Knallhart durchgesprochen

Schon als ich mein dunkles Büro betrat, wusste ich, dass ich nicht allein war. Der süße, unvertraute Geruch von teurem Parfüm, vermischt mit Tabak und billigem Bourbon. Sie stand im Schatten vor dem Fenster, stolz und unsicher zugleich. Es fiel mir schwer, meinen Blick von ihren endlos langen Beinen zu lösen. Doch auch ihre Rehaugen zogen mich sofort in den Bann. Sie hieß Deborah und kam im Auftrag. Der Fall schien fast zu simpel: „Hure“ – eine stadtbekannte Nachtclubbesitzerin wird von Unbekannten beleidigt und verfolgt. War das schon alles?

Dieser Fall begann wie so oft: Harmlos und mit einer geheimnisvollen Frau. Hätte ich vorher gewusst, auf was ich mich einlasse – ich hätte ihn wohl trotzdem angenommen. Mein Name ist Sonny. Ich war einmal ein verdammt guter Bulle. Jetzt schlage ich mich allein durch – die letzten 121 Tage bis zum Ruhestand. Was kann schon schiefgehen?

Tierische Instinkte

Dunkle Hochhausschluchten, verrauchte Büros, knallharte Verhöre und geheimnisvolle Auftraggeberinnen: Unser neues Spiel bietet das perfekte Setting für eine packende Harboiled-Detective-Noir-Story. Und doch ist die Welt von Chicken Police alles andere als gewöhnlich und schwarz-weiß.

Wir übernehmen die Rolle von Santino „Sonny“ Featherland, einem altgedienten Ex-Polizisten in der Metropole Clawville, und seinem ehemaligen Partner Marty McChicken. Beide waren zusammen die stadtbekannte und namensgebende Chicken Police – denn Sonny und Marty sind zwei Hähne.

Die Welt von Chicken Police wird von „menschlichen“ Tieren bewohnt. Menschlich im doppelten Sinne: Zum einen legen alle Handelnden ein menschliches Verhalten an den Tag, haben uns vertraute Charaktereigenschaften und können denken und sprechen, zum anderen sind sie auch physiognomisch halb Tier, halb humanoid. Kopf und Oberkörper sind klar den tierischen Spezies zuzuordnen – so ist Deborah bis zum Dekolleté eine imposante Impala-Dame – Arme, Beine und (fast immer) der ganze Rest sehen aus wie bei euch und uns.

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So menschlich und vertraut wie die Extremitäten und Charakterzüge sind auch die gesellschaftlichen Probleme in Clawville (einem Abbild des New Yorks und Chicagos der 1930er- bis 1950er-Jahre): Organisierte Kriminalität, politische Spaltung und offener Rassismus prägen das Zusammenleben. Zugleich versuchen die Tiere, das auch uns Menschen wohl bekannte Dilemma zwischen niederen („tierischen“) Instinkten und Zivilisation aufzulösen. 

Denn Sonny und Marty waren nicht in irgendeiner Mordkommission – sie waren Teil der Predatory Division, einer Einheit, die sich speziell um Verbrechen rund um das „natürliche“ Verhalten von Raubtieren kümmert (oder besser, von Beutegreifern). Denn das Töten von „Beutetieren“ und das Verzehren von Tierfleisch sind in Clawville geächtet, aufgeklärte Einwohner:innen wie Marty greifen deshalb auf Fleischersatzprodukte zurück.

Doch dieses Geflecht aus gesellschaftlichen Konflikten bildet nur den facettenreichen Hintergrund für eine packende Detektivgeschichte – bei der auch Meddy & Thomas so einiges an Federn lassen werden.

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„Chicken Police – Paint it Red“ stammt vom kleinen Indie-Entwicklerstudio „The Wild Gentlemen“, wurde 2020 von dem deutschen Publisher HandyGames herausgebracht und hat einen wirklich beachtenswerten Metacritic-Score von 82 Prozent. Das Spiel fühlt sich an wie ein interaktiver Film – und das gelingt so gut, dass Thomas nicht einmal seine übliche Kritik an fehlender Spielmechanik durchhalten kann. Oder wie es die Washington Post formuliert hat:

The game’s point-and-click puzzles are basically speed bumps between its dialogue chat boxes which, all together, works in its favor.

Christopher Byrd für die Washington Post

Wir wünschen euch viele Spaß beim Zuhören (und sorry, dass es diesmal so lange gedauert hat)!