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J. D. Robb: “Faithless in Death” & “Forgotten in Death”


Im vorletzten Sommer stellte ich J. D. Robbs “in Death”-Serie erstmals bei Lob & Verriss vor, nachdem ich die ersten 46 Bücher dieser Reihe gelesen hatte.

Zur Erinnerung: Protagonistin der “in Death” Serie ist Eve Dallas, zunehmend erfolgreiche Kriminalpolizistin im New York der Zukunft, ab circa 2058, die diverse und oft spektakuläre Mordfälle löst.

Ihr zur Seite steht ein wiederkehrendes Ensemble von Personen, deren Rollen manchmal stärkere Bedeutung für die jeweilige Geschichte haben und manchmal weiterentwickelt wurden.

Neben der in Krimis üblichen Aufklärung brutaler Verbrechen war die zunehmende Enthüllung von Eve Dallas Kindheitsgeschichte, zunächst verborgen hinter einer durch ein Trauma entstandenen Wolke, die nach und nach durch Alpträume und Traumabewältigung verschwand, für eine lange Zeit in einer Vielzahl der Romane die wichtigste parallel stattfindende Handlungsebene.

Roarke, scheißreicher und scheißgeiler Ex-Krimineller mit dunkler Herkunft und nun geläuterter Industriemagnat, gesegnet mit dem Faktotum Summerset - eine Reminiszenz an den Batman Mythos - ist Eve Dallas bereits im 1. Band begegnet, im 4. haben sie geheiratet. Nun hilft er ihr bei den Ermittlungen, insbesondere, wenn dafür illegal Informationen zu beschaffen sind.

Das Vorhandensein unerschöpflicher Geldreserven und ihre schlechten Kindheitserfahrungen inspirieren sie dazu, viel Gutes für die Menschheit zu tun, und das ist auch wirklich wichtig: bestimmt haben alle Hörerinnen und Hörer mitbekommen, dass die häusliche Gewalt während der Pandemie neue beschissene Ausmaße erreicht hat, während dringend benötigte Hilfsangebote und Frauenhäuser permanent unterbudgetiert sind. In J. D. Robbs “in Death” Universum schaffen Eve Dallas und Roarke sichere Räume für Frauen und ihre Kinder, also ein Frauenhaus, und kämpfen für Gerechtigkeit für die Opfer von Gewalt.

Beim letzten Mal  empfahl ich die ganze Reihe (hier). Nun ist längst nicht mehr Sommer, aber immer noch Pandemie, und 2x jährlich veröffentlicht Nora Roberts, eine der erfolgreichsten Romance-Schriftstellerinnen der Welt und Dauerstammgast auf der Bestsellerliste der New York Times, unter dem Pseudonym J. D. Robb einen neuen Teil der Eve Dallas/In Death Serie.

Zeit für Eskapismus, Zeit für 2 weitere Bände: Nr. 52: “Faithless in Death” und Nr. 53: “Forgotten in Death”.

Habe ich die Lektüre genossen: natürlich. Hat diese meine (nicht besonders hohen) Erwartungen erfüllt? Nein. Leider. 

Die aufzuklärenden Kriminalfälle waren spannend, wenn auch nicht besonders innovativ: in “Faithless” geht es um eine (geheime) Sekte, die misogynen und rassistischen Vorurteilen anhängt, sprich, nur Weiße werden in familiären Verbindungen geduldet, und Frauen zur Fortpflanzung gezwungen, während Renitenz und Widerstand dagegen mit Zwangsarbeit und Gewalt geregelt werden. Die Chefs dieser Sekte haben große gesellschaftliche Macht und agieren im Geheimen, denn solche Überzeugungen und vor allem die daraus resultierenden Handlungen sind - da sind wir in der Zukunft - längst geächtet. Mindestens eine ähnliche Story hatte J. D. Robb schon beschrieben, wenn auch mit anderen Vorzeichen, aber das ist im Verhältnis zu den nächsten Kritikpunkten fast zu vernachlässigen. In “Forgotten in Death” wird zunächst eine Obdachlose mit eingeschlagenem Schädel auf einer Baustelle gefunden, wenig später in einem anderen Teil der Baustelle ein weibliches Skelett mit einem Fötus, deren Aufklärung Eve Dallas gleich mehrere Verbrecher zur Strecke bringen lässt und für die Toten Gerechtigkeit, wenn auch zu spät, schafft. 

Während der Zukunftsaspekt der “in Death” Serie abnimmt, weil sich die Gegenwart immer mehr an die Handlungszeit der Serie annähert - zum Start 1995 war die imaginierte Zukunft des Jahres 2058 einfach viel weiter weg als nun 25 Jahre später - spielen aktuelle Themen, um die gesellschaftliche Kämpfe geführt werden, eine immer größere Rolle.

Leider verflacht die Darstellung der Charaktere zunehmend. Sie sind eindimensional, und dies ist ganz klar der Länge der Serie geschuldet: 

Die großen und persönlichkeitsbildenden Traumata der Protagonisten Eve Dallas und Roarke sind nach mehr als 50 Bänden enthüllt. Nun sind sie glücklich verheiratet und machen keinerlei Anstalten, das zu ändern. Persönlich freut mich das sehr, aber außerhalb des aufzuklärenden Kriminalfalls endete eine Spannung erzeugende Erzählachse.

Auch die Entwicklungen des Ensembles an der Seite von Eve Dallas ist nun eigentlich abgeschlossen, wenn J. D. Robb nicht entgegen ihrer Gewohnheit den Sympathieträgerinnen Unheil angedeihen lassen möchte: Eve Dallas’ beste Freundin Mavis ist schon einige Zeit super erfolgreich, glücklich verheiratet und hat ein Kind. In einem Band war der Running Gag, dass sowohl Eve Dallas als auch Roarke überhaupt keinen Bock hatten, Mavis bei der Geburt zu begleiten und ihnen das alles suspekt ist, weil sie sich selbst genügen, und grausame Morde leichter zu ertragen sind als Wunder und Umstände der Geburt eines Babys, aber selbst das ist durch. Die Verwicklungen in der Liebe zwischen Eve Dallas Assistentin Delia Peabody und Detective Ian McNab sind geklärt. In der Vergangenheit konfliktanfällige Beziehungen wie z. B. zur erfolgreichen Journalistin Nadine Furst, die zu Beginn der Serie zwischen dem Landen eines schnellen Scoops oder der ganzen Geschichte hin- und hergerissen war, ist einer tiefen Freundschaft gewichen, die Nadine nach der Veröffentlichung von einigen Fällen von Eve Dallas auch als erfolgreiche Romanautorin etablierte.

Fast alle Konfliktherde sind nun gelöst, selbst die permanenten Battles zwischen Roarkes Butler Summerset und Eve Dallas sind Geschichte. Das ist zwar nachvollziehbar, denn es wäre auch wenig glaubwürdig, wenn Eve Dallas den Butler immer weiter dissen würde, obwohl sie in den vergangenen Jahren viel Hilfe von ihm bekommen hat und sein interessanter Lebenslauf ebenfalls ausführlich beschrieben wurde. Dem Kampf Eve Dallas mit den häufig anderen Frauen zugeschriebenen weiblichen Vorlieben, die diese schlicht unsinnig findet und ihr große Angst vor der allseits beliebten und häufiger auftretenden Kosmetikerin Trina bescherten, wurde von J. D. Robb - längst überfällig - kein Raum mehr gegeben. 

So bleiben nur ein paar lame wiederkehrende Gags, wie die grell gemusterten Krawatten eines ihrer Detectives, aber das ist einfach zu wenig, wenn sich die Bücher der Serie vorher durch vielschichtige Persönlichkeiten und Beziehungen auszeichnete. 

Damit ist die Geschichte nun auserzählt, weil Entwicklung und Hintergrund der Protagonisten enthüllt sind. Leserinnen und Leser, die die komplexen Hintergründe nicht in den ersten 50 Bänden erfahren haben, dürften die Stories schlicht flach finden. Vielleicht ist das Weglassen aber auch dem Wunsch der Autorin geschuldet, treuen Lesern nicht mit Wiederholungen auf den Keks zu gehen.

Ähnliches gilt leider für die Jack Reacher Reihe, hier bin ich beim letzten Band noch nicht über die ersten 20 Seiten hinausgekommen. Adieu, Eve Dallas, es war eine schöne Zeit.

Nächste Woche diskutieren Anne Findeisen, Irmgard Lumpini und Herr Falschgold die Bücher der letzten Wochen. Wer vorlesen möchte, findet diese auf lobundverriss.substack.com



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 December 19, 2021  7m