenen Bände bei DuMont Die Sekte des Idioten erschien, war so etwas wie Stille im Universum. Es handelte sich dabei um ein völlig neuartiges, bis dahin nie gekanntes Gewebe dunkler Phantastik. Der Autor: Thomas Ligotti, von dem man in Deutschland bis dahin noch nichts gehört hatte.



Heute gilt Thomas Ligotti unter Kennern unbestritten als der herausragendste Horror-Autor unserer Zeit. Viele sprechen von einem “neuen Poe”, was die stilistische und atmosphärische Einzigartigkeit betrifft. Diese anspruchsvolle Einzigartigkeit führt allerdings so weit, dass er nach wie vor relativ unbekannt geblieben ist, weil er sich dem Mainstream in jeder Hinsicht verweigert und aus ihm kaum ein Unterhaltungsschreiberling gemacht werden kann. Wie man es dreht und wendet: Thomas Ligotti ist ein Literat von Weltrang, einer von sieben lebenden Autoren, die von Penguin Books in den Stand eines Klassikers erhoben wurden. Kurios ist die Situation also allemal.







Ligotti wurde einmal gefragt, ob er einen Unterschied zwischen Unheimlicher Literatur und Horror-Literatur mache. Er antwortete, dass ohne Lovecrafts “The Supernatural Horror in Literature” überhaupt niemand von “Weird Fiction” sprechen würde. Das sagt uns in erster Linie eines: Kategorien sind das, was sie schon immer waren: ein eingeschränktes Sichtfeld. Mit Sicherheit reagieren Kritiker, die etwas auf ihre Bildung halten, erbost, wenn jemand daher käme und behauptete, Kafka sei ein Horror-Schriftsteller. Für mich ist er das aber, und für viele andere auch, nur tut man sich schwer, den Horror-Begriff bei ihm allgemeingebräuchlich anzuwenden.



Man hat gesagt, Thomas Ligotti schriebe eine Mischung aus Kafka und Lovecraft. Man kann, liest man Ligottis Storiess, leicht erkennen, warum man das sagt, und wie oberflächlich diese Aussage dennoch ist. Ligotti selbst sagt von sich, dass er gerne den Ton von Bruno Schulz oder Thomas Bernhard annimmt.



Man könnte verzweifeln, denn das, mit Verlaub, findet man nun gar nicht vor. Ich würde darauf wetten, dass jeden Leser Bernhards, dem man ungerührt Ligotti empfehlen würde, der Schlag treffen müsste. Schlüssiger wird diese Aussage, wenn man Ligottis eigene Vorlieben kennt. Den Horror nämlich sieht er im Leben, in der gesamten Existenz, und nicht allein als literarisches Fach. Dazu mag sein früher geistiger Zusammenbruch, im Alter von 17 Jahren nämlich, nicht ganz unschuldig gewesen sein, ob er allerdings Ligottis komplexen Nihilismus und seine Hingezogenheit zu den Werken Ciorans erklärt, sei dahingestellt.



Es sieht so aus, als sei es Ligottis Schicksal, als unterbewerteter Autor ins Grab zu gehen. Der Thron, so scheint es, bleibt jenen vorbehalten, die nicht im Ansatz so gut oder so besonders sind wie er. Liest man seine Erzählungen, spürt man sofort, dass hier einer keinen Pfifferling auf kommerziellen Erfolg gibt. Ligotti schreibt gerade so, als sperre er sich gegen den Zugriff “uneingeweihter”, als wolle er dort gefunden werden, wo er oft genug seine Geschichten ansiedelt, wo der Schrecken seine maximale Effizienz erreicht. Thomas Ligotti lesen nur wenige, das ist von vielen Dingen abhängig zu machen. Wer ihn aber nicht gelesen hat, der hat keine Vorstellung von dem, was an Innovation möglich ist in einem Genre, das man (hilflos genug) dunkle Phantastik genannt hat.



Für jemanden, der mit Ligottis Werk noch nicht vertraut ist, ist der Zugang über Das Alptraum-Netzwerk zu empfehlen. Das hat unterschiedliche Gründe, vor allem aber den: in allen anderen Sammlungen ist der Effekt immer der gleiche,


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 April 9, 2021  12m