Phantastikon

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Colin Dexter: Der letzte Bus nach Woodstock (Inspector Morse #1)



Einer der berühmtesten Detektive



Unionsverlag



Der 2017 verstorbene Norman Colin Dexter formte einen der beliebtesten und berühmtesten Detektive sehr nach seinem eigenen Vorbild. Auch Dexter war ein Liebhaber englischer Kreuzworträtsel (nicht zu verwechseln mit den unsrigen) mit einem blitzschnellen Verstand, ein von Diabetes geplagter Biertrinker und ein Kenner klassischer Musik. Bis zum Schluss kannten die Leser weder den Vornamen des Autors noch den von Morse. Erst später stellte letzterer sich als Endeavour heraus; auf den Büchern steht weiterhin nur Colin Dexter als Autor.



Um sich eine Pause von seinen launischen Kindern zu gönnen, begann Dexter 1972, die ersten Absätze eines Kriminalromans zu notieren. Zunächst war es sein einziges Ziel, sich etwas Zerstreuung zu gönnen. Daraus wurden 13 Romane und die beliebteste britische Fernsehserie aller Zeiten mit John Thaw als Inspector Morse, die bald ein Prequel und ein Sequel bekam. Der letzte Roman der Morse-Reihe wurde 1999 veröffentlicht und beschließt einen Zeitraum von 25 Jahren. Auf der Liste der besten Detektive aller Zeiten rangiert er auf Platz 7, hinter Sam Spade, aber vor Father Brown.



Die Rückkehr des Goldenen Zeitalters



Bei Dexters Inspector Morse war sich die Fachwelt von Beginn an einig, dass es sich um eine Rückkehr des Goldenen Zeitalters des Kriminalromans handelte. Niemand sonst von den modernen Autoren kam dem so nahe, und damit ist das äußerst literarische und kluge Schreiben gemeint und nicht der inhaltliche Vorgang.







Die Hauptattraktion ist natürlich Morse selbst, eine komplexe und faszinierende Figur und in gewisser Weise ein Rückgriff auf die Tage exzentrischer Detektive. In den 13 Büchern verwandelt er sich von einem kleinen, schlanken, dunkelhaarigen Mann allmählich in die weißhaarige, blauäugige Person mittleren Alters, die dann auch in der berühmten TV-Serie zu sehen ist. Dort wurde der Lancia des Buchers zwar auf mysteriöse Weise plötzlich zu einen kastanienbraunen Jaguar und Sergeant Lewis, ein stämmiger Ex-Boxer in Morses eigenem Alter, wurde zu einem jüngeren Mann, aber charakterlich blieb alles gleich, begonnen bei Morses Griesgrämigkeit, der Vorliebe für Alkohol, Kreuzworträtsel und Wagner-Opern, dem unglücklichen Liebesleben, bis hin zu den brillanten, aber sprunghaften Schlussfolgerungen.



Der letzte Bus nach Woodstock



“Der letzte Bus nach Woodstock” führte also Morse und Sergeant Lewis ein. Morse ist zwar jähzornig, hat aber nicht ganz den akademischen Hochmut, den er im Laufe der Fernsehsendung entwickelte – er ist vielleicht angedeutet, aber nicht voll ausgeformt. In seinen Vierzigern ist er ein ganz anderer Typ, ziemlich hartgesotten und bereits ziemlich desillusioniert von der Welt, während sie voranschreitet. Er leidet an Gicht, und in einer Szene muss er sich deswegen seine Schuhe eine Nummer größer kaufen, um zu einer Tanzveranstaltung zu gehen, wo doch ein Fuß ziemlich angeschwollen ist.



In diesem ersten Roman wird ein Mädchen mit eingeschlagenem Schädel auf dem Parkplatz eines Pubs aufgefunden. Spätestens jetzt genießen wir die wohltuende Vorgehensweise ohne die überkandidelte Forensik amerikanischer Machwerke. Während Lewis den Tatort untersucht, trinkt Morse in einem Hinterzimmer erst einmal Scotch. Die klassische Arbeit des Nachdenkens ist gefragt, des Individuums. Man mag sich sicher fragen, ob überhaupt jemand nüchtern genug ist, den Fall aufzuklären, aber genau das ist das Missing Link zu vielen heutigen Werken, die sich doch eher am Thriller abarbeiten, allein schon deshalb, weil er leichter zu schreiben ist.


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 March 28, 2021  8m