SWR2 Kultur Aktuell

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„Eismayer“ – David Wagners subtiler Film über eine homosexuelle Liebe in der Armee


Ein homosexueller Soldat und ein Vizeleutnant vom alten Schlag Wenn die klassische Hetero-Kultur mit ihrem Macho-Gehabe irgendwo triumphiert, dann in der Armee. Trotz verzweifelter Bemühungen, die Streitkräfte inklusiver zu gestalten, sind sie immer noch eine Männerhochburg und vor allem eine Hochburg altmodischer sogenannter "männlicher" Werte. In einer solchen Kultur ist es schwer, sich zu outen, geschweige denn, die Vorurteile zu überwinden. Mario Falak aus dem ehemaligen Jugoslawien ist es egal, was seine Kameraden darüber denken, dass er sich in Männer verliebt. In dem österreichischen Drama „Eismayer“, das auf wahren Begebenheiten beruht, steht Falak zu dem, was er ist. Das bringt ihm viele Schikanen ein, aber er verschafft sich auch Respekt bei seinen Mitsoldaten. Ausgerechnet Falak landet in der Einheit von Charles Eismayer. Schon bei seiner Musterung wird der junge Soldat vor Eismayers Methoden gewarnt. Dieser Vizeleutnant ist ein wandelndes Klischee: Ein Schleifer mit Geschrei, Schimpfwörtern und hundert Liegestützen wenn ihm irgendetwas sauer aufstößt. Ausgerechnet der harte Vizeleutnant fühlt sich zu Männern hingezogen Doch hinter dem Mann verbirgt sich ein großes Geheimnis. Eismayer ist zwar verheiratet, er versucht aber, so oft wie möglich von zu Hause weg zu sein, alles, um nicht in der Nähe seiner Frau und seines Sohnes zu sein. Nicht, weil er sie nicht liebt, sondern weil er nicht weiß, wie er sich verhalten soll. Denn ausgerechnet der harte Vizeleutnant fühlt sich klammheimlich auch zu Männern hingezogen. Diesen Eismayer gab es zwar tatsächlich, aber er ist eine archetypische Figur, die durch viele Gegensätze zu Falak charakterisiert wird. Für ein Filmdrama ist das dankbar, zugleich ist der Titelheld nicht gerade ein Sympathieträger. Eismayer erteilt lieber Befehle, als sich mit anderen über die eigenen Gefühle auszutauschen. David Wagner macht es in seinem Spielfilmdebüt seinem Publikum nicht leicht Weil Filmemacher David Wagner es in seinem Spielfilmdebüt mit einer verschlossenen Figur zu tun hat, die ihre Gefühle unter Verschluss hält, macht er es seinem Publikum nicht gerade leicht. Die Geschichte kommt nur bruchstückhaft voran, zum Beispiel bei nächtlichen Begegnungen. Der Regisseur konzentriert sich auf die Entwicklung eines ambivalenten Charakters, indem er die Zuneigung, die Eismeyer seinem Sohn entgegenbringt, mit der strengen Disziplin kontrastiert, die er von den ihm unterstellten Soldaten verlangt. Dabei neigt er sogar zu Misshandlungen, hält aber stets die militärischen Regeln gewissenhaft ein. Falak wird nicht als ein Mann dargestellt, der seine Homosexualität verheimlicht, sondern als ein junger Mann, der manchmal gegen Eismayers Befehle rebelliert. Der Film etabliert also eine komplexe Hierarchie der Charaktere, die von Gerhard Liebmann und Luka Dimic treffend verkörpert werden. Subtile und präzise Regiearbeit von David Wagner Subtil ist auch die Darstellung von Eismayers Frau Christina, gespielt von Julia Koschitz, die nur bei zwei oder drei besonders wichtigen Gelegenheiten auftaucht, um die fehlende Kommunikation in der Ehe und den Verdacht auf eine Affäre ihres Mannes zu verdeutlichen, die tatsächlich in flüchtigen Begegnungen mit unbekannten Männern stattfindet. Dies ist die bemerkenswerte Anerkennung der Position einer Frau, die ihr Leben auf einer Lüge aufgebaut hat und weder Opfer noch Täter ist. Der Film zeichnet sich aber vor allem durch eine sehr subtile und präzise Regiearbeit von David Wagner aus. Zugleich setzt „Eismeyer“ auf Klischees, und verwandelt den überharten Drilll in ein Amüsement fürs Publikum.


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 June 1, 2023  3m