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Wie Tiere sich verwandeln - Alles Natur


Von der Kaulquappe zum Frosch, von der Raupe zum Schmetterling ? zahlreiche Tiere, vor allem Amphibien und Insekten durchlaufen auf ihrem Weg zum erwachsenen Tier oft erstaunliche Verwandlungen. Von Iska Schreglmann

Credits
Autorin dieser Folge: Iska Schreglmann
Es sprachen: Iska Schreglmann im Gespräch mit Dr. Thassilo Franke
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Dr. Thassilo Franke, Biologe von den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

 O-Ton-Collage / Dr. Thassilo Franke:

Bei der Plattfischlarve wandert ein Auge über den Scheitel auf die andere Seite des Kopfes….

Die Brunftschwielen verhindern, dass das Krötenmännchen bei der Paarung vom Weibchen abrutscht…

Der Sackkrebs wächst wie ein Pilzgeflecht im Inneren seines Opfers!

Sprecherin

Alles Natur!

Wie Tiere sich verwandeln

MUSIK-Akzent

Iska Schreglmann

Ich stehe gerade mit dem Biologen Thassilo Franke an einem, ja kleinen Teich, würde ich sagen, sieht aus wie so eine riesengroße Pfütze, und zwar in einem ziemlich naturbelassenen Gebiet im Norden von München, genauer gesagt in der Nähe des Rangierbahnhofs, falls das jemand kennt. Warum sind wir hier? Weil hier, mitten in der Stadt und doch ziemlich versteckt, leben viele seltene Arten und jede Menge Tiere, die sich auf wundersame Weise verwandeln. Ich habe mich zu diesem Zweck heute auch etwas verwandelt, nämlich meine Gummistiefel angezogen, da es ziemlich nass ist, wie es ja auch sein soll, wenn es um Frösche und Kröten geht. 

Dr. Thassilo Franke

Ja, genau. Ich habe auch meine Gummistiefel an – wie man hier an diesem Geschmatze wahrscheinlich auch bei Ihnen zu Hause gut vernehmen kann - und wir befinden uns in einem ganz wichtigen Amphibien- Schutzgebiet mitten in der Stadt. Und hier kommen viele verschiedene Amphibienarten vor, unter anderem auch eine der seltensten Arten, nämlich die Wechselkröte. 

Die Wechselkröte ist vom Aussterben bedroht und hat hier ihr bayernweit größtes Vorkommen. 

Iska Schreglmann

Das ist ja erstaunlich, das bayernweit größte Vorkommen hier. Von der Wechselkröte habe ich Bilder gesehen. Sie ist wunderschön marmoriert. Vielleicht können Sie sie noch mal beschreiben? 

Dr. Thassilo Franke

Naja also, wenn man an eine Kröte denkt, da haben die meisten von uns, die klassische Erdkröte im Sinn. Also ein braunes, warziges Tier mit schönen, bernsteinfarbenen Augen. Die Wechselkröte sieht ihr, was die Form betrifft, eigentlich sehr ähnlich. Aber sie hat eine ganz andere Zeichnung. Sie hat eine graue Grundfarbe mit schönen dunkelgrünen Flecken, schaut fast ein bisschen so tarnfarben aus, wie man es so von der Militärkleidung kennt.

Iska Schreglmann

Militärkleidung mal auf die schöne Art und Weise, um es gleich zu sagen. Aber würde man die Erdkröte jetzt hier schon finden können? 

Dr. Thassilo Franke

Für die Wechselkröte ist es hier noch zu früh. Also die fängt eigentlich erst zu Ende April, Anfang Mai an. Was ist aber hier schon gibt, das sind Grasfrösche und Erdkröten. Und auch wenn man es tagsüber meistens nicht finden kann, weil die ihr Laichgeschäft meistens erst im Schutz der Dunkelheit eigentlich vollziehen, kann man ihre Hinterlassenschaften in Form von ihren Gelegen finden. Und da gibt es große Unterschiede. Und zwar der Grasfrosch, der legt seine Eier in Form von Laichballen ab. Und die Erdkröte, die hat eine ganz andere Leitstruktur. Die bildet Laichschnüre mit bis zu ungefähr drei bis 8000 Eiern, die sie praktisch um die Wasserpflanzen drumherum spinnt. 

Iska Schreglmann

Und das heißt aber, wenn wir jetzt hier so weiter durchwaten - es ist allerdings ziemlich tief, und ich bleibe hier auch fast stecken mit meinen Gummistiefeln - dann könnten wir hier diese Laichschnüre schon finden, jetzt, Mitte März?

Dr. Thassilo Franke

Also, was die Laichschnüre von den Erdkröten betrifft, sind wir doch noch ein bisschen zu früh dran. Also, die sind jetzt schon auf dem Weg. Die sind jetzt schon dabei, aufzuwachen und sich auf den Weg Richtung Laichgewässer zu begeben. Was wir mit etwas Glück heute schon finden können, sind die bereits erwähnten Laichballen von den Grasfröschen. 

Iska Schreglmann

Die Grasfrösche sind, so viel ich das weiß, ja die gängigsten Frösche also die sind nicht selten, oder? Sondern das sind die, die man ab und zu sieht…?

Dr. Thassilo Franke

Also, der Grasfrosch ist, wie fast alle Amphibienarten, ebenfalls rückläufig in seinem Bestand. Aber Sie haben schon recht. Also der Grasfrosch ist mit Abstand häufigste Froschlurch-Art. 

Iska Schreglmann

Ja, und dann gehen wir doch mal auf die Suche, oder?

Dr. Thassilo Franke

Erstaunlich, wie tief das hier ist. Ja, also, es ist also hier alles voll mit Entengrütze, die so ein bisschen den Eindruck macht, als hätten wir es mit Laich zu tun. Vor allem, wenn da so kleinen Luftblasen sind… aber es schaut nicht so gut aus. 

Iska Schreglmann

Na gut, sie können das sicher auch so beschreiben..?

Dr. Thassilo Franke

Ja, also ich bin mir sicher, wenn wir hier vielleicht in einer Woche noch mal herkommen, dann werden wir das ganze Sortiment eigentlich vorfinden. Aber Froschlaich - viele haben ihn ja auch schon mal gesehen. Das gilt im übrigen auch für den Krötenlaich. Da hat man immer die befruchtete Eizelle im Zentrum, die ist schwarz gefärbt, bei den meisten Arten auch ein Schutz gegen die Sonne, die Sonneneinstrahlung. Und das Ganze, die ganze Eizelle, die Zygote nennt man das ja dann, wenn sie befruchtet ist, ist umgeben von einer Gallert-Hülle, von einer sehr dicken, transparenten Gallert-Hülle. Und beim Grasfrosch ist es so, dass es dann einfach ungeordnete Klumpen sind, wo viele, viele hundert Eier einfach zusammengeballt sind. 

Und wenn man sich aber dann dieses Ei einmal genauer anschaut, unter der Lupe zum Beispiel, da kann man sehen, dass sich die mit der Zeit verändern, diese schwarzen Kugeln in ihrem inneren. 

Und da sind wir bei einem Prozess, den wir auch durchmachen. 

Wir Menschen, das ist die sogenannte Ontogenese, die Individualentwicklung. 

Iska Schreglmann

…den wir im Mutterlieb durchmachen…

Dr. Thassilo Franke

Genau, also ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, Verwandlungsprozess. Verwandlung ist ja das Thema unserer heutigen Sendung, die eigentlich schon zum Zeitpunkt der Befruchtung losgeht. Und weil halt diese Froschlurch-Eier so eine schöne, durchsichtige Hülle haben, sind die auch das Lehrbuchbeispiel, die vielen Lehrer, die jetzt vielleicht die Sendung anhören, die werden es wahrscheinlich auch noch aus ihrem Bio-Unterricht wissen…

Iska Schreglmann

Und die Schüler und Schülerinnen kennen das auch, klar. Ich denke mal, das findet doch in fast jedem Biologieunterricht statt.

Dr. Thassilo Franke

Dieser ganze Zauber der Verwandlung nimmt da seinen Anfang eigentlich - also in diesem transparenten Ei. 

Iska Schreglmann

Ich möchte trotzdem noch mal einen Schritt zurück springen zur Paarung, bevor es überhaupt zu dem, was Sie Laichgeschäft nennen, kommen kann - weil bestimmte Kröten sich ja auch für die Paarung schon verwandeln offenbar…

Dr. Thassilo Franke

Ja, vor allem, was die Männchen betrifft. Und das kann man auch sehr schön erkennen. Und man kann sogar die Geschlechter, wenn man mal eine Kröte sieht um diese Jahreszeit, auch sofort daran unterscheiden. Weil nämlich die Männchen, an den Fingern der Hände ab Daumen gerechnet, praktisch, ersten drei Fingern, wachsen denen sogenannte Brunftschwielen aus der Haut.

Solche Schwielen kennt man ja, wenn man hart gearbeitet hat. Da hat man dann so Hornhaut-Polster auf den Handflächen, die manchmal auch recht schmerzhaft sind. Und in die Richtung geht es auch das Ganze eigentlich, weil es sind Hornstrukturen. Und zwar sind die ganz rauh, wenn man die anfasst. Und die haben eine ganz besondere Funktion. Und zwar, Sie haben doch bestimmt schon mal gesehen, dass während der Laichzeit die Frösche so huckepack unterwegs sind. Unten das größere Weibchen, oben also praktisch als Reiter das kleinere Männchen. Und auf so einer glitschigen Kröte zu reiten, das ist also Rodeo in Reinstform, kann man sich ja vorstellen, wenn sie die Cowboys anschauen, Pferde sind ja nicht glitschig….

Iska Schreglmann

Aber als Cowboy hat man ja auch Sattel und Zaumzeug. Aber da hat man ja gar nichts als Krötenmännchen- 

Dr. Thassilo Franke

Und damit der Kröterich nicht von seinem Reittier fällt, hat er eben diese Brunftschwielen, und da kann er sich dann sehr gut an ihr festhalten…

Iska Schreglmann

Hört sich irgendwie dann schmerzhaft an für das arme Weibchen. 

Dr. Thassilo Franke

Ja, die Weibchen müssen sowieso wahnsinnig viel durchmachen, weil nämlich es gibt immer sehr viel mehr Männchen als Weibchen. Und da ist ein fürchterliches Gerangel. Das heißt, da klammern sich dann oft mehrere Männchen mit ihren rauhen Brunftschwielen an dem armen Weibchen fest, was dann sogar dazu führen kann, dass die Weibchen bei dem Gerangel ertrinken. 

Iska Schreglmann

Ach, du Schreck! Aber jetzt reden wir erst mal über das Gegenteil von Tod, nämlich über die Geburt der neuen kleinen... Und da sind wir dann ja beim Laich, aus dem bekanntlich die Larven schlüpfen, die zu Kaulquappen werden, haben wir vorhin schon gesagt, haben wir in der Schule wahrscheinlich allemal gelernt. Und diese Kaulquappen, die sind ja ein ziemlich gewitztes Zwischenstadium.

Dr. Thassilo Franke

J, sie sind wirklich ein gewitztes Zwischenstadium, weil sie erinnern ja erst an an kleine winzige Fischchen. Also sie haben auch ganz am Anfang, also, wenn sie frisch geschlüpft sind, auch noch äußere Kiemen, die man sehen kann. Und einen langgestreckten Körper und einen Schwanz, an dem sich allmählich sogar ein richtig deutlich zu sehender, Flossensaum entwickelt. Und das ist eigentlich der Zeitpunkt, wo die Larve, die Kaulquappe aus dem Ei ausschlüpft, also sie löst praktisch diese Gallertschicht auf, arbeitet sich dann aus dem Ei heraus und haftet sich dann mit einer Haftscheibe, dann die sie am Bauch hat, auf diesem leeren Ei an und auch in der Umgebung dann an den Wasserpflanzen und tut erst mal gar nichts. Sie kann auch gar nichts tun, weil sie noch überhaupt kein Maul hat, mit dem sie fressen könnte. Das bricht erst allmählich durch, und zwar synchron mit dem Durchbruch des Mauls bildet sich eine Hautfalte, die Kiemen einschließt. Das heißt, die Kiemen sind dann nach wenigen Tagen dann nicht mehr sichtbar, sondern die sind in eine Höhle eingeschlossen, die dann nur noch eine Atemöffnung offen lässt. Und da kommen wir eigentlich auch zu einem Punkt, der die Kaulquappen und die aus ihnen hervorgehenden Frösche so wahnsinnig erfolgreich macht. Also eigentlich ist die Kaulquappe ein ungeheures evolutives Erfolgsrezept. Sie müssen bedenken, von denen siebeneinhalbtausend Amphibienarten, die man ungefähr kennt, bis heute... Die Zahl wächst rasant an. Es werden immer wieder neue Arten beschrieben, auch bei uns in der Zoologischen Staatssammlung vom Frank Glaw, der sich mit Fröschen von Madagaskar beschäftigt - und von den siebeneinhalbtausend Amphibien sind über 7000 Frösche. Also Frösche gegenüber von Salamandern und u Blindwühlen sind die erfolgreichste Amphibiengruppe. Und das liegt an der Kaulquappe, weil die Kaulquappe hat nämlich in diesem dieser Arten -Kammer, die ich gerade beschrieben habe, da hat sie einen Filter Apparat ausgebildet und dieser Filter Apparat, dem kommt eine ganz wichtige Bedeutung zu. Weil nämlich die Kaulquappen haben ein ganz kleines Maul mit einem Hornschnabel, Horn-Zähnchen, mit denen sie die Oberfläche abraspeln können und alles, was sie dann praktisch einsaugen - sie haben auch so ein Saugmaul - wird an diesem Filter-Apparat gefiltert und die Nährstoffpartikel dann über eine Art schleimiges Fließband dann in den Schlund befördert. Und das macht Kaulquappen so wahnsinnig erfolgreich. 

Iska Schreglmann

Spannend, aber die Kaulquappe bleibt ja nicht so, wie sie ist. 

Dr. Thassilo Franke

Sie bleibt nicht so, wie sie ist. Sie bringen es auf den Punkt -  wir wollen ja heute über Verwandlungen reden, die Kaulquappe, die verändert sich, und der erste Schritt ist eigentlich nur eine Größenzunahme. Das ist das Wachstum, die Wachstumsphase. Und die eigentliche Metamorphose beginnt eigentlich erst, wenn die Beine durchbrechen. Ja,  man sieht auch am Anfang erst nur die Hinterbeine, und wenn, dann diese Vorderbeine aus dieser Peribrancialraum, nennt man das, hervorbrechen, dann verstopfen die das Atemloch, und es würde dazu führen, dass die Kaulquappe erstickt, weil sie nicht mehr atmen kann. Und das ist ein ganz kritischer Zeitpunkt. Das ist praktisch der Höhepunkt der Metamorphose. Da muss der kleine Frosch  dieses Zwischenstadium zwischen Frosch und Kaulquappe zum atmen auch an die Oberfläche, weil nämlich die Lungen dann sich schon ausbilden und sie dann von Kiemen zu Lungenatmung übergehen. Und dann setzen gewaltige Veränderungen ein. Also, die Augen bekommen plötzlich Augenlider, die sie vorher nicht hatten, und der Verdauungstrakt der verkürzt sich. Das ist ja ein ganz langer Spiralarm bei der Kaulquappe. Der verkürzt sich um drei Viertel seiner Länge zu einem sehr stark differenzierten Magen-Darm-Trakt, der auch Säure bildet. Vorher hat er keine Säure gebildet, und das Maul, was eben nur so ein kleines Raspel -Mäulchen war, wird eben so eine Maulspalte, damit da auch eine Fliege oder eine Libelle mal reinpasst, wenn der Frosch größer geworden ist. Und das Tier verliert ungefähr 70 Prozent seiner Masse, die allerdings fast nur aus Wasser besteht und so peu a peu absorbiert dann der Frosch auch seinen Schwanz. Der Kaulquappen Schwanz wird nicht abgeworfen, wie das häufig geäußert wird, sondern der wird aufgelöst, eigentlich. Man nennt das resorbieren und das hat eine ganz besondere Bewandtnis. Weil nämlich während dieser Metamorphose kann ja der Frosch nichts fressen, weil ja praktisch der Magen-Darm-Trakt gerade umgebaut wird. Da kann er nicht gleichzeitig ihn mit Nahrung füllen. Das würde er nicht funktionieren. Und in dieser Fastenperiode ernährt er sich eigentlich von der Energie, die in seinem Schwanz gespeichert ist.

Iska Schreglmann

Faszinierend. Das ist wirklich ausgeklügelt. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für diese Lebewesen auch irgendwie unglaublich anstrengend ist, sich derart umzuwandeln. Dabei wird ja auch jede Menge Energie verbraucht. Warum hat sich die Evolution denn das einfallen lassen? Ginge es nicht auch einfacher? 

Dr. Thassilo Franke

Ja, es ist in der Tat anstrengend, und es ist auch so, dass viele diesen Metamorphose Prozess auch nicht überleben und irgendwann darin stecken bleiben, ertrinken oder was auch immer. Aber dieser Prozess ist einfach notwendig. Ich meine, im Endeffekt geht es ja darum, dass man ein komplett neuen Lebensraum erobert. Die Kaulquappe ist ähnlich wie die Fische ein Wassertier und der Frosch ist ein Landtier, und damit dieses Wassertier dann später auf dem Land zurechtkommt, muss es diese Verwandlung durchmachen. Das betrifft übrigens auch das Mikrobiom - also das, was wir auch haben - unseren Darm, also die Mikroorganismen, die uns bei der Verdauung helfen. Und da wurde festgestellt, dass Fische ein ganz anderes Mikrobiom haben, also ganz andere Bakterien und Mikroorganismen in ihrem Darm haben als Landtiere. Und da hat man dann sich überlegt, wie ist es denn bei den Fröschen, die als Kaulquappe Wassertiere sind und als Frösche Landtiere sind? Und tatsächlich hat sich gezeigt, dass das Mikrobiom der Kaulquappe jenem der Fische ähnelt und das Mikrobiom der Frösche ein typisches Landtier-Mikrobiom ist mit dem entsprechenden Sortiment von Mikroorganismen. 

Iska Schreglmann

So, jetzt haben Sie ja gerade eben auch das Mikrobiom des Menschen erwähnt. Wie hängt es denn jetzt damit zusammen? 

Dr Thassilo Franke

Also genau genommen sind wir Menschen ja eigentlich auch nichts anderes als Fische, die an Land gegangen sind. Also wenn wir unsere Evolutionsgeschichte rückwärts zurück verfolgen, dann kommen wir über Reptilien, die eben schon Eier hatten, die an Land komplett ihre Ontogenese durchlaufen, also gar kein Wasser mehr brauchen... wenn man dann weiter im Rückwärtsgang zurückfährt, dann kommen wir irgendwann zu Amphibien, die unsere Vorfahren waren. Und das heißt also, im Endeffekt wasserbewohnende Larven, die irgendwann an Land gehen und dann eine Metamorphose machen, um als Landlebewesen weiter zu machen. Die haben wir in unserer höchstpersönlichen Ahnenreihe. Man muss nur eben weit genug zurückgehen. Und wenn wir noch weiter zurückgehen, dann landen wir dann bei so bizarren Lebewesen wie den Lungenfischen. Und die Lungenfische sind, wenn man so will, die Vorfahren aller heute lebenden Landwirbeltiere.

Iska Schreglmann

Also auch unsere. Aber bleiben wir noch mal kurz bei den Fischen an sich, denn da gibt es ja auch ganz bizarre Beispiele von Verwandlungen.

Dr. Thassilo Franke

Ja, da gibt es sehr bizarre Beispiele. Und das verrückteste Beispiel, was mir dazu einfällt, ist die Verwandlung der Plattfische. Ich meine, Sie kennen ja auch Schollen, Schollenfilet, Heilbutt, Seezunge. Und wenn man die Tiere sieht, die schauen dann meistens recht lustig aus, die sind flach auf dem Boden, die schwimmen flach über den Meeresboden in so ondulierenden, wellenförmigen Bewegungen, sind bestens getarnt. Und wenn man ihren Kopf anschaut, dann fällt einem auf, dass da die zwei Augen obendrauf sitzen. Das schaut noch relativ normal aus, aber die Maulspalte, die ist schief. Also praktisch, die ist nicht so, wie man es erwarten würde, sondern die ist eben seitlich orientiert. Und wie es dazu kommt, das kann man sehr schön untersuchen oder beobachten. Wenn man nämlich die Entwicklungsgeschichte, die individuelle Entwicklungsgeschichte so eines Fisches mal genauer anschaut. Er schlüpft aus dem Ei, das Ei ist im Plankton und die erste kleine Scholl- Larve, die da ausschlüpft, schaut eigentlich aus wie jede andere Fischlarve. Also ein kleiner, länglicher Fisch, ein Auge auf der linken Kopfseite, eins auf der rechten Kopfseite. Und was dann geschieht, ist eine ganz seltsame Verwandlung, weil nämlich ein Auge plötzlich nicht da bleibt, wo es war, sondern es wandert praktisch über den Kopf, über den Scheitel auf die andere Kopfseite rüber. Und wenn das Auge dann praktisch auf der anderen Seite angekommen ist, dann ändert auch der Fisch sein Verhalten und auch den Ort, wo er sich aufhält. Dann geht er runter auf den Gewässer Grund und beginnt dann eigentlich sein normales Butt-, Schollen- oder Seezungenleben. 

MUSIK

Iska Schreglmann

Sie hören radioWissen, Alles Natur. Heute geht es um Lebewesen, die sich auf wundersame Art und Weise komplett verwandeln. Wir haben gerade schon verschiedene Beispiele gehört von dem Biologen Dr. Thassilo Franke, wir haben über verschiedene Wassertiere gesprochen und auch über Landlebewesen und die verschiedensten Metamorphosen. Aber auch die Luft spielt ja da eine Rolle. 

Dr Thassilo Franke

Ja, also, es gibt ja auch Tiere, nämlich innerhalb der Insekten, die den Lebensraum Luft erobern und die aber auch aus einer vollkommen flugunfähigen, sehr primitiv wirkenden Larve hervorgehen. Und eines dieser Beispiele begegnet uns auch hier in diesen Teichen. Hier in dieser Ausgleichsfläche. Das sind die Köcherfliegen. Und Köcherfliegen heißen sie, weil sie einen Köcher bauen, in dem ihr weicher Hinterleib verborgen ist und auch gut geschützt ist. Und diese Köcherfliegen -Larven, die leben auf einem Gewässergrund, häuten sich einige Male und bilden dann ein Puppenstadium, eine Puppe, die im Inneren des Köchers ihre Verwandlung durchmacht. Und der Köcher wird dann auf beiden Seiten auch abgeschlossen, ist ist also eine kleine Kammer mehr oder weniger, und die Puppe treibt dann an die Wasseroberfläche und platzt auf. Und dann entsteigt auch dieser Puppenhülle ein komplett anderes Lebewesen, was nämlich schöne Flügel hat und die Luft erobert und sich dann dort auch fortpflanzt und Eier ablegt, die Eier wieder ins Wasser legt oder ins Wasser tropfen lässt und dann der ganze Kreislauf wieder von vorne losgeht. Und die Köcherfliegen sind die Schwestergruppe der Schmetterlinge. 

Iska Schreglmann

An die muss man immer denken, wenn Sie das erzählen. 

Dr Thassilo Franke

Genau. Also die Köcherfliegen und die Schmetterlinge, die gehen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Die ähneln sich auch in vielen Aspekten. Und bei den Schmetterlingen kennt man das ja: Aus dem Ei schlüpft eine Raupe, die sich mehrmals häutet, die sich dann in eine Puppe verwandelt. In der Puppe. Wir werden dan praktisch alle Larven -Organe eingeschmolzen, Hystolyse nennt man das Ganze. Das wird richtig in einen Zellbrei verwandelt. Und nur ganz bestimmte Zell Cluste, die entwickeln sich dann weiter und bilden dann die Organe des neuen Insekts, wie zum Beispiel die Flügel oder den Saugrüssel. Weil nämlich das Insekt, was aus der Puppenhülle dann entsteigt, im Falle der Schmetterlinge sicher auch vollständig in der Nahrungsaufnahme unterscheidet, wohingegen die Raupe eben Blätter zerkaut mit Kauwerkzeugen, saugt der Schmetterling mit seinem strohhalmartigen Rüssel Blütennektar. 

Iska Schreglmann

Und wo wir gerade über Schmetterlinge sprechen, möchte ich natürlich gerne auf unsere Alles Natur-Folge zum Thema Schmetterlinge hinweisen, die Sie in der ARD Audiothek finden oder überall dort, wo es Podcasts gibt. Aber es gibt ja noch viel mehr Insekten, die sich verwandeln.

Dr Thassilo Franke

Also die Gruppe, wo auch die Köcherfliegen und die Schmetterlinge reingehören, das sind die holometabolen Insekten und das ist die erfolgreichste Organismengruppe überhaupt auf unserem Planeten. Also mehr als die Hälfte aller mehrzellligen Tiere gehören da rein, und die machen alle diese Verwandlung durch. Das sind die Fliegen zum Beispiel oder die größte Gruppe überhaupt, das sind die Käfer, die machen auch so ein Puppenstadium durch. Und auch die Bienen, Wespen und Ameisen 

Iska Schreglmann

Und zu Bienen und Westen gibt es im Übrigen auch alles Natur- Episoden. Und es gibt auch Verwandlungen, die auf Kosten anderer Tierarten stattfinden. Da gibt es ja ein besonders fieses Beispiel, sage ich mal. 

Dr Thassilo Franke

Ja, es gibt ganz viele Parasiten-Arten, die auch ganz komische Metamorphose-Zyklen durchlaufen. Und das bizarrste Beispiel, was mir dazu einfällt, ist der Sackkrebs. Der Sackkrebs ist ein mit den Seepocken verwandtes Krebstier, was sein Leben wie die meisten anderen Krebse auch als kleine Nauplius Larve beginnt, die durchs Wasser rudert und keinerlei Nahrung aufnimmt und die sich dann irgendwann mal zu einer sogenannten Cypress Larve häutet. Und diese weibliche Cypress-Larve, die macht sich dann auf die Suche nach einer Strandkrabbe. Also, die schwimmt dort durch durchs Wasser. Die hat auch Schwimm-Beine, ganz bewusst und gezielt, spürt die eine Strandkrabbe auf und lässt sich auf der Strandkrabbe an einer ganz bestimmten Stelle des Panzers nieder. Und was dann passiert, ist ganz unglaublich. Also sie stößt praktisch ihre Schwimmbeine ab, sobald sie am Ziel angekommen ist, auch den ganzen Bewegungsapparat, der diese Beine bewegt. Der wird abgeworfen, sodass eigentlich nur noch der Panzer dieser Cypresslarve zu sehen ist. Und die ist aber mit einer Art Harpune in dieser Krebs -Schale also jetzt von der Strandkrabbe verankert und wirft dann zu guterletzt dann auch noch das Allerletzte, was sie noch ab zu werfen hat, nämlich ihren Panzer, ab. Und was dann übrig bleibt es eigentlich nur noch so ein Sack, und dieser Sack hängt dann außen an der Schale dran dieser Strandkrabbe. Und die Harpune bohrt sich weiter durch den Panzer durch, und während sich die Harpune dort durcharbeitet oder Bohrer, müsste man eigentlich sagen, löst sich der gesamte Inhalt dieses Sackes auf, ist eigentlich nur noch ein Zellbrei. Und wenn dann die Krabbenschale durchdrungen ist, dann wird dieser ganze Zellbrei einfach in die Krabbe reingespritzt, rein injiziert. Und die Zellen in diesem Sack, die lösen sich aus dem Verband. Das ist eigentlich ein Zellbrei, was dann da drin ist. Und wenn dann dieser Bohrer die Krebsschale durchbrochen hat, dann kontrahiert sich dieser ganze Sack und der Zellbrei wird in die Strandkrabbe hineingespritzt. 

Iska Schreglmann

Oh Gott! Und dann? Was passiert mit der Strandkrabbe? 

Dr Thassilo Franke

Wenn dann die Zellen im Inneren der Strandkrabbe angekommen sind, dann bildet sich wieder so ein Zellklumpen. Und von dem geht dann ein Fadengeflecht aus, was eher an das Fadengeflecht eines Pilzes erinnert, was die ganze Krabbe von innen durchwuchert und sich um den Darm herumspinnt, das heißt bis in die äußersten Gliedmaßenspitzen ist diese gesamte Strandkrabbe von diesem fremden Organismus regelrecht durchwuchert. 

Iska Schreglmann

Das klingt ziemlich gemein, würde ich mal sagen.

Dr Thassilo Franke

Ja, das ist auch gemein. Und jetzt ist es ja so, dass dieses Faden- Geflecht, was den Sackkrebs eigentlich ausmacht im Inneren der Strandkrabbe, das ist ein Weibchen, und die muss sich ja auch wieder fortpflanzen. Und was dann passiert ist, sie hat wieder diesen gemeinen Trick, dass sie sich durch den Panzer ihres armen Wirts-Krebs durchbohren muss. Und sie bohrt sich genau an der Stelle durch, wo die weibliche Krabbe normalerweise ihr Gelege hat. Und was dann da hervortritt, ist ein Sack, was auch diesem Krebs seinen Namen gibt. Sackkrebs. Ein großer, richtig großer weißlich gelber Sack, in dessen Inneren dann wiederum die Eier dieses parasitischen Krebses sind...

Iska Schreglmann

Unglaublich trickreich. 

Dr Thassilo Franke

Jetzt kann es sein, dass die die befallene Krabbe ein Männchen ist. Es ist aber diesem Sackkrebs vollkommen wurscht, der polt die einfach hormonell um. Und dann verhält sich dieses Krebs-Männchen wie ein Weibchen und behütet praktisch dann diesen Sack, den er für seine eigenen Eier hält. Er denkt ja, er wäre ein Weibchen und fächelt denen dann Wasser zu und schützt die die ganze Zeit. Und irgendwann tut sich dann in diesem Sack ein Loch auf, und durch dieses Loch schwimmt dann eine männliche Sackkrebs-Larve in diesen Sack hinein und befruchtet die darin befindlichen Eier und der Kreislauf ist geschlossen. 

Iska Schreglmann

Unfassbar. Das könnte man sich eigentlich nicht ausdenken, was da in der Natur sich entwickelt hat. 

Dr Thassilo Franke

Ich bin auch immer wieder überrascht. Wir müssen mal eine Sendung über Parasiten machen. Also da gibt es generell so tolle Geschichten zu erzählen...

Iska Schreglmann

Hört sich so an. Aber jetzt bleiben wir noch mal bei den Tieren, die sich verwandeln, beziehungsweise bei den Pflanzen. Denn es gibt ja auch unter den Pflanzen Verwandlungskünstler. 

Dr Thassilo Franke

Bei den Pflanzen gibt es sogar ganz besondere Verwandlungskünstler. Ein schönes Beispiel, was mir dazu einfällt, das ist das neuseeländische Lanzenholz Lancewood, das ist eine Pflanze, die als Jungpflanze vollkommen anders aussieht als erwachsene Pflanze. Also ähnlich wie wir es bei den Tieren ujetzt auch besprochen haben. Und zwar, wenn die aus dem Samenkorn keimt, dann entsteht ein kleiner Schößling mit richtig dunkelbraun gefleckten Blättern, fast krötenhautartig gefleckten Blättern, die wunderbar getarnt ist. Man kann die also kaum ausmachen, die, verschmilzt regelrecht mit dem Waldboden. Und warum macht sie das? Natürlich, genau wie die Kröten auch, damit sie von ihren Feinden nicht gesehen wird. Und der Feind dieser Pflanze ist eine Tierart, die es heutzutage gar nicht mehr gibt. Das ist der neuseeländische Riesenvogel. Der Moa, war, bevor der Mensch die Insel erobert hat, eigentlich der größte Pflanzenfresser, und der hatte einen langen Hals. Bis zu drei Meter konnten die groß werden, und der hatte natürlich immer eine Vorliebe für weiches, schmackhaftes Laub. Und um sich dessen Blicken zu entziehen, hat eben dieser Schößling diese braunen Blätter. Jetzt geht es aber noch weiter. Das heißt, die Pflanze wächst und wächst, und ab einer gewissen Größe werden die Blätter immer härter, immer steifer, und sie haben am Rand dann richtig scharfe Dornen dran. Also so Rand-Stacheln an den Blättern und weisen nach unten, und es hat folgende Bewandtnis: Der Vogel hat ja einen langen Hals, und wenn er natürlich versucht, dann die Blätter zu fressen, dann rammt er sich permanent diese Stacheln und diese Dornen dort ins Gesicht und nimmt dann Abstand davon. Aber sobald dann dieser Schößling die drei Meter Halslänge überwachsen hat, dann ändert er komplett seine Gestalt, bildet ganz schönes, weiches saftiges Laub aus, grasgrün, überhaupt nicht mehr getarnt, weil dann ist ja die Schwelle überschritten, wo ihm der Moa was anhaben kann. 

Iska Schreglmann

Wahnsinn, wie trickreich, was für eine schlaue Art, einem Feind zu entkommen. Und wenn ich so überlege, uns Menschen stehen da ja vergleichsweise wenig bis gar keine Tricks zur Verfügung. Verwandeln können wir uns nur im Roman bei Franz Kafka in einen Käfer. 

Dr Thassilo Fanke

Genau so ist es, so ist es.

Iska Schreglmann

Vielen Dank an Sie, Herr Dr. Franke, für diese tollen Metamorphosen-Geschichten aus der Natur. Und ich würde vorschlagen, wir waten jetzt aus diesem etwas überschwemmten Naturparadies im Münchner Norden zurück auf trockenem Boden. 

Dr Thassilo Franke

Ja, nächstes Wochenende wate ich genau hier wieder rein, weil ich natürlich wissen will, ob die Frösche bis dahin angefangen haben, ihren Laich hier abzulegen. 

Iska Schreglmann

Na, dann viel Glück!

Dr Thassilo Franke

Danke, vielen Dank.



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 March 15, 2024  29m