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ESG im Investmentprozess – Herausforderungen und Handlungsoptionen


Strategie – Due Diligence – Monitoring – Exit:  Bereits im Einführungsvortrag von Dr. Robert Eberius (POELLATH) wurde deutlich, dass sich in allen Phasen des Investmentprozesses ESG-relevante Fragen ergeben, denn ESG-Erwägungen sind mittlerweile in jeder dieser Phasen unabdingbar. Während Nachhaltigkeitsthemen beispielsweise in Skandinavien schon seit zehn Jahren in der Masse präsent sind, nimmt die Bewegung hierzulande jetzt erst richtig Fahrt auf. Das mag auch an der Breite und Unbestimmtheit vieler gesetzlicher Begriffe liegen, denen von manch einem Diskutanten teils politische Dimensionen attestiert wurde und die damit zur verstärkten öffentlichen und branchenbezogenen Wahrnehmung des Themas beigetragen haben.

Als einen wesentlichen Faktor für die Beschleunigung der Materie machten die Praxisvertreter das häufige Greenwashing vieler Fonds aus und bewerteten die Transparenzregelungen als positiv, da sie die Möglichkeit geben, Dinge wirklich zu verändern und Nachhaltigkeit in den Investment- und Managementprozess sowie in der operativen Tätigkeit miteinzubeziehen.

„Sustainable Finance heißt heute individuelle Lösungen finden“

Das spannende sei, so bemerkte ein Teilnehmer, was die Regulierung für den Investmentprozess und die strategische Ausrichtung bedeutet. Auf den Punkt brachte es die Frage eines Beteiligten: „Wo möchte ich hin und was bestimmt, wo ich hinmöchte?“.

Ob nun als eigene Prämisse der Manager, als Forderung der Investoren oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben – bereits bei der Konzeption eines neuen PE- oder VC-Fonds werden aus verschiedenen Richtungen ESG-Themen virulent. In späterer Phase können diese bei der Akquisition von Assets gar zu „Red Flags“ im Rahmen der Due Dilligence avancieren und beim laufenden Monitoring führen die nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten zu neuen Herausforderungen bei der Datenbeschaffung, -verarbeitung und -bewertung. Zu guter Letzt stellt sich bei der Planung des Exits die Frage nach einer „ESG-Arbitrage“ je nach ESG-Konformität der jeweiligen Investition, was im schlimmsten Fall zu Stranded Assets führen kann.

Im Frühstadium eines Fonds verlangt gerade die Offenlegungsverordnung ((EU) 2019/2088–SFDR) nach strategischen Überlegungen zur Einordnung des Fonds als z.B. „light green“ oder sogar „dark green“, welche sich dann in Bezug auf die ab 2022 geltende Taxonomieverordnung ((EU) 2020/852) fortsetzen. Bereits die Eruierung der gesetzlichen Erfordernisse, um als entsprechender Fonds zu qualifizieren, erscheint nicht immer unproblematisch. Zutreffend merkte ein Vertreter der Fondsindustrie an, es sei insbesondere als Dachfonds, der in einen Blind Pool investiert, schwierig abzuschätzen, wie Transparenz- und Reportingpflichten erfüllt werden können. Selbst wenn klar sei, ob ein Zielfonds nach Art. 8 oder 9 der SFDR zu klassifizieren ist, ist damit in praxi immer noch nicht gänzlich beantwortet, was das konkret bedeutet. Gerade im Fund-of-Funds-Bereich haben sich noch keine verlässlichen Marktstandards etabliert.

Es wurde darüber hinaus berichtet, dass viele Investoren, die sich schon in der Vergangenheit mit ESG beschäftigt haben, nun weniger Probleme hätten, die gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Es stelle sich bspw. weniger die Frage, ob man als Art. 8 SFDR-Fonds qualifizieren wolle, als vielmehr, wie man das mache. Andererseits sei es im Markt eher einfach, einen Art. 8-Fonds aufzulegen, während ein Impact-Fonds nach Art. 9 SFDR „wirklich die Königsklasse“ sei. Der Großteil der jetzigen Impact-Fonds seien eher kleinere, junge Fonds. Viele Investoren brächten das Thema Stewardship auf und wünschten sich eine aktive Einflussnahme des Managers auf die strategische Ausrichtung der Zielunternehmen, um wirklich einen größtmöglichen Impact zu schaffen. Darin liege – so ein Teilnehmer – die große Chance des Private-Equity-Bereichs im Vergleich zum Public-Equity-Bereich.

„Datenerhebung ist wichtig, aber Datenverarbeitung ist ein anderes Kaliber“

Doch selbst wenn die gesetzlichen Vorgaben erst einmal erfasst sind, ist nicht selten die Datenbeschaffung der gordische Knoten, den es zu durchschlagen gilt und der sowohl für die anfänglichen als auch die laufenden Berichtspflichten von entscheidender Bedeutung ist.

Welche Daten sind überhaupt relevant? Wer erhebt sie? Wer übermittelt sie? Zu welchem Zeitpunkt müssen sie erhoben, weitergeleitet, verarbeitet und offengelegt werden?

Fragen über Fragen, die sich nun mehr denn je stellen. Bei der Suche nach probaten Lösungswegen zeigt sich, dass das Nadelöhr der Datenerhebung zu erheblichem Aufwand führen kann. Zwar zögerlich, aber doch vermehrt wird daher auch auf externe Dienstleister zurückgegriffen, die u.a. mit Hilfe von Algorithmen und maschinellem Lernen immer ausgefeiltere Datensätze anbieten. In welchem Maße, so offenbarte das Gespräch, ist immer vom Einzelfall und der jeweiligen Portfolioinvestition abhängig. Nichtsdestoweniger zeigte der Konsens der Branche, dass überwiegend weiterhin die Portfoliounternehmen die ersten Anlaufstellen für die Informationsbeschaffung sind, da es sich eben um den „Private“-Equity-Sektor handelt. Dabei habe sich herausgestellt, dass es im Endeffekt nicht allzu schwer ist, an die Informationen zu den sog. PAI (Principal Adverse Impacts) zu gelangen, was aber immer von dem konkreten ESG-Ziel abhänge. So sind beispielsweis nicht einfach anlasslos Daten zu Punkten wie dem CO2-Fußabdruck oder einem etwaigen Gender-Pay-Gap in Unternehmen vorhanden. Branchenvertreter führten ferner aus, die nach wie vor bestehende große Abhängigkeit von den Portfoliounternehmen sei weniger problematisch als angenommen, da die Bereitschaft, die entsprechenden Informationen zu sammeln und weiterzugeben, grundsätzlich vorhanden sei. Man müsse nur klar kommunizieren, welche Daten gebraucht werden.

Auf einer anderen Ebene steht die Verarbeitung der gesammelten Informationen, die eine weitere, nicht zu unterschätzende Hürde darstellt. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich im sozialen Bereich. Inwiefern nutzbare soziale Kennzahlen bzw. Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators – KPIs), die die Förderung oder das Erreichen eines Ziels für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDG) aussagekräftig abbilden, mit den gesammelten Informationen erarbeitet werden können, bleibt abzuwarten.

Die Ungewissheiten – so konstatierten Teilnehmer und Publikum gleichermaßen – die sich im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und -zielen ergeben, hören nicht bei deren Methoden zur Definition, Messung, Formalisierung und schließlich Berücksichtigung und Festschreibung in entsprechenden KPIs auf. Vielmehr ist jedes Ergebnis, jeder KPI, der ermittelt wird, selbst wieder der Interpretation zugänglich und vom jeweiligen Unternehmenskontext abhängig. Dadurch gelangt man zweifelslos nicht zu einer Quadratur des Kreises, denn die groben Linien der Auslegung sollten oder werden durch die sich bildende Praxis mittlerweile zumindest ansatzweise herausgearbeitet worden sein. Auch die technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards – RTS), welche durch den Abschlussbericht der drei EU-Aufsichtsbehörden vom 22. Oktober 2021 noch mehr an Kontur gewonnen haben, bringen einen höheren Grad an Konkretisierung mit sich. Nichtsdestoweniger war man sich einig, dass gerade die aktive Auseinandersetzung mit ESG und insbesondere Nachhaltigkeitsthemen, der dabei bestehende Interpretationsspielraum und die sich im Wandel befindende Regulierung besondere Chancen bietet, sei es ökologischer, ökonomischer oder gesellschaftlicher Art.

„Thema bringt Potential zur Marktumwälzung mit sich“

Obgleich es momentan „nur“ Offenlegungsvorschriftenvorgaben und keine Verpflichtung gibt, bestimmte ESG-konforme Investitionen zu tätigen oder zu unterlassen, ist die ökonomische und politische Intention der Vorschriften erkennbar: Durch die zunehmende Transparenz soll ein öffentlicher Marktdruck geschaffen werden, der zu einer Zunahme an nachhaltigen Investitionen führt, der aber auch eine faktische Sanktion, nämlich die mangelnde Finanzierung nicht ESG-konformer Investitionen mit sich bringt. Ob auf lange Sicht die Tendenz eher in Richtung einer zunehmenden, gesetzlichen Einschränkung nicht nachhaltiger, „brauner“ Investitionen führt, wird sich zeigen müssen. Jedenfalls bietet der neu geschaffene Marktdruck Unternehmen die Chance, sich neu zu positionieren und neue Marktanteile zu erkämpfen. Damit geht auch ein Wachstum weiterer sekundärer Dienstleistungszweige einher, wie die oben angesprochenen externen Datenanbieter oder der Zukauf von ESG-Spezialisten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften exemplifizieren.

„Klimarisiken sind auch finanzielle Risiken“

Ein entsprechendes ESG-Bewusstsein zu schaffen, bedeutet keine l´art pour l´art, bloße Weltverbesserung oder schlichtes „Gutmenschentum“. Die Investoren drängen weiter auf hohe Renditen, was aber kein Widerspruch zum ESG-Kosmos sein muss. Gerade die SDG und die damit einhergehende Regulatorik werden als Chance auf einen veränderten Markt mit guten wirtschaftlichen Voraussetzungen begriffen. Schon die EU-Kommission hat auf die langfristigen ökonomischen Risiken mangelnder ESG-Compliance hingewiesen. Der Befassung mit ESG ist also die Frage vorgeschaltet, warum überhaupt eine Auseinandersetzung damit stattfindet. Wer Klimarisiken als finanzielle Risiken und ESG als Wertschöpfungs- und Wertschaffungspotenzial begreife – so das Forum – dem ergäben sich ganz andere Perspektiven. Man müsse sich die Frage stellen, ob und wie man die Unternehmen bei ihrer Transition begleiten wolle. Zum einen gibt es Unternehmen, die sich gar nicht bis kaum mit den SDGs befasst haben und eine entsprechende Transition anstreben, wohingegen ebenso großes ökonomisches Potenzial in bereits „grünen“ Unternehmen liegt, die sich weiter bis an die Marktspitze bewegen oder ihre Spitzenposition behaupten wollen. Je nach gewählter Herangehensweise können sich große Hebel mit erheblichen Gewinnmargen ergeben.

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Der Beitrag ESG im Investmentprozess – Herausforderungen und Handlungsoptionen erschien zuerst auf Private Equity Magazin.


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 November 2, 2021  13m