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Kiebitz - Rettung für den bedrohten Wiesenbrüter?


Kiebitze zählten einst zu den häufigsten Wiesenbrütern in Deutschland. Doch ihre Bestände gehen rasant zurück. Vogelschützer wollen jetzt in einem ?Kiebitz-Projekt? das Überleben des Wiesenbrüters sichern. Von Werner Bader

Credits
Autor dieser Folge: Werner Bader
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Rahel Comtesse, Werner Härtl
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Yvonne Maier

Im Interview:
Christina Niegl, Biologin, Landschaftspflegeverband Aichach-Friedberg
Stefan Haas, Landwirt (Mühlhausen) 
Jan Skorupa, Biologe, Landesbund für Vogelschutz
Anton Burnhauser, Biologe, Höhere Naturschutzbehörde, Regierung von Schwaben 

Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Philipps Playlist
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Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

SPRECHER: 

Ortstermin im Lechhauser Moos, nördlich von Augsburg. Auf den  moorigen Ackerböden bei Mühlhausen, umgeben von Siedlungen, Autobahn, Flughafen, Auwald und Straßen, begeben wir uns Ende Februar auf die Suche nach den ersten Kiebitzen des Jahres. Biologin Christina Niegl weiß, wo sich die Kiebitze bevorzugt niederlassen und steuert einen Acker an. Einen Acker mit dunklem, moorigem Boden und Pfützen.  

ZSP 2

„Ich habe heute tatsächlich schon die ersten Kiebitze im Landkreis beobachten können. 56 an der Zahl, und ja, da war dann ein Riesen-Schwarm über mir, und dann haben sie sich an einem bekannten Brutplatz niedergelassen. Um zu rasten, und um Nahrung zu suchen. Man kann jetzt nicht genau sagen, ob das jetzt die Kiebitze sind, die später hier auch brüten werden. Kann auch sein, dass das die Durchzügler sind, weil es einfach noch die Durchzugszeit ist und die sich so ein bisschen sortieren.“ 0‘30‘‘ 

ATMO Kiebitz

SPRECHERIN: 

Viele Kiebitze fliegen bei der Rückkehr aus ihren Überwinterungs-gebieten in Frankreich oder Spanien von hier aus weiter in den Norden. Erst im März treffen die Kiebitze ein, die schon im Vorjahr auf diesem Acker gebrütet haben. Kiebitze sind standorttreu, meist kehren die Zugvögel zu ihren angestammten Brutplätzen zurück. Die hat Christina Niegl auf einer Karte vor sich. Für den Landschaftspflegeverband betreut sie 13 Kiebitz-Brutgebiete, mit insgesamt 2.500 Hektar. Wenn die Kiebitze dann da sind und zu brüten beginnen, kommt viel Arbeit auf sie zu.

Musik 2: 10 Midi 

SPRECHER: 

Manche Äcker und Wiesen werden jedes Jahr von Kiebitzen als Brutplatz genutzt, manche nur jedes zweite Jahr, sagt die Biologin, je nachdem, was darauf angebaut wird. Wird ein Maisacker im nächsten Jahr zum Getreideacker, dann brüten die Kiebitze nicht darauf, denn in Getreidefeldern finden sie keine Deckung. In diesem Jahr will Landwirt Stefan Haas auf seinem Acker Mais anbauen. Ihm gehört der moorige Acker. Und er kennt die Brutplätze. Denn Landwirt Haas nimmt, wie eine ganze Handvoll Landwirte im Landkreis Aichach-Friedberg, am Wiesenbrüter-Schutzprogramm teil. 

ZSP 3  „Der Kiebitz ist halt hier bei uns, hat sich auf meiner Fläche niedergelassen, und brütet hier. Ich find das eine tolle Sache. Die Fläche teilen wir uns, sagen wir mal so. Er kriegt einen Teil, ich krieg einen Teil. Es ist ja nicht so viel, was da jetzt nicht bewirtschaftet werden kann, das ist ja nur eine kleine Prozentzahl. Und von dem her habe ich kein Problem damit.“ 0‘17‘‘ 

SPRECHERIN: 

Und dafür bekommt der Landwirt einen finanziellen Ausgleich. Mitte März jeden Jahres startet das Wiesenbrüter-Projekt. Noch vor dem 20.März, wenn die ersten Kiebitz-Gelege in den Äckern sind, identifiziert Christina Niegl die Standorte der Brutpaare. Dann werden die Gelege mit einer Stange mit Fähnchen markiert, der Landwirt wird die so genannte Linse, 3 Meter breit und bis zu 16 Meter lang, beim Ackern umfahren, damit das Kiebitz-Weibchen bis zu 25 Tage ungestört brüten kann. 

Musik 3: Glockenturm – siehe vorn – 1:03 Min

SPRECHER: 

Kiebitz-Nester sind offene Gelege mitten im Acker. In eine Bodenmulde legt das Kiebitz-Weibchen in der Regel 4 Eier. Die sind oliv-braun gefärbt, mit schwarzen Punkten gesprenkelt. Also perfekt getarnt. In den dunklen Ackerböden werden die Eier selbst von Fachleuten leicht übersehen. Mit etwas Übung entdeckt man in einem Acker viel eher das brütende Kiebitz-Weibchen auf dem Nest.  

SPRECHERIN: 

Auch wegen der abstehenden „Federholle“ auf ihrem schwarz-weißen Kopf, die so charakteristisch ist für die etwa taubengroßen Vögel. Bei den Männchen ist die Federholle zur Brutzeit etwas ausgeprägter, etwas länger. Männliche Kiebitze haben eine komplett schwarz gefärbte Brust, während bei Weibchen dort auch weiße Federn eingestreut sind. Das Gefieder der Kiebitze ist ansonsten kontrastreich, mit metallisch glänzender schwarzer Oberseite und weißer Unterseite. Daran kann man Kiebitze gut erkennen. Und an ihrem Ruf. Denn Kiebitze rufen ihren Namen: „Kie-Witt“. 

ATMO Kiebitz

Musik 4: Glockenturm – siehe vorn – 49 Sek

SPRECHER: 

Zur Balzzeit steigen die Kiebitz-Männchen in die Luft und machen kuriose Flugmanöver, mit denen sie auch ihre Nester verteidigen, sagt Jan Skorupa vom Landesbund für Vogelschutz. Damit machen sie auf sich aufmerksam und signalisieren den Kiebitz-Weibchen, hier hat ein Männchen einen Brutplatz, den es beanspruchen möchte. 

ZSP 4  „Die drehen sich teilweise ganz spontan in der Luft und das sieht dann manchmal von außen so aus, als würden sie gezielte Abstürze in den Flug einbauen. Und was auch dabei auffällig ist, ist einmal der Ruf. Die haben auch eine Art von Gesang. Und sie erzeugen dabei mit ihren Flügeln so ein spezielles Geräusch, so eine Art Wummern. Und das ist dann relativ auffällig, wenn die da ihre Pirouetten drehen und ihre spektakulären Flugmanöver vollziehen.“ 0‘35‘‘ 

SPRECHERIN: 

Kiebitz-Paare sind saisonal monogam, aber manchmal brüten sie auch im nächsten Jahr gemeinsam. Bis zu 24 Jahre alt können Kiebitze werden. Ein Kiebitz kann sich aber auch mit mehreren Weibchen paaren und brüten.  Zur besseren Verteidigung ihrer Nester brüten Kiebitze gemeinsam in kleineren Kolonien. Und auf offenen Ackerflächen, so können sie herannahende Feinde schneller erkennen und ihr Nest verteidigen. Dennoch werden sehr viele Nester geplündert, die Sterblichkeit ist hoch.

ZSP 5  Skorupa: „Ein Großteil der Gelege, der geht an den Fuchs verloren. Es sind natürlich auch Marder, oder auch Hermeline oder so. Es gibt durchaus auch Gelege-Prädation durch Igel. Wenn der so ein Nest findet, nimmt er das auch gerne mit. Ansonsten ist auch Bedrohung durch die Luft vorhanden. Das wird insbesondere dann für die Küken relevant. Bussarde, mitunter auch Turmfalken, und Rabenkrähen gehen durchaus auch auf die Küken. Wenn sich da eine günstige Gelegenheit bietet.“ 0‘32‘‘ 

ATMO Kiebitz

SPRECHER: 

Nach 21 bis 28 Tagen schlüpfen die Küken, schon ab einem Alter von 35 bis 40 Tagen können sie fliegen. Das Schlüpfen aus dem Ei ist Schwerstarbeit für die Jungvögel, es dauert meist zwei ganze Tage, bis sie sich aus der Eischale befreit haben. Die flauschigen Küken, auch „Pullis“ genannt, sind Nestflüchter und suchen bald selbständig nach Nahrung. Biologe Jan Skorupa:  

ZSP 6 Skorupa: „Das heißt aber nicht, dass die Altvögel da keine Rolle mehr spielen, weil die Altvögel durchaus die Küken überwachen und vor Feinden warnen. Und ihnen gleichzeitig Signale geben, wann sie sich vor Feinden ducken und verstecken müssen. Sie hudern, das heißt, dass sie sich wärmend auf die Küken setzen und sie damit vor dem Auskühlen schützen. Weil das Federkleid der jungen Vögel, das isoliert noch nicht so gut und die kühlen vergleichsweise schnell aus. Und außerdem führen die Eltern zu entsprechend geeigneten Futterplätzen.“  0‘35‘‘

SPRECHERIN: 

Und damit beginnt eine aufregende Zeit für die Kiebitz-Familie. Die Jungen brauchen Nahrung, die finden sie auf feuchten Böden, auch in nassen Gräben. Dort gibt es Würmer, Käfer, Insekten. Und jetzt brauchen sie auch Deckung, am besten in einer Wiese. Immer auf der Hut vor Fuchs und Co und Greifvögeln am Himmel. Viele Kiebitz-Junge überleben diese Phase ihres Lebens nicht, manchmal ist auch der gesamte Nachwuchs weg. 

SPRECHER: 

In solchen Fällen beginnen die Kiebitze ein so genanntes Nachgelege. Bis zu zwei Mal schaffen sie das, wobei die vitalsten Küken diejenigen sind, die beim ersten Gelege geschlüpft sind. Wenn dann ein Küken bis zum Sommer überlebt, ist das schon ein Erfolg, ein Schnitt von 0,8 oder 0,9 flüggen Jungvögeln pro Brutpaar und Jahr ist nötig, sagen die Experten, um den Bestand stabil zu halten. Denn gezählt wird pro Saison, in dem ein Kiebitz-Paar ein Gelege und bis zu 2 Nachgelege anlegen kann. 

Musik 5: Start from Innocence 

SPRECHERIN: 

Und das hat über Jahrhunderte hervorragend geklappt – mehr noch, in der Vergangenheit hatten sich die Kiebitze zu Allerweltsvögeln auch hier in Deutschland entwickelt. Kiebitze gab es in Massen, wer hätte schon darüber nachgedacht, dass Kiebitz-Bestände hierzulande eines Tages massiv einbrechen? Mittlerweile gilt ihre Art in Europa als gefährdet, in Deutschland als stark gefährdet. Wie konnte das passieren? Das fragte sich auch der Biologe Anton Burnhauser. Er betreibt im Donauried seit gut 40 Jahren Wiesenbrüterschutz, im Auftrag der Höheren Naturschutzbehörde, die Regierung von Schwaben, und beschreibt die Situation so: 

ZSP 7  Burnhauser: „Mit einem Satz: Es ist ein dramatischer Rückgang. Es ist fast ein Absturz. Und wenn ich jetzt zurückdenke, an die Zeit, wo es noch Flächenstilllegungen in den Agrar-Umweltprogrammen gab, zum Beispiel 2005, da kann ich mich an eine Fläche erinnern, hier im Donauried, ungefähr 25 Hektar, da waren 25 Kiebitz-Paare drauf. Auf dieser Stilllegungsfläche. Also, da waren noch so viele Kiebitze da, wir haben die nicht gezählt, muss ich ganz ehrlich sagen. Und wir sind ein bissl auf dem falschen Fuß erwischt worden, weil es so dramatisch und so schnell ging.“ 0‘37‘‘ 

SPRECHER: 

Vor 20 Jahren also waren Kiebitze auch hier noch massenhaft verbreitet und heute, da sind sie stark gefährdet! Dabei ist das Aislinger Ried an der Donau, unweit der Kühltürme des stillgelegten AKW Gundremmingen, seit Menschengedenken ein „Hotspot“ für Bodenbrüter wie den Kiebitz. In seinem moorigen Kern staut sich das Wasser, es gibt ein dichtes Grabennetz, eine kleinteilige Flur und eine sehr offene Landschaft. All das, was Bodenbrüter wie der Kiebitz brauchen. Verschwunden sind aber die vielen Wiesen, die es hier einmal gab. Und der Fest-Mist aus den Kuhställen. Weil kaum mehr Milchkühe gehalten werden. Festmist ist wichtig, er zieht Würmer, Käfer und Insekten an. Alles Nahrung für Kiebitze, die jetzt fehlt. 

ATMO Traktor + 

Musik 6 Stealth bells 

SPRECHERIN: 

Etwa zur Mitte der 1990er Jahre gab es einen Intensivierungsschub in der Landwirtschaft. Immer größere Maschinen fahren seither durch das moorige Ried, feuchte Wiesen wurden und werden zu großflächigen Maisäckern umgepflügt. Plötzlich gibt es Dünger und Pestizide, wo es vorher keine gab. Schädlich, oft tödlich für die Brutnester der Kiebitze und anderer Wiesenbrüter. Der Brachvogel ist bereits aus dem Aislinger Ried verschwunden. Und die Kiebitze? Die tun sich schwer, sagt Anton Burnhauser. Denn eigentlich waren Kiebitze auf Feuchtwiesen spezialisiert, seit es die kaum mehr gibt, weichen sie auf Ackerflächen zum Brüten aus. Damit sei der Kiebitz als eine Art „Kulturfolger“ in Richtung Acker in eine für ihn sehr bedrohliche Situation geraten. 

ZSP 8  Burnhauser: „Weil früher, wo Rüben und Mais noch mit der Hand gehackt worden sind, da ist dem Nest natürlich nichts passiert. Heute geht alles maschinell, da kann er nicht mehr leben. Er hat sich auf den Lebensraum spezialisiert. Und wenn durch die Bodenbearbeitung die Gelege alle verschwinden, oder auch die Küken, dann kann er nicht überleben, und das ist sicher ein Grund, warum er so drastisch zurückgegangen ist. 85 Prozent in vierzig Jahren, das ist schon dramatisch! 0‘28‘‘ 

SPRECHER: 

Und sehr beunruhigend für Naturschützer wie Anton Burnhauser. Für ihn war bald klar, dass man den Kiebitz fortan dort schützen muss, wo er jetzt brütet, nämlich auf dem Acker. Also änderten Burnhauser und seine Kollegen ihre Maßnahmen zum Schutz der Wiesenbrüter. Die bisherigen Agrar-Umweltprogramme, die Flächenankäufe, ja, sogar die Umsetzung eines gesamt-ökologischen Gutachtens für das Donauried hatten den dramatischen Rückgang der Wiesenbrüter, insbesondere des Kiebitzes nicht stoppen können. 

Musik 7: Infinite – 1:49 Min

SPRECHERIN: 

2013 wurde ein „Kiebitz-Soforthilfe-Programm“ gestartet. Zwei Jahre später wurde es erweitert zum Biodiversität- und Artenhilfsprogramm „Wiesenbrüter-Brutplatz-Management Schwaben“. In enger Zusammenarbeit mit den Landwirten. Das alles war Neuland für den Naturschutz. Was könnte den Kiebitzen helfen? Viele Maßnahmen wurden diskutiert, einige ausprobiert, so Kiebitz-Experte Burnhauser. Mittlerweile habe man im Aislinger Ried mit den neuen Methoden einige Erfahrungen gesammelt, die Mut machen. 

SPRECHER: 

Um den Kiebitzen wieder günstige Bedingungen für ihre Gelege und die Aufzucht ihrer Jungen zu schaffen, hatten sich die Experten auf insgesamt 4 Maßnahmen geeinigt. Drei davon haben sich bewährt, berichtet Anton Burnhauser. Etwa die verspätete Aussaat von Mais, erst ab dem 20.Mai. So bleibt den Kiebitzen genügend Zeit, auf einem bis dahin offenen Acker ihrer erste, vielleicht sogar ihre zweite Brut anzulegen. Denn bis dahin wächst kaum etwas auf dem Acker, das Kiebitz-Nest mit den Eiern liegt offen da. So können es die Brutvögel besser gegen Feinde verteidigen. 

SPRECHERIN: 

Eine weitere Maßnahme: Nasse Mulden zwischen Maisäckern und Wiesen werden ab Mitte März bis Ende Juni nicht bewirtschaftet. Denn sobald die Jungen auf dem Maisacker aus ihren Eiern geschlüpft sind, führen die Kiebitz-Paare sie dort zusammen. Auch dadurch können sie Feinde wirkungsvoll abwehren und gleichzeitig Nahrung am Gewässer finden. 

ZSP 9 : Burnhauser: „Solche eher feuchten Wiesen sind für den Kiebitz ganz wichtig. Weil hier Regenwurmnahrung da ist und dann auch Insekten. Aber rechts grenzt der Acker an. Und in der Furche, die wird immer wieder ein bisschen ausgeackert auch, das steht ganz schnell das Wasser. Und das ist entscheidend. Das sind jetzt 300 Meter, wo der Kiebitz eine Futterquelle hat. Und das sind so kleine Elemente in der Landschaft, die man gern übersieht. Aber für den Kiebitz sind sie entscheidend.“ 0‘29‘‘

SPRECHER: 

Vor allem vielfältige Strukturen in der Landschaft helfen den Kiebitzen weiter. Und hier müssen Landwirte umdenken, die im Herbst Bewuchs auf dem Acker lassen und diesen dann zur Düngung einpflügen, also mulchen. Solche Flächen sind in der Regel ungeeignet für brütende Kiebitze. Dicht wie ein Sportrasen, ohne Struktur. Mit geringem Aufwand aber ließe sich auf ihnen ein regelrechtes „Bett“ für die Kiebitze bereiten. 

ZSP 10 : Burnhauser: „Wenn man das jetzt zubereitet. Also ein Landwirt, der das versteht, dass der das klein macht, zum Beispiel mit der Sternwalze. Auf der gleichen Fläche drei Mal herumfährt, und ein paar Kurven rein macht, das ein Landwirt nie freiwillig machen würde, dann hätte er für den Kiebitz ein „Bett“ bereitet. Weil dann geht der nämlich rein. Da hat er nämlich Beides: ein Muster und er hat Deckung und Übersicht.“ 0‘27‘‘ 

SPRECHERIN: 

Gute und unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Landwirten vor Ort sei entscheidend für den Erfolg beim Schutz der Kiebitze, sagt Anton Burnhauser. Die Verträge mit ihnen hat er selbst entworfen. Sie sind knapp und präzise gehalten, die Landwirte verpflichten sich für Maßnahmen in einem begrenzten Zeitraum innerhalb der Saison und werden, so sagt er, „anständig“ dafür bezahlt. Gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung seien wichtig. Viele Landwirte reagierten mittlerweile erfreut, wenn er ihnen berichtet, dass auf einer ihrer Flächen ein schützenswertes Kiebitz-Gelege ist. Sie helfen mit und freuen sich über jeden Bruterfolg. 

ATMO Wiese + zwei Kiebitze

SPRECHER: 

Und so wurden und werden im Wiesenbrüter-Gebiet Aislinger Ried auch steile Ufer an Bächen und Gräben abgeflacht, damit die Kiebitz-Jungen ungefährdet ans Wasser kommen. Auf einer neu ausgewiesenen Fläche wurde der Lebensraum für den Kiebitz nach und nach optimiert. Dort wurde eine Kies-Abbaufläche rekultiviert, ein kleiner See entstand. Auf den Wiesen wurden Mulden ins Erdreich gegraben, der Humus weitflächig abgeräumt und zum Roh-Boden für den Kiebitz gemacht. Eine Weidehaltung mit Rindern wurde etabliert, jetzt gibt es dort Dung und damit Nahrung für die Kiebitze. Letztendlich führte hier ein Bündel an Maßnahmen zum Erfolg: 

ZSP 11 : Burnhauser: „Die Schilfflächen werden so immer Wiesenbrüter-tauglich gemäht, man lässt immer einen kleinen Bereich für Kleinvögel. Aber der Kiebitz mags übersichtlich. Und das ist wunderbar, wenn man hier beobachten kann, wie die Altvögel ihre Jungvögel verteidigen, wenn zum Beispiel die Rohrweihen kommen, oder Milane. Das ist phantastisch. Und wir haben jedes Jahr hier einen deutlichen Bruterfolg. Da kann ich schon sagen, die Sache hat etwas gebracht.“ 0‘27‘‘

Musik 8: Glockenturm – siehe vorne  - 33 Sek + 

Atmo Dorf

SPRECHERIN: 

Schauen wir noch einmal zurück ins Lechhauser Moos zu Christina Niegl. Die Biologin vom Landschaftspflegeverband Aichach-Friedberg, einer der Projektträger im schwäbischen Wiesenbrüter-Brutplatzmanagement, hat inzwischen mit Landwirt Stefan Haas genau besprochen, wo sie demnächst auf seinem Maisacker Brutnester von Kiebitzen erwartet und an welchen Stellen sie diese markieren wird. Etwa 50 Brutpaare zählt sie in einer Saison, also 100 Kiebitze in ihrem Gebiet. Wenn, wie sie hofft, möglichst alle Kiebitze vom Vorjahr an ihre angestammten Brutplätze im Lechhauser Moos zurückkehren. 

SPRECHER: 

Denn auf dem Zug in den warmen Süden und zurück sind Kiebitze

vielen Gefahren ausgesetzt. Noch immer dürfen sie in einigen Ländern Europas gejagt werden, pro Jahr werden mehr als 100.000 Kiebitze erlegt. Und das, obwohl Kiebitze in ganz Europa als gefährdet gelten und sich die Bestände seit 1980 mehr als halbiert haben! Weltweit steht der Kiebitz auf der Vorwarnliste bedrohter Vogelarten. 

SPRECHERIN: 

In Deutschland stehen die Kiebitze in manchen Regionen kurz vor dem Aussterben, gerade in Süddeutschland ist ihr Rückgang besonders dramatisch. Und dennoch sind Christina Niegl und Anton Burnhauser  optimistisch, dass es in Bayerisch-Schwaben mit den Kiebitz-Beständen bald schon wieder aufwärts gehen könnte. Das aber hänge von einer Reihe von Faktoren ab, und davon, welche Weichen Politik und Gesellschaft jetzt und in naher Zukunft beim Natur- und Artenschutz stellen, sagt Christina Niegl. 

ZSP 12 : Niegl: „Flächenfraß, Zerschneidung der Landschaft, wie unsere Agrarpolitik auch weiter sich aufstellt, wie sie die Landwirte fördert. Da sind wir nur ein kleines Rädchen in einem großen Prozess. Man kann nur hoffen, dass da alle in die richtige Richtung gehen und man auch sich überlegt, welche Flächen müssen wir tatsächlich versiegeln, wo müssen wir tatsächlich neue Straßen bauen, das sind alles solche Themen.“ 0‘25‘‘

ATMO ZSP 1 + 

Musik 9: Glockenturm – siehe vorn – 1:18 Min

SPRECHER: 

Und die Kiebitze? Sie sind eine von vielen Arten in unserem Ökosystem, die seit Jahrzehnten unter großem Druck stehen oder gleich ganz aus unseren Landschaften verschwinden. Schon lange warnen Experten, dass Raubbau an der Natur und das Artensterben letztendlich die Zukunft der Menschheit bedrohen. Zerstörte Lebensgrundlagen wieder herzustellen oder adäquat zu ersetzen, das zeigen die Anstrengungen zum Erhalt der Kiebitze in Schwaben, ist aufwändig und mühsam. Zum Glück haben die Wiesenbrüter mittlerweile Beschützer wie Christina Niegl. Sie zählt den Kiebitz zu ihren Lieblingsvögeln: 

ZSP 13 : Niegl: „Vermutlich weil ich ihn seit fünf Jahren übers Brutgeschäft betreue und viele Verhaltensweisen kenne. Und weil er halt ein wunderschön anmutiger Vogel ist. Mit seiner Haartolle, und seinem grün schimmernden Gefieder und seinen paddelförmigen Flügeln ist er einfach ein außergewöhnlicher Vogel bei uns in der Landschaft, den man so selten sieht.“ 0‘22‘



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 March 20, 2024  23m