Vortrag:
Prof. Dr. Armin Nassehi, Soziologe, LMU-München
Apokalyptische und eschatologische Motive in der Kritischen Theorie – gestern, heute und morgen
Hegels Eule fliegt erst in der Dämmerung und steht für die Idee: erst in der Reflexion wird die Wirklichkeit vernünftig und aufgeklärt. Benjamins Engel der Geschichte steht als kritische Instanz einer die gewaltvolle Realität transzendierenden Hoffnung, als Gegenentwurf zum schlechten Bestehenden, das zu überwinden sei.
Anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Institutes für Sozialforschung in Frankfurt fragen wir: Wirkt in der Kritischen Theorie der kapitalistischen Gesellschaft eine transzendente Spur, lebt in ihr eine nachhaltige Erlösungssehnsucht fort?
Wird in ihr der marxistische Materialismus utopisch, apokalyptisch und eschatologisch aufgebrochen – und auf ein neues, immanent Transzendentes bezogen?
Wir fragen dies auch mit Blick auf die aktuelle Vielfachkrise, deren aktuelles spaltendes Wirken und die mittlerweile dominanten, populistisch-ideologischen Debatten: vom rechtspopulistischen Ressentiment bis zu den klimabewegten Weltuntergangsszenarien.
Welche Rolle kommt unter diesen Bedingungen einer Kritischen Theorie auf der Höhe ihrer Zeit zu? Wo fliegen Eulen und Engel heute? Oder haben sie sich endgültig zur Ruhe gesetzt?