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Pokémon Go und Augmented Reality: Wenn die Grenze verschwimmt


Wie weit darf Augmented Reality gehen? CC BY-NC 2.0 via flickr/Anssi Koskinen

Was macht man, wenn Handlungen aus einer virtuellen Realität die physische Welt beeinflussen? Als diesen Sommer das Spiel „Pokémon Go“ von Niantic auf den Markt kam, konnte man erahnen, wie virtuelle Realitäten unsere Welt in Zukunft beeinflussen könnten. Weit über 500 Millionen Mal wurde Pokémon Go mittlerweile schon heruntergeladen. Das sind rund eine halbe Milliarde Menschen, die, angeleitet von einer virtuellen Realität, in der realen Welt handeln. Doch nicht alles, was mittlerweile oder zukünftig technisch möglich ist, ist auch rechtlich oder gesellschaftlich erwünscht. Wie entstehen virtuelle Objekte? Und wird physisches Eigentum auch in einer virtuellen Welt anerkannt? Mit diesen Fragen mussten sich diesen Sommer auch Menschen beschäftigen, die zuvor noch nie von Augmented Reality oder Pokémon gehört hatten. Denn die Spieler laufen umher, bleiben hier und dort stehen und betreten nicht selten Orte, an denen sie gar nicht sein sollten. Das können teil-öffentliche Orte sein, wie ein Friedhof außerhalb der Öffnungszeit, aber auch private Grundstücke.

Was tun, wenn das eigene Haus eine Pokémon-Arena ist?

Andres Guadamuz, von der University of Sussex, berichtet in seinem Vortrag „Pokémon Go, Augmented-Reality, and privacy in virtual spaces“ bei der diesjährigen re:publica in Dublin von einem Fall aus Massachusetts. Boon Sheridan lebt in Massachusetts in einer ehemaligen Kirche, die bei Pokémon Go als Pokémon-Arena markiert wurde. Also einem Ort, an dem die Spieler ihre Pokémons virtuell gegeneinander antreten lassen können. Dazu müssen die Spieler jedoch real vor Ort sein, also vor oder auf dem Grundstück von Boon Sheridan.

Augmented Reality beeinflusst schon jetzt unsere Welt

Für das Festlegen von besonderen Punkten in dem Spiel haben die Spielentwickler von Niantic Daten von GoogleMaps und dem älteren Spiel „Ingress“ kombiniert. Meistens sind Poké-Stops oder Pokémon-Arenen an markanten oder viel besuchten Stellen im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel Sehenswürdigkeiten oder Parks. Aber nicht selten stehen sie auch auf privatem Grund. Entweder weil der früher einmal öffentlich war – wie die Kirche von Boon Sheridan – oder weil der Ort einfach nur fälschlich als öffentlich markiert wurde.

Niantic bietet mittlerweile an, dass man falsche Orte melden kann und diese dann von der Pokémon Go-Karte gelöscht werden. Ob oder in wie vielen Fällen dieser Service allerdings auch funktioniert, ist kaum bekannt. Und selbst wenn: Pokémon Go wird nicht das letzte Spiel sein, das Augmented Reality verwendet und Niantic kaum der letzte Entwickler. Man braucht also Regeln, die die Schnittpunkte zwischen virtueller und realer Welt klären.

Andres Guadamuz schlägt dazu vor, auch virtuelle Orte in das Datenschutzgesetz einzugliedern. Das Datenschutzgesetz soll einen gerechten Ausgleich gewährleisten zwischen dem Datenschutz des Einzelnen, dem Interesse der Allgemeinheit und den Interessen staatlicher und privater Datenverarbeiter. Es schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und rechtlich geschützte Geheimnisse wie das Telekommunikationsgeheimnis. Bislang greift das Gesetz laut Guadamuz aber nur, wenn Informationen mit einem Datensubjekt, also einer Person, direkt in Verbindung gebracht werden können. Guadamuzs Vorschlag ist also neben dem Datensubjekt auch den Begriff des Datenobjekts in das Gesetz einzuführen. Also einen Schutz für ein Objekt mit spezifischen geografischen Daten zu ermöglichen.

Man könnte auch Objekte im Datenschutz verankern

In dem man Objekte in das Datenschutzgesetz eingliedert, könnte man sich die gleichen Datenschutzmechanismen, die auf Personen zutreffen, zunutze machen. Ein Objekt einfach nur in einer Augmented Reality zu verlinken, wäre also nach Guadamuz’ Vorschlag nicht strafbar, wohl aber, wenn die Besitzer mit dem fälschlichen Markieren von privaten Objekten als öffentlich, nicht einverstanden sind.

Jan Albrecht, Grünenabgeordneter im Europaparlament, sieht den Bedarf für eine rechtliche Ausweitung weniger gegeben. Häuser oder private Flächen seien auch jetzt bereits durch das Eigentumsrecht geschützt. Rein theoretisch könnte man sich also gerichtlich sehr wohl dagegen wehren, wenn das Eigentum in einer Augmented Reality zweckentfremdet wird. Rein theoretisch. Doch die Wirklichkeit sieht eher beschränkt aus. Als Europäer beispielsweise hat man kaum Möglichkeiten ein in den USA ansässiges Unternehmen – zum Beispiel Niantik – zum Ändern einer Markierung auf eigenem Grund zu bewegen. Geistiges Eigentum beispielsweise ist global relativ gut geschützt, für digitale Rechte gibt es jedoch kein einziges internationales Gesetz. Und da ein internationales Gesetz – und vor allem eine Instanz, die dieses durchsetzen könnte – bislang kaum in Sicht ist, ist der Ruf nach regionalen Lösungen angebracht.

Den Vortrag von Andres Guadamuz auf der re:publica in Dublin kann man hier nachhören:

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 November 1, 2016  0m