Nochmal von vorn anfangen, wer wünscht es sich (nicht)? David Graeber und David Wengrow sagen es, wie es ist: Geschichte passiert nur einmal, was geschehen ist, ist geschehen. Aber deswegen braucht man sich ja nicht zu belügen. Dass wir auch ganz anders auf die jüngsten 30.000 Menschheit blicken können, schlagen sie vor, mit Hammer, Meisel, Brechstange und feiner Bürste. Die Aufklärung als Plagiatsfall, die Moderne als Sackgasse, Zivilisation als Resultat, wenn man den Kontrollgestörten die Entscheidungen überlässt. Die Götter wurden abgeschafft, das Geld regiert und alle stecken fest. „Anfänge“ bietet fast alles, was Bücher leisten können. Ethnografische Sorgfalt fürs Uninteressante, politisch kurzgeschlossene Urteile, Präambeln, Pläyoers und viel Stoff zum durchdenken. Sie haben die Großen verarbeitet und ihre Werke vom Kopf auf die Füße gestellt, aber an die Übergroßen haben sie sich nicht herangetraut. Karl Marx nur als Schlagwort geber, kein Wort zur Gesellschaftstheorie, insbesondere nicht von Niklas Luhmann. Alles in allem ein Buch, das gelesen werden muss, aber nicht zu ernst genommen werden darf. Tribunal als Spektakel und Angebot, Geschichte doch nochmal ein bisschen anders zu schreiben.
Die Notwendigkeit belegt die weitere Lektüre. Solaranlagen im Weltraum, ohne zu fragen, warum. Straßenverkehr als Weg in die Apokalypse, die uns Geld und Lebenszeit kostet. Das Homeoffice als Profitcenter, das uns leistungsfähig aber unzufrieden macht. Alle versuchen, Haltung zu bewahren. Wer aber wirklich noch Gifs verschickt, steht schon auf dem Abstellgleis. Auf die Spitze wird es in der Justiz getrieben. Graeber wirbt für den gesunden Menschenverstand, doch es gibt längst eine neue Klassenjustiz. Schon wer nicht auf Briefe antwortet, erklärt sich unbeabsicht für schuldig. Und all das, weil wir nicht zu wenig, sondern zu viel über Politik sprechen. Wir leben ein hyperpolitisches Leben, demnächst auch noch ohne Fachkräfte.
Im Februar lesen wir Patrick Kaczmarczyks „Kampf der Nationen“ als gemeinsame Lektüre.
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Literatur