Tiefgang durch die Stadt

Tiefgang hat drei Bedeutungen: Man schürft tief an einem Ort und trägt wie eine Archäologin tieferliegende Schichten aus der Geschichte zutage. Ein Ort gewinnt zudem Tiefe, wenn man sich ihn und die Themen, die mit ihm verbunden sind, vorsichtig tastend aneignet. Mit den Füßen und alle Sinnen kann man ihn dabei am besten erfassen. Schließlich kann man auch in Gedanken tief eintauchen, wenn man sich im Gespräch von einem Ort in freier Assoziation inspirieren und ohne Leitplanken zum Nachdenken hinreißen lässt. Genau dies haben wir, Thomas und Raiko, uns in unserem Tiefgang-Podcast vorgenommen. Wir erkunden Orte im Spaziergang, lernen deren Geschichte kennen und denken dabei über alle möglichen Themen nach, die uns der Ort sozusagen aufzwingt. Dabei berühren wir historische, politische und gesellschaftliche Themen überhaupt. In der Regel lernen wir die Orte im Tiefgang selber erst (richtig) kennen und locken unsere Hörer:innen hinein, tief in die Universen vor Ort. Euch erwartet also keine Stadtrundfahrt mit gut belesenem Stadtguide, sondern eine Art Roadmovie, das uns von Ort zu Ort und von Gedanke zu Gedanke führt. Wenn man so will: Wissen auf unbekanntem und unebenem Terrain.

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episode 6: Feuerland


Die Flammen der Schornsteine der Eisengießereien vor dem Oranienburger Tor erhellen die Nacht. Industrierauch verpestet die Luft rund um die Chausseestraße und die Torstraße. Kinder, Frauen und Männer schuften bis zu 16 Stunden in den ersten Berliner Fabriken, die das Industriezeitalter kurz vor der 1848er Revolution einleiten.

In dieser Folge lernen wir nicht nur die „Pioniere“ der Industrialisierung kenn – Unternehmer wie Borsig, Egells, Wöhlert und Co. – oder die Staatseliten – allen voran den preußischen König. Vor allem erfahren wir etwas über das Schicksal des größten Teils der Berliner Bevölkerung. Wir sprechen über die ersten Proletarier:innen, die in der Lokomotivfabrik, in „königlichen“ Infrastrukturprojekten oder in stickigen Mietsräumen in Heimarbeit Metall gießen, Maschinen bauen, Schiffskanäle ausheben, Wolle und Baumwolle spinnen und weben. Wir erfahren etwas über die katastrophalen Lebens- und Wohnbedingungen in der Gartenstraße, über die Angst vor dem Armenhaus am Alexanderplatz, und sogar etwas über das Schicksal der Armen nach dem Tod.


Dabei belässt es die Folge aber nicht: Wir hören auch etwas über die frühe Arbeiterbewegung, die sich langsam zu organisieren beginnt und die 1848er-Revolution am Berliner Schloss und auf den Barrikaden kämpft.


Dabei denken wir nach über die Kontinuitäten einer sozialdisziplinierenden ‚Armen- und Arbeitsmarktpolitik‘ bis heute und fordern eine Erinnerungskultur über das Verbrechen der Armut.

Folgt uns in die Hölle des Feuerlands und auf die Barrikaden!

Kapitel:

-Vorspann 0:00

-Intro: Reise in die Anfänge unserer Gegenwart 1:04

-Eine englisch-schottische Vorgeschichte des Industriekapitalismus 7:01

-Preußische Reformen - man will mit den Briten mithalten 12:22

-Die Königliche Eisengießerei als Keimzelle der Industrialisierung an der Invalidenstraße 15:44

-Die erste "Fachschule" bildet die "Pioniere" der Schwerindustrie aus 18:58

-Verdammt! Es hat nicht aufgenommen! 21:35

-Die Chausseestraße wird zum "Silicon Valley" Preußens 22:25

-Die Bahn kommt - am Stettiner Bahnhof 26:44

-Borsig - der Lokomotivkönig von Berlin 27:46

-Der Berliner nennt dit: "Feuerland" 31:50

-Neu Vogtland: verarmte Bauern und Handwerker fliehen in die Stadt 34:13

-Vom Tellerwäscher...? Hunger zwingt zu Arbeit unter katastrophalen Bedingungen 40:28

-Elend in der Gartenstraße - "Familienhäuser" und "Miethaie" 42:03

-Ein Zeitzeuge berichtet aus der Hölle 46:40

-Wülcknitzsche Familienhäuser als Vorgänger der Mietskasernen 53:06

-Die Gräber der Reichen, die Gräber der Armen 56:15

-Die verdrängte Vergangenheit der Massenarmut 57:45

-Erinnerungskultur über das Verbrechen Armut 1:00:43

-Selbst schuld, faul, zu viele Kinder - wie sich das Bürgertum Armut erklärt 1:01:05

-Angst vor'm Ochsenkopf: Leben und Sterben im Armenhaus, Sozialdisziplinierung 1:06:02

-Koppenplatz - heute schick, früher Armenfriedhof 1:13:51

-Hungerrevolten, Maschinenstürmer, Handwerkervereine, frühe Gewerkschaften 1:18:31

-Das Proletariat und das Bewusstsein 1:22:44

-Der 18. März - ein Schlüsseldatum der europäischen Geschichte 1:32:32

-1848 - "Bürgerliche" Revolution? 1:33:51

-Ursachen und die Ereignisfolge der Märzrevolution in Berlin 1:37:44

-Bürger und Proletarier - Beginn einer Gegnerschaft 1:45:24

-ABM - Die Rehberger mucken auf 1:47:55

-Klassenkampf - zurück oder vorwärts 1:52:32

-Wir alle sind bis heute davon geprägt - Kapitalismus 1:56:28

-Schlussakkord: auf der Suche nach den nicht aufgestellten Tafeln 1:58:36

-Abspann 2:01:09


Tiefgang[at]kliopolis.de


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 September 24, 2021  2h1m