Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

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Expl0523: Quantencomputer


Mit dem iPhone 7 werde ich aus der Apple-Geldmaschine aussteigen. Ich sehe keinen Fortschritt, der immer höhere Preise gerechtfertigt. Weil wir Moore’s Law ausgeschöpft haben? Und jetzt wohl Quantencomputer brauchen. Heißt es. Aber ist das auch so?

Download der Episode hier.
Musik: „Einfach, nicht wahr?! (2016)“ von Mao.Mitchel / CC BY-SA 3.0

+Skript zur Sendung
So oder so ähnlich könnten sich in nicht zu ferner Zukunft die Abende unter dem Christbaum abspielen. Denn die harten, grausamen Regeln der Physik könnten uns bald allen das Weihnachtsfest verhageln.

Da gibt es, wie im Opener erwähnt, dieses Gesetz von diesem Gordon Moore. Ihr kennt das, alle paar Monate werden die Computer doppelt so schnell. Das ist zum ersten kein Gesetz, sondern einfach eine Behauptung. Und zum anderen kursieren viele verschiedene Versionen dieses komischen Regelwerks.

Nehmen wir eine verbreitete Version, dann sagt Moore’s Law, dass sich die Integrationsdichte von Transistoren zu erschwinglichen Preisen alle 18 Monate verdoppelt. Das ist ungefähr die Variante, die sich die Halbleiter-Industrie in ihre Business-Pläne schreibt.

Ein Transistor ist dabei die einfachste, kleine Recheneinheit. Und es ist uns bis jetzt immer gut gelungen, diese mikroskopischen Schalter immer kleiner zu machen. Und die Leitungen, an denen er hängt auch. Und dadurch wurden die Chips immer kleiner und schneller.

Formuliert hat Herr Moore das Gesetz 1965. Das ist über 50 Jahre her. Die Rechenkapazität des Kontrollzentrums bei der Apollo-Mission, die Neil Armstrong zum Mond schoss, war 3 Kilobyte. Das war 1969.

Jetzt haben wir Smartphones in den Taschen, die die Rechenleistung von Crays Supercomputern von früher lässig in den Schatten stellen.

Es ist aber auch so, dass wir schon länger schummeln, damit Moore’s Law auch seine Gültigkeit behält. Denn wir verwenden schon längst nicht mehr einen Rechenkern, sondern gleich vier oder gar acht parallel, damit sich da noch ‘was rauskitzeln lässt.

Denn die Miniatisierung hat physikalische Grenzen. So einen Transistor können wir uns wie einen Lichtschalter vorstellen. Eine Leitung geht in den Schalter, dann kommt der Schalter, eine Leitung geht raus. Fließt Strom hindurch, haben wir den Zustand 1, fließt kein Strom, dann den Zustand 0.

Wenn man mehrere dieser Lichtschalter schlau miteinander verkabelt, dann können sie bestimmte logische Prozesse darstellen. Verkabeln wir zum Beispiel 2 solcher Lichtschalter, können wir sagen: Strom fließt erst, wenn beide Schalter an sind. Das wäre der Zustand „UND“. Oder Strom fließt, wenn nur einer an ist. Dann wäre das der Zustand „ODER“. Es gibt auch noch NICHTODER und NICHTUND – logisch.

Das nennt man tatsächlich auch Logikgatter. Ein gate. Schaltet man mehrere solcher Gatter zusammen, können sie Rechenoperationen durchführen. Zum Beispiel 1+1=2. Oder 2-1=1. Viel besser können sie eigentlich nicht rechnen. Es sind bloß ächt viele Gatter und sie sind sehr schnell. Statt eines Chips könnte man auch 12 Milliarden Kindergartenkinder verwenden, aber wer erträgt den ganzen Tag Rolf Zuckowski im Hintergrund?

Wer addieren und subtrahieren kann, kann auch multiplizieren und dividieren. Und wer das kann, kann eigentlich alles berechnen. Wir konnten also diese Transistoren immer kleiner machen und die Leitungen, mit denen sie verbunden sind, immer dünner. Der Strom, der durch diese Kabel fließt, das sind, wie bei der Steckdose auch, Elektronen. Mittlerweile sind unsere Leitungen so hauchdünn, dass nur noch ganz wenige Elektronen hindurch fließen.

Und wenn wir bei den ganz kleinen Teilchen sind, dann verlassen wir die ordentliche Alltagswelt von Newton und dringen in die Welt der Quantenmechanik vor. Und alles wird sehr seltsam. Wenn ein einzelnes Elektron also da vor so einem Logikgatter steht und nicht durch kann, dann kann es sich einfach auf die andere Seite zaubern. Schwupps, Superkraft Quantentunnel an, schon ist das Gatter umgangen, das Elektron auf der anderen Seite des Gatters. Fuck you, gate!

Das ist, mathematisch gesehen, ärgerlich. Denn dann kommt gegebenenfalls bei der Rechnung raus, dass 1+1=1 ist. Und das will man wirklich nicht. Weil alles so klein ist, dass es nicht mehr kleiner geht, ist also ab jetzt Moore’s Gesetz kaputt. Oder bald.

Das wäre wirtschaftlich eine Katastrophe, so hört man. Wenn wir nicht alle dauernd den neuesten Computerscheiss kaufen, dann könnte es unserem Bruttosozialprodukt echt schlecht gehen, heißt es. Wir brauchen eine neue Technologie! Aber hurtig! Und wenn wir schon bei den kleinsten Teilchen sind, dann nehmen wir doch die gleich her. Was hat also die Quantenphysik zu bieten, was wir für einen Computer verwenden könnten – jetzt aber zügig, wir brauchen ein neues iPhone!

Da gäbe es schon zwei interessante Dinge. Wenn wir so einen Transistor aus einem Quantenobjekt bauen, dann kann er eine interessante Eigenschaft haben. Statt dem Lichtschalter, der nur ein und aus kennt, kann er auch in einem Zwischenzustand sein. Man nennt das Superposition. Der Schalter, den man Qubit nennt, ist dann sozusagen an und aus. Oder an oder aus. Oder irgendetwas dazwischen. Genau wissen wir das erst, wenn wir nachschauen.

Das hat seine Tücken, aber ermöglicht es, bestimmte mathematische Problem viel schneller zu lösen. Diese sogenannte Superposition ist eine Art mathematische Abkürzung und erlaubt es komplexe Probleme mit nur ganz wenigen QuBits, Schaltern, zu lösen.

Und das andere, was an so Quantenobjekten cool ist, ist die sogenannte Verschränkung. Man kann Quantenobjekte verschränken. Miteinander verkoppeln. Verschwistern. Die hängen dann auf Gedeih und Verderb voneinander ab. Und das bleibt auch so, egal, wie weit man die räumlich trennt.

Denn, wenn man an dem einen, verschränkten Photon rumbastelt, dann reagiert das andere sofort darauf. Und zwar sofort. Nicht „sofort“ wie in „Melanie, wir müssen in den Kindergarten“-“Sofort, Mama!“, sondern sofort-sofort. Instantan sagt man in der Physik. Ohne jede zeitliche Verzögerung. Ohne die Übermittlung von Information. Dieses Verhalten entspricht nicht der physikalischen Welt, in der wir Menschen so schalten und walten. Selbst Menschen wie Einstein wollten das erst so nicht glauben.

Aber „sofort“ ist halt auch verdammt sexy für einen Rechner. Klar will man das haben.

Weswegen alle an Quantencomputern basteln. Die Firma D-Wave, die angeblich schon ein Modell entwickelt hat. Oder Google, die die Firma D-Wave gekauft haben, oder Microsoft. Oder die NSA.

Quantencomputer können bestimmte Sachen wahrscheinlich echt verdammt schnell. Riesige Datenbankabfragen z.B. Oder bestimmte mathematische Probleme lösen. Wie z.B. das Problem des Handlungsreisenden. Oder aber, was besonders praktisch ist, Quantenmechanik berechnen. Oder Kryptographie knacken. Passwörter, private keys, alles, was das Spitzelherz höher schalgen lässt.

Probleme, die heutige Bits in Jahren nicht richtig schaffen, schaffen QuBits superschnell.
Jetzt kommt aber DER große Haken: Theoretisch.

Denn egal, was ihr immer wieder über Quantencomputer lesen könnt, sind wir von einer realen Umsetzung noch weit entfernt. Wenn wir das mit den „erschwinglichen Preisen“ von Herrn Moore als Richtschnur nehmen…

Wir wissen nicht genau, was die Herren Google, Microsoft, IBM oder NSA da hinter verschlossenen Türen so treiben. Aber wir wissen z.B. , was Rainer Blatt und sein Team an der Uni Innsbruck so tun. Das ist nämlich keine Firma, wie Google, sondern eine Uni. Die gehört allen Österreichern und alle dürfen wissen, was die machen. Forschung muss allen gehören.

Die Innsbrucker also, verwenden Ionen. Das sind Atome, denen man ein Elektron weggenommen hat. Dadurch haben sie eine positive Ladung. So ein Ion kann man jetzt einfangen. Mit einer ganzen Reihe an Elektromagneten hält man es in einer Ionen-Falle. Das klingt fies, aber das wäre dann ein Qubit.

Mit Lasern kann man nämlich den Zustand des Ions verändern. Man kann es anregen. Dann hüpft ein Elektron in eine höhere Schale. Oder sich abregen lassen. Oder aber eben in die Superposition bringen, ins Weder-Noch.

In Innsbruck hat man nun schon 14 dieser Qubits in ein Register zusammenfassen können. Die Ionen wie an einer Perlenschnur mit nur einigen Mikrometern Abstand gemeinsam in einer Ionenfalle gefangen. Bei geringsten Temperaturen und in einem Vakuum kann man für Bruchteile von Sekunden alle Qubits in diesem Register in eine Superposition bringen und mit ihnen rechnen.

Man kann dann aus diesen wenigen Atomen ein logisches Gatter bauen und während ungefähr hundert Mikrosekunden tausend Operationen an den Qubits im Superpositionszustand ausführen. Das Rechenergebnis kann man dann wieder per Laser abrufen. Die Fluoreszenz der Ionen verrät dann, ob sie angeregt sind oder nicht.

So weit die Hardware. Es wird deutlich, dass man so einen Versuchsaufbau nicht so schnell als Fitnesstracker mit einem Armband um’s Handgelenk tragen wird.

Bleibt noch ein anderes Problem, das ist dann sozusagen die Software. Weil sich ein einzelnes Qubit nicht verlässlich nach den klassischen Regeln von Herrn Newton verhält, sondern manchmal macht, was es will, entstehen in Quantencomputern, egal nach welchem Bauprinzip, viele Rechenfehler.

Die passieren in normalen Computern auch, aber viel seltener. Da verwendet man einfach mehrere Register. Wenn 11 Register das Ergebnis „1“ ausspucken und das zwölfte das Ergebnis „0“, dann wird wohl „1“ richtig sein. Wegen der Verschränkung geht das bei QuBits aber nicht. Die können nicht aufeinander aufpassen, im Zweifelsfall sagen alle zwölf Register „0“, obwohl es falsch ist.

Das ist das große Problem der Quantencomputer. Selbst Super-Google, die seit sieben Jahren am basteln sind, scheinen das nicht in den Griff zu kriegen. Die haben zwar eine Fehlerkorrektur entwickelt, die sie „Surface Code“ nennen. Aber hätten sie einen Computer mit hundert QuBits, dann bliebe dem keine Kapazität übrig, etwas anderes zu berechnen als die eigenen Fehler.

Das gibt die Forschergruppe auch unumwunden zu. Aber… Hat man erst einmal mehr als 100 verschränkte Qubits, dann…

Dann vergeht wohl noch einige Zeit.

Quantencomputer sind also ganz anders als unsere Siliziumcomputer. Sie werden für bestimmte Probleme ganz toll sein. Aber nicht in absehbarer Zeit in Playstations oder iPhones verbaut werden.

Aber keine Angst vor Moore’s Wirtschaftskrise. Wir können uns auf die Verführer im Marketing verlassen. Die werden uns noch auf längere Zeit das nächste iPhone als etwas Tolles verkaufen können – da sehe ich keinerlei Probleme! Für zwanzig Jahre Software-Optimierung ist da genug Platz in unseren modernen CPUs!


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 September 12, 2016  17m