Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

Der Mensch hat die Sprache beim Geschichtenerzählen erfunden. Geschichten erklären die Welt. Sie können uns Mut oder Angst, Freude oder Trauer fühlen lassen, uns Wissen oder Weisheit vermitteln. Eine Geschichte ist kein Werk, sondern ein Akt. Wir denken, schreiben, sprechen und Du hörst uns zu – so kommt sie erst in die Welt. Wir haben über 75 Stunden im Archiv, professionell produziert und kostenlos zu hören. Viele Geschichten sind phantastisch, die meisten regen zum Nachdenken an, einige sind Erlebniserzählungen und hin und wieder sind sie auch komisch. Alle Geschichten sind exklusiv für unseren Podcast geschrieben, gesprochen, aufgenommen, geschnitten und abgemischt. Wir machen keine Werbung, haben keinen Sponsor und es gibt weder Paywall noch Abonnement. Um unabhängig zu bleiben und unsere Arbeit zu finanzieren, suchen wir allerdings nach Unterstützer*innen und haben uns für ‚Steady‘ aus Berlin entschieden. Wer uns monatlich ein paar Euro widmet, kann uns im Blog oder im eigenen Feed zuhören, wie wir uns nach der Aufnahme einer Geschichte über die Hintergründe, Gedanken und Ideen dazu unterhalten. (Gut. Das ist zu hochgestochen und klingt langweiliger, als es ist...

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Expl0541: Himmel- und Höllenjobs


Immerhin noch 12% der Deutschen glauben, dass es ein Hölle gibt. Ist es ein Zufall, dass es laut Umfragen bundesweit genauso viele potentielle Afd-Wähler gibt? Na, egal. Denn natürlich ist das alles ganz anders, wie man im heutigen Hörspiel hören kann.

Download der Episode hier.
Musik: „Heaven’s Just The Wrong Side Of Hell (2009)“ von Daniel Catarino / CC BY-NC-ND 3.0

[toggle title=”Skript zur Sendung”]
Ein kleines Amtszimmer. Ein kleiner, dicker Mann sitzt auf einem Stuhl und schaut einen Monitor von hinten an. Auf seinem Anzug sieht man deutliche Radspuren. Hinter dem Monitor sitzt eine höllisch scharfe Sachbearbeiterin.

G: Aber wenn ich es sage: Ich war wirklich ziemlich böse! Man hat mich gefürchtet! Ich war ein echter Ganove!
Lilith: Ja ja ja, das sagen hier irgendwie alle. Aber ich kann wirklich nicht anders, ich muss das sehr genau prüfen, wir sind wirklich bis auf den letzten Platz belegt. Hier ist sozusagen, bildlich gesprochen, die Hölle los!
G: Ich habe immer bei meinen Steuererklärungen geschummelt! Richtig gelogen!
Lilith: Das tun alle, das reicht beim besten Willen nicht!
G: Und Pornos gekuckt und masturbiert. Wollust und so. Todsünde!
Lilith: Das tun auch alle. Das reicht auch nicht. Sie verstehen da ‘was völlig falsch!
G: Und geraucht, gesoffen, in meiner Jugend sogar gekifft! Und gefressen wie ein Mähdrescher! Sehen Sie, wie fett ich bin? Ich habe den Tempel Gottes geschändet!
Lilith: Ich muss sie bitten, sich zu gedulden! Was sie hier aufzählen, sind alles keine richtigen Sünden. Wenn wir alle aufnehmen würden, die ein bisschen Über- oder Untergewicht haben, was meinen Sie, wie voll es dann hier wäre? Und wie langweilig. Das hier ist die Hölle! Wir haben ein gewisses Image, das muss gepflegt werden!
G: Ja, aber ich habe auch einen Ruf zu verlieren! Ich meine, wir reden hier über die Ewigkeit! Ich habe doch nicht umsonst ein zutiefst gotteslästerliches Leben geführt! Ich habe ja nicht einmal an Gott geglaubt! Mache ich immer noch nicht! Da hamses! Es gibt keinen Gott! Alles nur Materie! So!
Lilith: Ooch. Das machen auch alle! Das reicht nicht einmal für fünf Minuten Fegefeuer! Es tut mir wirklich leid. Da müssten sie schon etwas Besseres finden.
G: Na gut. Ich gebe es zu, keiner weiß das bisher. Ich habe sogar jemanden erschossen.
Lilith: Das klingt schon besser. Wen denn?
G: Den Georg.
Lilith: Der Name ist mir völlig wurst, was hat der denn so gemacht?
G: Was der gemacht hat? Na, der ist mit mir auf die Grundschule, dann hat er einen Quali gemacht, wie ich auch. Und eine Lehre bei einem Schreiner, wenn ich mich nicht irre…
Lilith: Das ist alles irrelevant. Ich fühle mich wirklich zutiefst gelangweilt.
G: Und dann ist er Immobilienmakler geworden.
Lilith: Schon interessanter. Wo denn?
G: Na, in München.
Lilith: Sie haben einen Münchner Immobilienmakler umgebracht?
G: Ja, im Suff.
Lilith: Das ist auch eine lässliche Sünde. Wenn Sie selber in München Immobilienmakler gewesen wären, ja, dann… Ihr Freund Georg, der ist sicher hier.
G: Bitte! Ich, ich hab’ den sogar gehasst!
Lilith: Es geht nicht, Herr Moosreiter. Sie sind viel zu langweilig für die Hölle. Ich muss Sie verlegen.
G: Nein, nicht verlegen! Nicht in den Himmel, bitte! Kann ich nicht etwas tun, um hier zu bleiben? Im Fegefeuer Kohle nachlegen, oder so? Die Dreizäcke putzen? Den Teufeln die Hörner spitzen? Schmutzige Witze erzählen, die keine Pointe haben? Höllenjobs erledigen, eben…
Lilith: Ich muss telefonieren. Bitte warten sie kurz. Wird nicht lange dauern. Ein oder zwei Jahre…
G: Zwei Jahre warten? Na, das ist ja schon ein Anfang…
Lilith: (wählt)
Lilith: „Grüß Boss, sie haben den Himmel erreicht. Ihr Anruf ist uns wichtig und wird zu Trainingszwecken aufgelegt. Sollten Sie damit nicht einverstanden sein, dann beten Sie bitte. Wir werden Sie schnellsmöglich mit dem nächsten freien Engel verbinden.
Sollten Sie tot sein, drücken Sie bitte die Eins. Sind Sie sich nicht sicher, dass sie tot sind, drücken Sie die zwei. Falls Sie einen tierischen Kater haben und denken, Sie sind tot, drücken Sie bitte die Drei. Haben Sie die feste Absicht tot zu sein, dann drücken Sie die Vier. Sollten Sie aus Versehen „Modern Talking“ gehört haben, dann drücken Sie die Fünf.
Lilith: Geh’ dran, Petrus, ich weiß, dass Du da bist!
Lilith: Falls Sie im Verdacht stehen, selig gesprochen zu werden, dann drücken Sie die Sechs. Sollten Sie heilig gesprochen werden, dann drücken Sie die Sieben.
Lilith: Petrus! Das ist nicht lustig!
Gabi: Hallo, ich bin’s!
Lilith: Gabi, bist Du’s?
Gabi: Jepp. Ich muss jetzt dauerhaft für Petrus einspringen. Der kann hier nicht mehr am Empfang arbeiten, der hat jetzt mit der Klimaerwärmung schon mit dem Wetter alle Hände voll zu tun.
Lilith: Und jetzt machst Du den Empfang?
Gabi: Jepp. Wie geht’s Dir, denn Lilith?
Lilith: Hier ist die Hölle los, werter Kollege.
Gabi: Nett. Hier ist es seeehr ruhig.
Lilith: Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich machen soll. Könntest Du einen Herrn Moosreiter für mich aufnehmen? Du hättest dann einen gut bei mir.
Gabi: Hm. Mal schauen. Schick ihn einfach ‘mal hoch. Ich kuck mir das für Dich an! Aber falls, dann hängen wir beide ‘mal wieder ab, so wie in biblischen Zeiten, ok?
Lilith: Klar, das können wir machen! Danke, Gabi! Bis nachher!

Auf einmal sitzt Herr Moosreiter mit den Reifenspuren auf dem Anzug in einem anderen Amtszinmer. Statt der höllisch scharfen Lilith sehen wir aber nun den Erzengel Gabriel hinter dem Rechner sitzen. Der seit Folge 45 immer noch nicht die Jeans gewechselt hat.

G: Was? Wo bin ich? Ist das der Himmel? Ich will aber nicht in den Himmel! Ich bin da gerade in der Hölle gaaanz prima ein Jahr völlig untätig rumgesessen.
Gabi: Jetzt stell’ Dich nicht so an, Moosi, wir beissen hier oben auch nicht.
G: Was denken Sie, was mit meinem Ruf los ist, wenn rauskommt, dass ich im Himmel bin! Das ist ja undenkbar! Mein Ansehen geschändet, mein Image kaputt!
Gabi: Ich mach’ hier nur schnell einen Check, ok? Hast Du andere Götter gehabt neben dem Boss?
G: Götter? Ich dachte, es soll nur einen geben?
Gabi: Gute Antwort, check. Hast Du den Namen vom Chef jemals missbraucht?
G: Gott hat einen Namen? Wie lautet der denn?
Gabi: Auch gute Antwort. Check. Hast Du am Sonntag gearbeitet?
G: Am Sonntag? Ich hab’ nie wirklich gearbeitet!
Gabi: Gut, passt auch. Check. Dann, was haben wir noch in diesem Fragebogen…
G: Wie, Du bist ein fucking Erzengel und kennst die zehn Gebote nicht?
Gabi: Ganz ruhig, Moosi, mach’ hier keinen Aufstand. Hast Du Deine Eltern geehrt?
G: Ich habe die nicht einmal gekannt. Ich bin ein Vollwaise.
Gabi: Umso besser, hast Du getötet?
G: Ja! Den Georg! Habe ich Deiner Kollegin schon erzählt.
Gabi: Das ist aber nicht so gut. Was hat er denn gemacht, der Georg?
G: Ein rechtes Arschloch ist er gewesen. Aber halt auch mein Freund.
Gabi: Aha.
G: Eigentlich dachte ich ja nicht, dass die Waffe geladen ist. Ich hab’ die ja nur geputzt.
Gabi: Ah, gut. Ich sehe. Du bereust. Dann weiter: Hast Du die Ehe gebrochen?
G: Ich war gar nicht verheiratet.
Gabi: Check. Hast Du gestohlen?
G: Ich habe meine Steuererklärungen gefälscht. Zählt das?
Gabi: Das machen alle. Check. Die nächsten zwei fassen wir zusammen. Hast Du Haus, Weib, Knecht, Magd oder Vieh Deines Nachbarn begehrt?
G: Meines Nachbarn? Ich dachte, meines Nächsten.
Gabi: Übersetzungsfehler. Und, hast Du?
G: Mein Nachbar war alleinstehender Rentner und hatte nur so einen verlausten Dackel. Natürlich nicht!
Gabi: Prima, du hast ein sündenfreies Leben geführt! Willkommen im Himmel!
G: Im Himmel? Ich komme in den Himmel? Neiiiin!

Gabi: Lilith? Bist Du’s?
Lilith: Hallo Gabi! Und? Hat’s geklappt mir dem Moosreiter.
Gabi: Kein Problem. Der sitzt auf Wolke sieben und spielt Harfe.
Lilith: Ist schon lustig, dass wir hier im Himmel jeden nehmen.
Gabi: Ja, das hat sich noch nicht ‘rumgesprochen. Die denken alle immer noch, es gäbe eine Hölle.
Lilith: Boss sei Dank, sonst wäre es hier oben ja wirklich zu langweilig.
Gabi: Ja, dann hätten wir hier gar nichts zu Lachen.
Lilith: Amen. Dein Wort in Bosses Gehörgang!
Gabi: Bis nachher, Lilith!
Lilith: Bis nachher!
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 October 7, 2016  11m