Sprechende Akten. NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung

Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die noch junge Bundesrepublik den Opfern und Verfolgten des Naziregimes so genannte “Wiedergutmachungszahlungen”. Doch nicht nur der Begriff war problematisch, auch der Prozess, eine solche Zahlung zu erhalten, gestaltete sich häufig als äusserst schwierig. Denn die Sachbearbeiter, die über die Zahlungen entschieden, urteilten sehr unterschiedlich. Teilweise mit äußerster Härte, manchmal voller Verständnis. Aber stets nach geltender Gesetzeslage. Das Landesarchiv Baden-Württemberg möchte diesen Teil deutscher Historie mit diesem Podcast wieder sichtbar machen und hat einige Entschädigungsakten ausgesucht, die nicht nur zeigen, welche Geschichten sich hinter den bürokratischen Verfahren verbergen, sondern auch, wie chaotisch die Regelungen teilweise waren. Und wie ein Land versucht hat, das Grauen aufzuarbeiten, das es gerade erst begangen hat. Sprechende Akten ist eine Produktion des Landesarchivs Baden-Württemberg. Umgesetzt von WE ARE PRODUCERS in Zusammenarbeit mit POOL ARTISTS. Finanziert vom Bundesministerium der Finanzen.

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Jette Frankfurter. Eine jüdische Rentnerin und die Debatte um ihre Haftentschädigung


Eine jüdische Rentnerin und die Debatte um ihre Haftentschädigung

Jette Frankfurter wurde am 15. Mai 1875 in Calbe an der Saale geboren. Mit ihrem Mann zog sie um die Jahrhundertwende nach Mannheim. Nach dessen Tod im Jahr 1929 musste Jette selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Ab 1935 betrieb sie einen Verkaufsstand mit Blumen, Spielwaren und Süßigkeiten im Mannheimer Rosengarten, der mit 6.000 Plätzen damals eine der größten Festhallen in Deutschland war.

Im Februar 1936 wurde Jette von konkurrierenden Verkäufern bei der örtlichen Polizei als Jüdin denunziert. Daraufhin entzog man ihr die Erlaubnis zum Betreiben des Verkaufsstandes, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gegeben hätte – diese wurde erst durch die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 geschaffen. Solchen willkürlichen Drangsalierungen waren auch viele andere Personen jüdischer Herkunft ausgesetzt.

Am 22. Oktober 1940 wurde Jette Frankfurter zusammen mit über 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden und der südlichen Pfalz in das Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Nach ihrer altersbedingten Entlassung aus dem KZ Noé am 19. August 1943 verbrachte man sie zwangsweise in ein jüdisches Altenheim, wo sie bis zu ihrer Rückkehr nach Mannheim im September 1946 verblieb. Aufgrund ihrer finanziellen Notlage erhielt sie ab 1947 für knapp zwei Jahre monatliche Beihilfe-Zahlungen in Höhe von 150 DM. Zusätzlich beantragte sie Entschädigung für den erlittenen Schaden an Gesundheit und im beruflichen Fortkommen sowie für die mehrjährige Inhaftierung. Obwohl Jette in dem Altenheim unter haftähnlichen Bedingungen gelebt hatte, erhielt sie 1951 nach einem längeren Verfahren nur für die Haftzeit im KZ eine Entschädigung. Jette verstarb am 16. März 1968 im Alter von 92 Jahren in Mannheim.

Sprechende Akten ist eine Produktion des Landesarchivs Baden-Württemberg. Umgesetzt von WE ARE PRODUCERS in Zusammenarbeit mit POOL ARTISTS. Finanziert vom Bundesministerium der Finanzen.

Buch: Nilz Bokelberg Redaktion: Lisa Victoria Hertwig Aufnahme, Sounddesign & Mischung: Michael Viol Musik: Falk Andreas Erzählerin: Ulrike Kapfer In den weiteren Rollen: Christa Andreas, Elke Appelt, Gerald Blomeyer, Frederic Böhle, Elmar Börger, Rita Feldmeier, Renate Fleischhauer, Robert Frank, Christian Olah, Sven Sommer

Weitere Informationen: https://www.landesarchiv-bw.de/wiedergutmachung https://www.landesarchiv-bw.de/sprechende-akten https://www.archivportal-d.de/themenportale/wiedergutmachung


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 November 14, 2022  31m