Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0531: The Big Bang Theory


Einst waren Nerds ja unter sich. Man sprach nicht über sein Nerdsein. Es gab geheime Gesten und Zitate, an denen wir uns erkannten. Dann kam „Big Bang Theory“ und jetzt denkt jeder, er verfüge über Nerdwissen. Das und einiges Andere sind Gründe, warum ich die Serie nicht mehr ertragen kann.

Download der Episode hier.
Beitragsbild: By DjayK (German Wikipedia) [Public domain], via Wikimedia Commons
Closer: „Family Guy-Big Bang Theory“ von divkid28
Musik: „Big Bang“ von GALAXIE 500 / CC BY-NC-ND 3.0

[toggle title=”Skript zur Sendung”]
Wer kennt nicht die „Big Bang Theory“? Jeder kennt sie. Und jeder mag sie. Na ja. Nicht wirklich jeder. Ich zum Beispiel finde diese Serie… nicht gut. Gar nicht gut. Nicht witzig. Gar nicht witzig. Steht bei mir genau auf der Ebene von „Two and a half Man“. Die finde ich auch nicht witzig. Gar nicht witzig. Martin Sheen hin oder her.

Beide Serien sind das geistige Kind von Chuck Lorre. Und beide Serien sind extrem erfolgreich. In Deutschland war die Big Bang Theory im Jahre 2014 und im Jahre 2015 die meistgesehene Sendung im Fernsehen überhaupt. Bei der werberelevanten Zielgruppe natürlich.

Laut Nielsen ist sie das auch international. Also, wenn man alle 14- bis 49-Jährigen Fernsehkucker der Welt zusammennimmt, dann ist BBT die erfolgreichste Fernsehserie der Welt. Nicht eine chinesische Kochsendung oder der indischen Nachrichten, nein, diese Comedy.

Auch im Heimatland USA schlägt die Serie immer noch alle Rekorde und einzelne Folgen werden von fast 20 Millionen Menschen gesehen. Das ist mehr als die einstigen Rekordhalter „Friends“ oder „Seinfeld“. Jim Parsons hat für seinen Sheldon nicht nur drei Emmys gewonnen, nein, er und Kaley Cuckow oder Kakau oder wie auch immer, die die Penny spielt, bekommen auch eine Million Dollar pro Folge.

Und nachdem die Serie letztes Jahr noch einmal pauschal verlängert wurde, wird sie auch noch dieses und nächstes Jahr weiterlaufen. Dann hat sie zehn Jahre auf dem Buckel und an die 240 Folgen. Und die werden dann noch einmal zehn Jahre rauf und runter wiederholt und bleiben uns, dank Interweb, für immer enthalten.

Issja auch schön und gut, jedem das Seine. Wer will, kann sich hundert Mal alle Bazingas ankucken oder alle knock, knock, knock, Pennys. Ich fand das ja auch eine Zeit lang ganz nett. Als die Dreißigjährigen noch Zwanzigjährige dargestellt haben, die sich mit Themen Zehnjähriger auseinandersetzen. So wie in: Welches Fast Food schmeckt besser? Warum meine Spiderman-Puppe cooler ist wie Deine oder warum alle Mädchen doof sind.

Jetzt sind alle zehn Jahre älter. Also Vierzigjährige, die immer noch Zwanzigjährige darstellen sollen. Und die Themen haben sich nicht großartig geändert. Fast Food, Nerd-Kultur und eine Prise Wissenschaft. Sicher, man hat die Anzahl weiblicher Darstellerinnen aufgestockt. Aber Mädchen sind irgendwie immer noch doof.

BBT ist auf eine schon fast romantischen Art reaktionär und frauenfeindlich. Penny, die einzige Figur, die über wirklichen Verstand verfügt, ist dabei noch die sympathischste. Aber in amerikanisch prüder Art wird dauernd herausgekehrt, dass sie im Gegensatz zu allen anderen schon mit mehreren Partnern Sex hatte. Das reicht, um ihr auf ewig ein leicht nuttiges Image zu geben. Slut ist das richtige Wort in Amerikanisch.

Und dann eben Amy und Bernadette. Die schauen aus, wie direkt aus einem Heinz-Erhard-Film aus den Fünfzigern kopiert. Gerade bei Amy bin ich mir nicht sicher, ob es nicht doch vielleicht Peter Alexander in Frauenkleidern ist. Gute Amy, deren Darstellerin als einzige auch tatsächlich Wissenschaftlerin ist. Wie schön man sich über Dich lustig machen kann! So verklemmt und doch so scharf auf Sex! Immer gekleidet wie früher meine Oma, aber doch irgendwie lüstern. Die ewige Verführerin in der Nierentischvariante.

Bernadette wiederum ist die Brillenträgerin mit der Piepsstimme, die in Wirklichkeit eine Domina ist und ihrem Howard ein Abziehbild seiner eigenen Mutter. Wie drollig sie ihren Angebeteten doch immer manipuliert, drangsaliert und kontrolliert, oder? Wie diese Matronen in den Bäckerblume-Cartoons, die immer mit dem Nudelholz auf ihre besoffenen Gatten warten! Xanthippe wäre die bessere Namenswahl gewesen.

Aber die Schreiber haben nicht nur berücksichtigt, dass Frauen im Wissenschaftsbetrieb eine Randgruppe sind. Nein, einen Inder und einen Juden haben sie auch noch mit reingebastelt. Der Inder hat reiche Eltern, die nicht wissen dürfen, dass er so einen verdorbenen, westlichen Lebensstil führt. Nein, sorry. Gerne führen würde. Denn Raj kann ja ohne Alkohol in Gegenwart von Frauen kein Wort sprechen.

Und der kleine Jude, der wohnt immer noch daheim bei seiner Mama. Weil, ihr müsst wissen, jüdische Mamas sind in Amerika ein Synonym für manipulierende, drangsalierende und kontrollierende Eltern, die ihre Kinder immer emotional erpressen. Nein, Bernadette ist nicht jüdisch, wieso?

Dann gäbe es noch Sheldon. Der angeblich ja nicht ein Asperger-Autist ist, aber dann halt irgendwie doch. Auf jeden Fall hat er ein Problem mit Emotionen und mit Freundschaft. Wie man für das Spielen dieser Rolle dreimal einen Emmy gewinnen kann, ist mir ein Rätsel. Aber Emmys kriegt man ja nicht für’s Schauspielen, fällt mir da gerade ein…

Habe ich noch jemanden vergessen? Ach ja, die eigentliche Hauptfigur. Dieser Typ da, mit der Brille. Der zwar Penny kriegt und dann doch nicht und dann wieder und dann doch nicht, aber der eigentlich so langweilig ist, dass mir um’s Verrecken nicht sein Name einfallen will. Ah! Doch! Larry! Nee. Willy? Huey? Jetzt: Leonard!

Ich verstehe das aber schon. Wir brauchen in einer Comedy nicht wirklich Menschen, da tun’s halt Abziehbilder. Schon klar. Und wir brauchen auch nicht, dass sich Menschen verändern oder entwickeln. Die können heiraten oder auch nicht, umziehen oder auch nicht, im Prinzip bleiben es immer die gleichen Nerds.

Denn das ist das Rezept der Serie: Wir lachen Nerds aus. Wir lachen nicht mit ihnen, sondern über sie. Und über das Nerdtum an und für sich. Das ist einer der beiden Gag-Motoren dieser Serie. Praktisch die Hälfte aller Jokes folgen diesem Muster:

„Leonard, hast Du die Aufgabe X, über die wir gesprochen haben, erledigt?“
(Sheldon kuckt sehr streng – das Publikum lacht.)
„Nein, Sheldon. Ich habe dieses Video gesehen über die Redshirts in Star Trek und dass da 48 von gestorben sind…
(Leonard kuckt verzweifelt – das Publikum lacht schon wieder.)
…und dann habe ich alle Folgen im Schnelldurchlauf angekuckt und eine Strichliste gemacht. Die ganze Nacht lang.“
(Jetzt lacht das Publikum besonders. Gag vorbei.)

Nett. Schön, dass eine Star-Trek-Referenz vorkommt. Aber das ist kein Gag. Das ist kein Witz. Das ist auch anderen Personen aufgefallen, zum Beispiel einem Mr. Lyle McDouchebag, der das so zusammengefasst hat:
/Clip Lyle

Das stimmt genau. Das ist einfach faules Schreiben. Und es funktioniert nur wegen des Laughtracks. Der gar kein Laughtrack ist. Denn BBT ist eine der wenigen Sendungen, die noch zu einem guten Teil tatsächlich im Studio aufgenommen wird. Das sind echte Menschen, die da lachen. Und natürlich echte Hardcore-Fans, denn die Tickets sind, sobald eine Staffel online ist, praktisch sofort weg.

Und das ist auch der Haken, denn ohne diese Fans funktioniert BBT einfach auch nicht. Hier eine Szene der ersten Folge der achten Staffel, die eigentlich vier satte Lacher hatte.
/Clip Laughter
Ohne Gelächter ist das eine wirklich traurige Sendung. So wie Garfield ohne Garfield.

Die zweite Gagmaschine außer Nerdtum ist halt verklemmter amerikanischer Sex. Eigentlich geht es, ähnlich wie bei „Two and a half Man“ nur um dieses Thema.

Da nehmen die – nur ein Beispiel – eines der besten Comics, die seit langem erschienen sind, nämlich „Saga“ und das einzige Thema, was BBT daran interessiert, ist, dass auf dem Cover eine Mutter – mit Flügeln, zugegeben – ihr Baby stillt und man eine Brust sieht. Wirklich, Raj und Howard?
/Clip Saga

Tut mir leid, Penny, Bernadett, Amy, Raj, Howard, Sheldon und… Larry? Unsere Beziehung ist vorbei. Ihr habt euch nicht verändert, wir aber schon. Ihr seid nicht Nerds wie wir, sondern Karikaturen, damit sich alle über Nerds kaputt lachen können. Lebt wohl!
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 September 22, 2016  15m