Alles Geschichte - History von radioWissen

Wir beleuchten die Zusammenhänge zwischen gestern und heute und erzählen einfach gute Geschichten. Ein History-Podcast von radioWissen.

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ARKTIS - Die Suche nach der Franklin-Expedition


Expedition in die Arktis: Im Jahr 1845 soll Sir John Franklin einen Seeweg durch das Polarmeer nach Asien finden. Unter seinem Kommando: die Schiffe HMS Erebus und die HMS Terror. An Bord: 129 Seeleute und Proviant für mehrere Jahre. Doch bald fehlt von der Expedition jede Spur - Was war geschehen? Erste Suchtrupps machen sich auf, um das Schicksal der Expedition zu klären. Bald finden sich erste Spuren, Gerüchte machen die Runde. Von Georg Florian Ulrich (BR 2024)

Credits
Autor: Georg Florian Ulrich
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Stefan Wilkening, Katja Amberger, Andreas Neumann, Frank Manhold, Sabine Kienhöfer
Technik: Michael Krogmann
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Prof. Roger Byard

Linktipps:

SWR (2024): Expedition in die Arktis

Das "ewige Eis" in der Arktis schwindet. Welche Folgen hat das für unser Klima und unsere Zukunft? MOSAiC - die größte Arktis-Expedition aller Zeiten - soll genau das klären. Ein ganzes Jahr ließ sich eine internationale Crew von Wissenschaftler*innen mit dem Forschungseisbrecher "Polarstern" im Meereis nahe dem Nordpol einfrieren. Eine Expedition der Extreme begann: zwischen Eisbärangriffen, in monatelanger Dunkelheit und bei Temperaturen weit unter null Grad. Die gewonnenen Klimadaten vom Nordpol sollen jetzt helfen, die Prognosemodelle für den Klimawandel zu verbessern. JETZT ANSEHEN

Deutschlandfunk (2005): Die Heldenmacher

Vor 175 Jahren wurde die Royal Geographical Society gegründet. Tausende Expeditionen hat sie seither betreut: Von der tragisch endenden Suche John Franklins 1854, einen Weg durch das nördliche Eismeer, westwärts bis nach Indien zu finden bis zur erfolgreichen Erstbesteigung des Mont Everest im Jahr 1953. Inzwischen hat die altehrwürdige Gesellschaft ihr Herz für Anfänger entdeckt: Sie unterhält ein Expeditionsberatungszentrum. ZUM BEITRAG


Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?

DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.

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Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:

TC 00:15 – Intro
TC 01:56 – Keine Kosten und Mühen gescheut
TC 06:58 – Die Suche nach Lebenszeichen
TC 11:40 – Eine Witwe gibt nicht auf
TC 16:42 – Forschung nach Todesursachen
TC 21:00 – Durchbruch
TC 23:06 – Outro

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

TC 00:15 - Intro

Musik & Atmo alte Stadt

Sprecher:
London, 1848. Seit mehr als drei Jahren gibt es keine Neuigkeiten von den beiden Schiffen. Kein Brief, keine Nachricht von der HMS Erebus und der HMS Terror erreicht die Admiralität in London. Niemand hat die zwei Schiffe gesehen, die ins arktische Eismeer gesegelt sind. Die Unruhe in der Admiralität wächst. Dabei hatte die Leitung der Royal Navy große Hoffnungen in die Expedition gesetzt – und eine Menge Geld. Man entschließt sich zu handeln.

Zitator: (Ausrufer/Steckbrief)
„20.000 Pfund Belohnung für jeden, der Hinweise zur Auffindung der Schiffe unter dem Kommando von Sir John Franklin geben kann!“

Atmo Polarwind

Sprecher:
Eine Suchaktion von weltumspannenden Ausmaßen beginnt: Während ein Schiff von Großbritannien aus Kurs auf Grönland nimmt, fährt ein anderes die Küste im Norden von Alaska ab. Immer Ausschau haltend nach den beiden Schiffen der Franklin-Expedition. Gleichzeitig bahnt sich ein Suchtrupp im äußersten Norden Kanadas über Land einen Weg gen Norden, hin zu den Eisfeldern der Arktis. Irgendwo in dieser riesigen Region müssen sie abgeblieben sein. Drei Jahre zuvor, im Jahr 1845, hatten sie sich aufgemacht.

Sprecherin:
Ziel der Expedition: Die Nordwestpassage. Der erhoffte, aber bislang unentdeckte Seeweg von Europa nach Asien durch das arktische Meer.
Wenn es eine solche Passage gäbe! Für die britische Seefahrt wäre es ein Riesengewinn.

TC 01:56 – Keine Kosten und Mühen gescheut

Sprecher:
Will ein britischer Händler Anfang des 19. Jh. Ware aus Asien importieren, etwa Porzellan aus China, muss er an die 24.000 Kilometer Seeweg zurücklegen. Erst ganz Afrika umschiffen, den sturmgepeitschten indischen Ozean durchqueren, schließlich durch die Straße von Malakka, in der Piraten lauern. Erst dann kann er in China vor Anker gehen. Und auf dem Rückweg das Gleiche noch einmal.

Musik

Sprecherin:
Die Nordwestpassage verspricht die Möglichkeit, all diese Gefahren zu umgehen. Und natürlich: Schneller wäre die Route auch: 8000km Umweg ließen sich so sparen. Wenn man sie denn findet: Denn bislang ist die Gegend zwischen Grönland und dem nördlichen Kanada ein weißer Fleck auf der Landkarte. Zu widrig waren die eisigen Temperaturen für die Entdecker des 17. Und 18. Jahrhunderts.

Sprecher:
Doch seit den Tagen der ersten Entdeckungsreisen in die Arktis hat sich das technische und geographische Verständnis der Briten enorm verbessert.

Musik

Die Industrielle Revolution ist in vollem Gang: In Großbritannien fahren bereits regelmäßig Eisenbahnen, neue Erfindungen wie die Konservendose oder die Nutzung der Elektrizität beginnen das Leben der Menschen zu verändern. Mit diesen technischen Errungenschaften, ist man sich sicher, auch den harten Bedingungen der Arktis trotzen zu können.

Sprecherin:
Deshalb hatte sich die Admiralität in London entschieden, zwei Schiffe auf eine Expedition in die Arktis zu schicken. Sie sollen endlich die Nordwestpassage finden. Die Wahl fällt auf die HMS Erebus und
HMS Terror. Bombardenschiffe, sie sind schwer gepanzert – wie geschaffen, um Packeis zu durchbrechen. Bereits 1839 haben sie sich bei Expeditionen in die Antarktis bewährt.

Atmo Fabrik im Dampfzeitalter

Für die Expedition werden keine Kosten und Mühen gescheut. Die Schiffe werden generalüberholt, die schon dicken Rümpfe zusätzlich mit Eisenplatten verstärkt. Zwei neuartige Dampfmaschinen werden verbaut, um den Schiffen zusätzlichen Antrieb zu liefern. Möglich macht das die Schiffschraube, die erst wenige Jahre zuvor erfunden wurde.

Sprecher:
Die Dampfmaschinen versorgen zudem eine Zentralheizung, die trotz arktischem Wetter für angenehme Wärme an Bord sorgen soll. Auch für reichlich Proviant ist gesorgt.

Zitator: (begeisterter Reporter)
Die Vorkehrungen, die für den Komfort der Offiziere und der Besatzung getroffen wurden, sind ausgezeichnet: Die an Bord genommenen Vorräte sind beträchtlich und bestehen aus Konserven, einer großen Menge Tee und extra starkem westindischen Rum.

Sprecherin:
Dazu kommen 7 Tonnen frisch abgekochtes Fleisch, verpackt in den neuen, modernen Konservendosen, 14 Tonnen Salzfleisch, 4740 kg Kartoffel- und Gemüsekonserven und 4200 Liter Zitronensaft. Er soll gegen Skorbut helfen, die gefürchtete Seefahrer-Krankheit. Sogar eine beträchtliche Bibliothek mit mehr als 1000 Büchern wird an Bord genommen. Einer mehrjährigen Expedition in die Arktis steht nichts mehr im Wege.

Musik

Sprecher:
Für Das Oberkommando wird schließlich Sir John Franklin auserkoren. Er ist zu diesem Zeitpunkt fast 60 Jahre alt, seine letzte Arktisexpedition fast 20 Jahre her. Manche Zeitgenossen äußern Bedenken wegen seines Gesundheitszustands. Dennoch soll diese Expedition das Glanzstück werden, das Franklins Karriere abschließt. Zudem stehen ihm erfahrene Männer zur Seite: Unter seinem Kommando steht auch Captain Francis Crozier, der bereits in der Antarktis mit der Terror unterwegs war.

Sprecherin:
Dann endlich! Mai 1845: Unter großem Beifall legen die Schiffe ab. Sie stechen unter guten Vorzeichen in See, die Besatzung ist optimistisch.

ATMO knarzendes Segelboot, See

Vor der Küste Grönlands werden die letzten Vorräte an Bord genommen, dann machen sich die Schiffe auf ins Eis – in bisher unbekannte Gefilde.

Musik

Sprecher:
Auf ihrem Weg in den Lancastersund begegnen sie zwei Walfängern. Man besucht sich gegenseitig, tauscht Informationen aus. Es ist das letzte Mal, dass die beiden Schiffe von anderen Seeleuten gesehen werden.

Atmo/Musik hoch

Sprecherin:
Es vergeht ein Jahr ohne jegliche Nachricht von der Expedition. Dann noch eins. Schließlich ein drittes.

Sprecher:
Über Jahre nichts von einer Expedition in die Arktis zu hören, ist in dieser Zeit erstmal nicht ungewöhnlich. Die Expedition von James Clark Ross zum Beispiel saß vier Jahre im Eis fest. Sie ernährten sich von ihrem Proviant und Robbenfleisch, bis auf drei Seeleute kehrten alle wohlbehalten zurück. Doch Franklins Mannschaft ist deutlich größer, seine Vorräte nur für zwei, maximal drei Jahre ausgelegt.
 
TC 06:58 – Die Suche nach Lebenszeichen

Sprecherin:
Nachdem dann auch im dritten Jahr von der Expedition keinerlei Nachricht eintrifft, wird die Admiralität nervös. Wo sind die HMS Erebus und Terror? 1848 beginnt die Suche nach den verlorenen Schiffen. Drei Suchexpeditionen werden losgeschickt - erfolglos. Keine Spur findet sich von den beiden Schiffen. Die Lage ist ernst. Mit jedem Monat, der vergeht, sinken die Chancen, Franklin und seine Leute lebend zu finden.

Sprecher:
Im Jahr darauf werden ganze 14 Expeditionen ausgestattet. Die beiden Schiffe müssen doch irgendwo zu finden sein! Dass die Rettungsaktion so umfangreich ausfällt, liegt auch an der Ehefrau von John Franklin, Lady Jane. Sie nutzt ihren öffentlichen Einfluss, um Druck auf die Admiralität auszuüben.

Atmo Wind

Sprecherin:
Endlich finden sich erste Zeichen der Expedition. Doch sie geben eine düstere Vorahnung, auf das, was kommt. Auf Beechey Island, einer kleinen Insel am Lancastersund, findet man die Überreste eines Winterlagers. Und: Drei Gräber. Die Namen auf den Grabsteinen sind gut lesbar.

Zitator:
John Torrington, 20 Jahre. William Braine, 32 Jahre. John Hartnell, 25 Jahre.

Sprecherin:
Besatzungsmitglieder der Franklin-Expedition. Alle drei gestorben im Jahr 1846, beerdigt hier auf Beechey Island. Die Erebus und Terror müssen hier Station gemacht haben. Woran starben sie? Gab es eine Krankheit an Bord? Die Insel wird genauestens untersucht, doch außer leeren Konservendosen und anderem Abfall findet sich nichts. Kein Logbuch, keine Nachricht wurde hinterlassen. Die Suche läuft weiter.

Sprecher:
Inzwischen erhitzen sich in London die Gemüter: ein Schuldiger wird ausgemacht. Der jüdische Kaufmann Stephan Goldner. Er hatte die Expedition mit Konservendosen versorgt. In nur 7 Wochen hatte Goldner den Großauftrag bewältigt. Jetzt häufen sich Vorwürfe, die Konserven seien von minderwertiger Qualität gewesen. Ging die Franklin-Expedition mit verdorbenem Proviant auf Reisen? Verhungerten die Seeleute trotz voller Vorratsschränke? Ein Bericht in der Times legt das nahe. Der Vorwurf ist haltlos, wie sich bald herausstellt. Eine offizielle Untersuchung spricht Goldner frei, doch sein Ruf ist ruiniert.

Musik

Sprecherin:
Bei der Suche in der Arktis geraten inzwischen die Suchtrupps selbst in Not. Mehrere Schiffe bleiben im Eis stecken. Es dauert mehrere Jahre, bis die Expeditionen zurückkehren. Tatsächlich leisten sie mit ihren Reisen wichtige Beitrag zur Erkundung der Arktis. Aber außer den Gräbern auf Beechey Island können sie keine Hinweise über Franklins Schicksal liefern.

Sprecher:
Dennoch - die Hoffnung auf Neuigkeiten bleibt. Und tatsächlich finden sich neue Hinweise: Der Arzt und Polarforscher John Rae trifft auf seinen Arktis-Reisen auf Inuit, die ihm von düsteren Ereignissen berichten. Rae fasst ihre Berichte zusammen:

Musik

Zitator:
Etwa vierzig weiße Männer wurden gesehen, wie sie in Begleitung eines Offiziers über das Eis nach Süden wanderten und ein Boot und Schlitten mit sich zogen. Sie sahen aus, als ob ihnen der Proviant ausgegangen wäre. Sie kauften von den Eingeborenen eine kleine Robbe oder ein Stück Robbe. Der Offizier wurde als ein großer, kräftiger Mann mittleren Alters beschrieben.

Sprecherin:
Handelt es sich bei dem Offizier um Franklin? Hat er seine Schiffe verlassen, und seine Mannschaft über Land weitergeführt? Doch die Inuit haben Rae noch mehr zu berichten:

Zitator:
Später hat man die Leichen von etwa dreißig Personen, einige Gräber auf dem Festland und fünf Leichen auf einer Insel in der Nähe entdeckt.
Einige der Körper befanden sich in Zelten. Andere lagen unter einem Boot, das sie als notdürftige Unterkunft umgedreht hatten, einige verteilt um das Lager herum. Bei einem vermuteten die Inuit, dass es sich um einen Offizier handelte, da er ein Fernrohr über die Schultern geschnallt hatte und sein doppelläufiges Gewehr unter ihm lag.

Sprecherin:
Die Inuit zeigten Rae Gegenstände, die nur von Bord der Erebus und der Terror stammen konnten. Laut ihren Schilderungen waren die Männer in einer ausweglosen Situation.

Musik

TC 11:40 – Eine Witwe gibt nicht auf

Zitator:
Aus dem Zustand vieler Leichen und dem Inhalt der Kessel war ersichtlich, dass unsere unglücklichen Landsleute zum letzten Mittel gezwungen waren, um ihr Leben zu erhalten.

Sprecherin:
Kannibalismus – als letztes Mittel gegen den Hunger. Eine für die viktorianische Zeit unerhörte Unterstellung.  Als die Nachricht London erreicht, ist die Empörung groß. Die Witwe von Sir John Franklin, Lady Jane, lässt auf ihren Ehemann und dessen Expedition nichts kommen.

Sprecher:
Sie bekommt prominente literarische Unterstützung. Charles Dickens, ein Freund der Familie, steht ihr bei. In einer Zeitschrift wettert der berühmte Autor gegen die Inuit, weist ihre Berichte als unglaubwürdig zurück. Für ihn sind sie nichts weiter als:

Zitator: Zitat Charles Dickens
„Das Geschwätz einer groben Handvoll unzivilisierter Menschen, die in Blut und Walfett zuhause sind!“

Sprecher:
1854 werden alle Expeditionsmitglieder für tot erklärt.

Musik

Lady Jane Franklin will jedoch Gewissheit. Zwei Jahre später finanziert sie erneut eine Expedition unter dem Kommando von Francis McClintock.

Sprecherin:
Tatsächlich gelingt es McClintock als erstem, eine handfeste Nachricht von der Expedition zu finden. In einem kleinen Steinhügel auf King William Island stößt er auf einen Brief der Franklin-Expedition. Versteckt in einem Bleizylinder, wasserdicht geschützt. Der erste Eintrag weckt Hoffnungen:

Zitator:
Mai 1847: Von 1846-47 überwintert bei Beechey Island. Sir John Franklin befehligt die Expedition. Alle wohlauf.

Sprecherin:
Der Beginn der Expedition scheint gut verlaufen zu sein. Doch an den Rand des Briefes gequetscht finden sich weitere Zeilen. Jemand muss den Bleizylinder zu einem späteren Zeitpunkt wieder geöffnet, den Brief erneut beschrieben haben. Die zittrige Handschrift lässt sich schwer lesen.

Musik

Zitator:
April 1848 - "Terror" und "Erebus" wurden am 22. April verlassen. 105 Seelen unter dem Kommando von Capitain Crozier landeten hier im September 1848. Sir John Franklin ist am 11. Juni 1847 gestorben, Gesamtverlust durch Todesfälle bis heute: 9 Offiziere und 15 Männer. Wir brechen morgen zum Back's Fish River auf.

Atmo Eiswind, Schritte

Sprecherin:
Franklin ist also definitiv tot. Mit ihm 24 weitere Besatzungsmitglieder – eine ungewöhnliche hohe Todesrate, selbst für Arktisexpeditionen.
Das Ziel der Überlebenden, der Back’s Fish River, liegt mehrere hundert Kilometer Fußweg entfernt. Durch kaum wegbares Packeis, danach durch eine felsige Tundra, in der es im Frühjahr kaum Nahrung gibt.

Sprecher:
McClintock fährt mit seinem Hundeschlitten den Weg ab, den die Überlebenden genommen haben müssen. Er stößt auf ein seltsames Relikt: ein Beiboot eines der Schiffe. Scheinbar auf den Kopf gestellt, um einen provisorischen Unterschlupf zu bieten.

Zitator:
Im Boot befand sich etwas, das uns in Ehrfurcht erstarren ließ. Es waren Teile von zwei menschlichen Skeletten. Das eine das eines schmächtigen jungen Menschen, das andere das eines großen, starken Mannes mittleren Alters, vielleicht ein Offizier. Große und kräftige Tiere, wahrscheinlich Wölfe, hatten einen Großteil dieses Skeletts zerstört.

Sprecher:
Doch die Gegenstände, die McClintock und seine Kameraden rund um das Boot finden, werfen noch mehr Fragen auf: Kämme, Haarbürsten, Taschenbücher. Und sogar eine ganze Ladung Silberbesteck. Nichts, was man auf einem Marsch um Leben und Tod erwarten würde. Zudem finden sich neben etwas Tee ca. 18kg Schokolade. McClintock vermutet, dass die beiden Männer mit dem Boot und der Schokolade als letztem Proviant zurückgelassen wurden, als sie zu schwach geworden waren, um weiter zu ziehen. McClintock kehrt nach Großbritannien zurück. Er ist überzeugt, dass alle Mitglieder der Franklin-Expedition verstorben sind.

Musik

Sprecherin:
Lady Franklin gibt jedoch bis zuletzt nicht auf, das Schicksal ihres Ehemanns zu klären. Noch mit 82 Jahren finanziert sie eine Expedition in die Arktis. Sie stirbt, noch während sie auf die Rückkehr des Schiffs wartet. Die Expedition endet ergebnislos. Auch eine letzte Expedition wenige Jahre später fördert keine neuen Erkenntnisse zutage.

Atmo Eiswind Heulen

TC 16:42 – Forschung nach Todesursachen

Sprecher:
Doch das Rätsel um das Verschwinden der Erebus und Terror zieht die Menschen weiter in seinen Bann. Anfang der 1980er Jahre, gut 100 Jahre nach der letzten Expedition, macht sich ein Team von Forschern der University of Alberta auf, das Rätsel um die Expedition zu lösen. Die kanadischen Forscher stoßen die Reste des Beiboots, das McClintock gefunden hatte. Sie dokumentieren die Fundstelle, sammeln die menschlichen Knochen ein. Im Labor stoßen sie auf Überraschendes: Neben Anzeichen für Skorbut weisen die Knochen der Mitglieder von Franklins Expedition einen zehnmal höheren Bleigehalt auf, als die der Inuit, die in der Gegend beerdigt wurden.

Musik

Sprecherin:
Nun wollen die Forscher der Sache auf den Grund gehen. Zwei Jahre später machen sie sich auf nach Beechey Island, zu den Gräbern die die Franklin-Expedition dort zurückgelassen hatte. Für ihre Expedition brauchen sie eine besondere Genehmigung: Sie wollen die Gräber öffnen, die Leichen der Crewmitglieder untersuchen. Professor Roger Byard von der University of Adelaide ist Pathologe und hat sich eingehend mit den Forschungen zur Franklin-Expedition beschäftigt.

OV Prof Roger Byard Beschreibung Blei
OVERVOICE männlich
They dug up John torringtons body…
Die haben die Leiche von John Torrington ausgegraben, einem der Besatzungsmitglieder, die auf Beechey Island beerdigt wurden. Und dabei fanden sie einen sehr hohen Bleigehalt. Und deshalb sagte man: Aha, die Expedition benutzte diese neumodischen Blechdosen, die mit Blei verlötet waren, das ans Essen abgegeben wurde. Und deshalb meinte man, dass sie an einer Bleivergiftung gestorben sind.

Musik

Sprecherin:
Eine Bleivergiftung tötet nicht direkt, sondern schadet über längere Zeit dem Nervensystem. Erste Symptome: Erschöpfung, Reizbarkeit. Dann: Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme. Am Ende greift die Vergiftung auf das Gehirn über: Verwirrtheit, Orientierungsprobleme, Charakterstörungen. Starben die Männer, weil ihre bleiverseuchten Vorräte sie in den Wahnsinn trieben? Es würde ihre merkwürdigen Entscheidungen erklären: weshalb sie etwa Silberbesteck und anderen wertlosen Tand einpackten, als sie ihre Schiffe verließen.

Sprecher:
Lange gilt diese Erklärung als einer der Hauptgründe für das Scheitern der Expedition. Doch inzwischen gilt sie als überholt. Prof. Byard weiß warum.

OV Prof Roger Byard Multifaktoren
Overvoice männlich
Over the years the looked at graves of similar vintage…
Im Laufe der Jahre hat man bei Gräbern ähnlicher Jahrgänge von Marineangehörigen festgestellt, dass die Bleikonzentrationen bei allen sehr hoch sind. Damals gab es Bleirohre auf den Schiffen und alle möglichen anderen Dinge. Die Bleivergiftung war also nicht der Grund. Also stand man wieder am Anfang bei der Frage nach der Todesursache. (…) Aber ich denke, dass es viele Gründe gab, dass man sich im Grunde genommen einfach abnutzt. Es ist also ein additiver Effekt einer ganzen Reihe von Faktoren. (…) The fact that you’re miserable as hell…Die Tatsache, dass man sich verdammt elend fühlt und weiß, dass man nie wieder nach Hause kommen wird. Das ist wirklich nichts, was einen dazu anspornt, zu versuchen, zu überleben. Aber sie waren jahrelang dort, also waren sie unglaublich stoische Männer.

Sprecher
Hinweise für eine Vielzahl an Belastungen finden sich in den menschlichen Überresten: Die Lungen der Männer auf Beechey Island sind von Tuberkulose zerfressen. Die verstreuten Knochen auf den anderen Inseln zeigen Zeichen von Skorbut. 

Musik

Sprecherin:
Doch die Knochen geben auch Aufschluss über ein weiteres Rätsel: Forensiker in den 1990ern Jahren entdecken gerade Schnitte an den Knochen, die am Boot gefunden wurden: Spuren von Klingen. Hier wurde Fleisch von Knochen gelöst. Spätere Studien zeigen: Die Knochen wurden sogar aufgebrochen, über Stunden gekocht, um an das Mark zu gelangen. Eindeutige Beweise für Kannibalismus unter den letzten Überlebenden. Genauso, wie die Inuit es den ersten Suchtrupps im 19. Jahrhundert geschildert hatten. Nach Jahrzehnten der Verleumdung zeigt sich: Die Inuit hatten Recht.

TC 21:00 – Durchbruch

Sprecher:
Die Forscher fangen an, die Berichte der Inuit in ihre Untersuchungen miteinzubeziehen. Und so gelingt im Jahr 2014 ein großer Durchbruch.

Atmo Eisbrecher und Sonar

Ein Suchboot, ausgestattet mit einem Sonar, durchfährt eine Bucht nahe der King-William Insel. Laut Schilderungen der Inuit ist hier vor mehr als 150 Jahren ein großes Holzschiff gesunken. Plötzlich erscheint auf dem Radar ein Bild, das eindeutiger nicht sein könnte: Es ist ein Schiff, der Bug liegt zertrümmert am Meeresboden, doch der Rest ist deutlich erkennbar.

Sprecherin:
Es ist die HMS Erebus. Nach mehr als 150 Jahren ist sie wieder da, in ihrer ganzen Pracht. Doch sie liegt einsam am Meeresgrund. Wo ist ihr Schwesterschiff, die HMS Terror?

Sprecher:
Es dauert noch zwei weitere Jahre, bis auch dieses Rätsel gelöst wird. Etwa 100 Kilometer weiter südlich, vor der Küste der Adelaide-Halbinsel. Inuit hatten in dieser Gegend schon öfters angeschwemmte Wrackteile gefunden, doch den entscheidenden Hinweis gibt ein Inuk-Jäger. Vor einigen Jahren war er mit seinem Schneemobil auf der zugefrorenen Bucht unterwegs. Dabei stieß er auf einen Holzpfahl, der aus dem Eis aufragte. Jetzt führt er das kanadische Forschungsteam an die Stelle. Der Pfahl, der aus dem Wasser aufragte - Es ist der Mast der HMS Terror. In nur 11m Tiefe liegt das Wrack des Schiffs.

Musik

Sprecherin:
Spätere Tauchgänge zeigen: Das eiskalte Wasser hat das Wrack in außergewöhnlicher Qualität erhalten. Glasflaschen und kostbares Porzellan liegen unversehrt in den Regalen, Gewehre hängen an der Wand. Als ob die Mannschaft sie gerade erst verlassen hätte.
Das Team der Unterwasserarchäologen hofft, in Zukunft vielleicht sogar eines der Logbücher bergen zu können. Vielleicht kann so die Geschichte um die Expedition zu Ende erzählt werden.

TC 23:06 - Outro

 


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 March 29, 2024  23m