Sprechende Akten. NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung

Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die noch junge Bundesrepublik den Opfern und Verfolgten des Naziregimes so genannte “Wiedergutmachungszahlungen”. Doch nicht nur der Begriff war problematisch, auch der Prozess, eine solche Zahlung zu erhalten, gestaltete sich häufig als äusserst schwierig. Denn die Sachbearbeiter, die über die Zahlungen entschieden, urteilten sehr unterschiedlich. Teilweise mit äußerster Härte, manchmal voller Verständnis. Aber stets nach geltender Gesetzeslage. Das Landesarchiv Baden-Württemberg möchte diesen Teil deutscher Historie mit diesem Podcast wieder sichtbar machen und hat einige Entschädigungsakten ausgesucht, die nicht nur zeigen, welche Geschichten sich hinter den bürokratischen Verfahren verbergen, sondern auch, wie chaotisch die Regelungen teilweise waren. Und wie ein Land versucht hat, das Grauen aufzuarbeiten, das es gerade erst begangen hat. Sprechende Akten ist eine Produktion des Landesarchivs Baden-Württemberg. Umgesetzt von WE ARE PRODUCERS in Zusammenarbeit mit POOL ARTISTS. Finanziert vom Bundesministerium der Finanzen.

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Fortdauernde Diskriminierung? Der lange Kampf der Martha B. um ihre Anerkennung als NS-Verfolgte


Martha B. wurde am 6. Januar 1919 in Stuttgart geboren. Im Sinne der NS-Rassenideologie war sie zu einem Viertel Sintiza, gehörte also zur Minderheit der Sinti und Roma, die von den Nationalsozialisten schikaniert und verfolgt wurde. Martha bekam zwei Kinder, blieb aber unverheiratet, auch weil sie den Vater ihres zweiten, 1940 geborenen Kindes aufgrund der NS-Rassegesetze nicht heiraten durfte.

Als alleinerziehende Mutter ohne Berufsausbildung verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit diversen Aushilfstätigkeiten. 1942 arbeitete sie als Bedienung bei einem Stuttgarter Zirkus im deutsch besetzten Metz. Von dort wurden sie und eine ihrer Töchter im März 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dieses Schicksal teilten viele der im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma, die man seit Ende 1942 systematisch in Lager verbrachte. Nicht wenige von ihnen wurden in den Gaskammern umgebracht. Martha überlebte die Haft in drei Konzentrationslagern mit bleibenden körperlichen Schäden. Ihre Tochter starb in Auschwitz.

Im Mai 1946 kehrte Martha wieder nach Stuttgart zurück und beantragte Wiedergutmachungsleistungen für sich und ihre Tochter. Die Bearbeitung ihrer Anträge zog sich bis in die 1960er Jahre hin. Für Sinti und Roma war es auch wegen ihrer fortdauernden gesellschaftlichen Diskriminierung in der frühen Bundesrepublik besonders schwer, ihre Entschädigungsansprüche erfolgreich geltend zu machen. Nach einem langwierigen Verfahren bekam Martha unter anderem als Entschädigung für Schäden an Körper und Gesundheit sowie im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen eine monatliche Rente – zuletzt in Höhe von 422 € - zugesprochen. Aber auch für die erlittene KZ-Haft wurde sie entschädigt. Martha verstarb 2007 im Alter von 88 Jahren.

Sprechende Akten ist eine Produktion des Landesarchivs Baden-Württemberg. Umgesetzt von WE ARE PRODUCERS in Zusammenarbeit mit POOL ARTISTS. Finanziert vom Bundesministerium der Finanzen.

Buch: Nilz Bokelberg Redaktion: Lisa Victoria Hertwig Aufnahme, Sounddesign & Mischung: Michael Viol Musik: Falk Andreas Erzählerin: Ulrike Kapfer In den weiteren Rollen: Elke Appelt, Sungur Bentürk, Anne Düe, Roman Kern, Stefan Lehnen, Christian Olah, Sebastian Pahl, Lisa Marie Sauerbrey, Bernhard Schütz, Sven Sommer

Weitere Informationen: https://www.landesarchiv-bw.de/wiedergutmachung https://www.landesarchiv-bw.de/sprechende-akten https://www.archivportal-d.de/themenportale/wiedergutmachung


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 October 11, 2022  30m