she drives mobility

Mein Podcast #SheDrivesMobility widmet sich dem Mobilitätswandel, dem Weg auf dem Ziel zu einer echten wahlfreien Mobilität, die den privat besessenen PKW möglichst weit durch echte Alternativen ersetzbar macht. Ich möchte, dass alle, die auf das Auto verzichten möchten, das möglichst schnell auch können. Durch Ausbau öffentlicher, geteilter, komfortabler Angebote. Dazu braucht es - so meine Meinung - unbedingt auch der Diversität. Nicht nur in Jenen, die die neuen Angebote gestalten und die "alten" digitalisieren, sondern auch in der Zusammenarbeit von StartUps und Konzernen, Politik und Gestalter:innen. Zudem sehe ich in einer neuen Art von Arbeit eine große Chance, Wege zu hinterfragen und ggf. sogar nicht zu tun. Ich freue mich, mit meinen Gästen sehr facettenreich über den Mobilitätswandel zu sprechen und immer neue Ideen und Anregungen mitnehmen zu können.

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episode 117: Nahrungsmittel sofort aus dem Verkehr ziehen! Raus aus dem Agro-Sprit!


Silvia Brecht, Kathrin Frank und Matthias Lambrecht erklären, was es mit dem angeblich grünen „Bio“-Sprit auf sich hat. 

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Vergesst ALLES, was ich bislang gesagt habe. Wir machen einfach weiter wie bisher und waschen den Verbrenner GRÜN! E-Fuels sind ja für mich gestorben, aber was ist mit „Bio“-Kraftstoff? Den verkaufen uns Volker Wissing und die entsprechenden Industrieverbände als Allheilmittel.

Dass an diesem Kraftstoff nichts “bio” oder nachhaltig ist, darüber spreche ich mit Silvia Brecht, Referentin für Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland, Kathrin Frank, Naturschutzreferentin bei der Deutschen Umwelthilfe und Matthias Lambrecht, Campaigner für Landwirtschaft bei Greenpeace. Die drei arbeiten teils schon seit Jahren zu den Auswirkungen sogenannter “Bio”-Kraftstoffe auf Klima, Natur und Ernährungssicherheit. Der Knackpunkt: Ressourcenverschwendung. Es geht um Flächenfraß, Hunger und ein Meer aus Frittenfett. Essen und Bioabfälle in den Tank zu kippen, bleibt nicht ohne Folgen.

“Bio”-Sprit – noch nie gehört?

Aber von Anfang an: Immer, wenn wir Diesel oder Benzin tanken, landen auch pflanzliche oder tierische Kraftstoffe mit im Tank. Sie werden von den Ölkonzernen den fossilen Kraftstoffen beigemischt, man kennt das als E10 oder B7 an der Tanksäule.

Immer mehr Unternehmen versuchen sich einen grünen Anstrich zu geben, indem sie wie DHL, Deutsche Bahn oder BMW verkünden, fossile durch “Bio”-Kraftstoffe zu ersetzen. Aber ist das eine gute Idee – oder doch nur Greenwashing mit gravierenden Nebenwirkungen?  

Das Teller-Tank-Problem

Zu fast drei Vierteln besteht dieser “Bio”-Sprit in Deutschland aus Agrarerzeugnissen. Das sind Nahrungsmittel wie Raps, Soja, Mais oder Weizen. “Bio”-Kraftstoff ist tatsächlich ein grob irreführender Name, denn um Bio-Anbau geht es hier nicht. Die treffendere Bezeichnung ist Agrokraftstoff, mein neues Lieblingswort. Die Pflanzen für den deutschen Agrokraftstoff werden zum Großteil importiert – häufig aus fernen Ländern wie Brasilien oder Australien. 

Allein auf der Fläche, die für den in Deutschland getankten Agrosprit belegt ist, könnten genug Nahrungsmittel angebaut werden, um den Kalorienbedarf von bis zu 35 Millionen Menschen zu decken. Angesichts von über 700 Millionen Menschen, die weltweit von Hunger bedroht sind, ist die Verbrennung von Essen in Autos zynisch und verantwortungslos.

Unter immer teureren Lebensmitteln leiden besonders die Ärmsten. Und die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln für Agrosprit treibt die Preise in die Höhe. Versorgungskrisen durch ausfallende Ernten infolge von Dürren oder Überschwemmungen, die Folgen des Kriegs in der Ukraine und das von Russland aufgekündigte Getreideabkommen verschärfen die Lage für die Hungernden noch. Indes haben die Agrosprithersteller im vergangenen Jahr Rekordgewinne eingefahren.

Das Grundproblem: die Flächenverschwendung

Auch für den Klimaschutz ist der Einsatz von Agrosprit komplett kontraproduktiv. Bei der Verbrennung wird zwar nur das CO2 frei, das die Pflanzen vorher beim Wachsen gebunden haben – aber die Anbauflächen besetzen riesige Landstriche, was eine gewaltige Belastung für Klima und Natur bedeutet.

Und der Flächenfraß weitet sich immer weiter aus: So wird mit Brandrodung und Abholzung des brasilianischen Amazonas-RegenwaldsPlatz für den Sojaanbau geschaffen, unter anderem, um das Pflanzenöl fossilem Diesel beizumischen. Dadurch gehen riesige Kohlenstoffspeicher und wertvolle Lebensräume für gefährdete Arten verloren. Durch den Flächenverbrauch ist Agrosprit sogar noch klimaschädlicher als fossiler Kraftstoff. Und das will was heißen!

Ohne Agrosprit-Anbauflächen gäbe es insgesamt viel mehr Platz für natürliche Vegetation wie Wälder. Und für die Erzeugung erneuerbarer Energie gibt es viel effizientere Technologien: Um die gleiche Strecke mit Solarstrom in einem E-Auto zu fahren, werden zur Stromerzeugung mit Photovoltaik-Paneelen nur drei Prozent(!) der Fläche benötigt, wie für den Pflanzenanbau zur Agrospritproduktion für Verbrennungsmotoren

Goldgrube Abfall: ein ungenutzter Rohstoff?

Agrosprit ist also komplett für die Tonne… aber apropos Tonne: Kraftstoff wird auch aus vermeintlichem Abfall gemacht – vermeintlich, denn die Reste, wie etwa altes Frittenfett, Schlachtabfälle oder Holzreste,  bleiben nicht ungenutzt, sondern es sind wertvolle und knappe Rohstoffe.

Wenn massenweise Abfallsprit eingesetzt wird, fehlen die Rohstoffe anderswo: in den Herkunftsländern und anderen Industrien. Die steigen dann im Zweifel auf Palmöl oder fossile Rohstoffe um. Aber auch die Natur braucht ihre “Reste” selbst, Totholz im Wald ist unverzichtbar für Biodiversität und Klima. Durch die Nutzungskonkurrenzen ist der Einsatz dieser Rohstoffe häufig nicht nachhaltig, hat oft auch negative Auswirkungen aufs Klima

Reste können allenfalls einen kleinen Anteil der Energie für Schiffe und Flugzeuge bereitstellen. Trotzdem fördert der Staat die Verarbeitung zu Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren in Autos massiv. Deshalb ist der Reststoffmarkt lukrativ und das Betrugsrisiko steigt: Teils wird frisches Palmöl als altes Frittenfett umgelabelt. Dazu gibt es viele Verdachtsfälle, zu denen deutsche Staatsanwaltschaften bereits aktiv sind.

Die falsche Bilanz 

“Bio”-Kraftstoffe einzusetzen geht also mit gravierenden Auswirkungen auf Klima, Biodiversität und Ernährungssicherheit einher. Doch die offizielle Klimabilanz der Kraftstoffe berücksichtigt das nicht

So lässt sich mit der Beimischung von Sprit aus Pflanzen und vermeintlich unbrauchbaren Resten die Klimabilanz des Verkehrssektors auf dem Papier etwas aufhellen. Deshalb will auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) unbedingt daran  festhalten. Dabei hat Wissing den Rückhalt der fossilen Industrie – denn die kann mit jedem Liter Agrosprit, der fossilen Kraftstoffen beigemischt wird, weiter die vielfache Menge an Benzin und Diesel verkaufen.

Dagegen kann sich Umweltministerin Steffi Lemke (B90/Die Grünen) mit ihrem Vorschlag, die Förderung von Sprit aus Nahrungs- und Futtermitteln bis 2030 auslaufen zu lassen, bisher nicht durchsetzen. Dabei bewertet das Umweltbundesamt die Förderung von “Bio”-Kraftstoff schon seit 2008 als klimaschädliche Subvention, Verbraucher:innen bezahlten dafür in 2018 fast eine Milliarde Euro zusätzlich an der Zapfsäule. Dass die Bundesregierung diesen Unsinn weiterlaufen lässt, ist absurd!

Wir müssen uns also schleunigst vom Märchen des grünen Verbrennungsmotors verabschieden. Statt Augenwischerei mit “Bio”-Sprit brauchen wir endlich eine umfassende Mobilitätswende. Für Menschen und Klima weltweit. 

Weiterführende Informationen zu den Gesprächspartner:innen und ihren Organisationen:

Silvia Brecht, Naturschutzbund Deutschland

Kathrin Anna Frank, Deutsche Umwelthilfe 

Matthias Lambrecht, Greenpeace


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 August 27, 2023  53m