In der Welt des Sound-Engineering ist jede Simulation echt.
Nehmen wir beispielsweise den 'Sound' von Vinyl. Eigentlich sollte Vinyl als Medium für Aufnahmen kein Eigengeräusch haben. Hat es aber. Und jede:r kennt den Sound von Vinyl, das leise Rauschen, Knistern und Knacken der sich drehenden Schallplatte. Dieser Sound steht sogar für etwas, löst Emotionen aus, wird z.B. im Film eingesetzt, um eine schlimme Vorahnung zu induzieren, wenn wir nur das Knacken einer Schallplatte in einem leeren Zimmer hören. In dieser Episode beschäftigen wir uns mit Fehlern in Tonaufnahmen, die mit der Zeit nicht mehr als Fehler, sondern originäre Sounds oder Charakteristika wahrgenommen werden. Genaugenommen geht es in dieser Episode eigentlich um eine Kette von Fehlern, die bei Aufnahme, Speicherung und Wiedergabe entstehen - oder auch schon vorher: in der Beschaffenheit des Raumes, in dem der Klang entsteht. Es geht um Sound-Engineering mit solchen inzwischen originären Sounds die digital vermessen und emuliert werden. Oder mittels AI gänzlich neu und in Echtzeit generiert werden, um Stimmungen zu induzieren, die eine Musik für unsere Ohren in der Zeit platzieren, in der diese Fehler gemacht wurden, weil es einfach nicht anders möglich war, z.B. ein Echo zu erzeugen, als mit zwei massiven Metallplatten, die von einem Lautsprecher in Schwingung versetzt wurden.
Shownotes
Wir erzählen die Transformation des fehlerhaften Abbildes des Eigentlichen zum Eigentlichen exemlarisch am Halleffekt. Dem Hall kommt eine besondere Rolle zu, da er zuerst in der Entwicklung der Tonstudios mehr und mehr abgeschafft wurde, um dann im nächsten Schritt künstlich wieder erschaffen zu werden. 1947 soll der erste künstliche Hall von Bill Putnam, Sr., dem Gründer von Universal Audio, in der Aufnahme von „Peg o‘ My Heart“ der Harmonicats eingesetzt worden sein. Der Legende nach war diese erste „Echokammer“ das Klo des Studios, in dem Putnam ein Mikro und einen Lautsprecher unterbrachte. Über 10 Jahre später (1958) baute Salvatore Camarata (genannt ‚Tutti‘), der 1956 für Walt Disney das Label Disneyland Records gründete, die erste Echokammer in einer alten Autowerkstatt in Los Angeles am Sunset Boulevard.
Über die Digitalisierung wandern wir unweigerlich in das Gebiet der KI, die in der Lage ist nicht nur Bilder wie „Cthulhu on sesame street“ aus dem Nichts zu zaubern, sondern auch Musik. Das ist für uns der Next Level, der das ewig Gleiche neu kombiniert und als endlose, sich nie wiederholende Playlisten die akustischen Streams mehr und mehr füllt. Die Ohren voll, die Künstler:innen gehen leer aus, die Kassen der Provider klingeln.
Darf man die Frage stellen: kann eine KI wegen Urheberrechtsverletzung verklagt werden?
Abschließend möchte ich noch festhalten, dass für mich Sound-Engineering auch wegen der vielen Menschen so liebenswert ist, die es so ernsthaft betreiben, wie z.B. in dem (auch in den Shownotes gelisteten) „Measuring reverberation time“ zu sehen.
P.S.: in der Episode erwähne ich einen anderen Podcast, eine Episode über einen Komponisten, der seine Schreibblockade damit überwand, dass er einen Computer trainierte seine nächsten Stücke zu komponieren. Ich dachte es sei Radiolab oder This American Life, kann es aber nicht finden. Wer kennt diese Episode und kann uns mit dem Link helfen?