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Söldner - Geschichte der Schattenarmeen


Der Krieg ist ihr Handwerk. Doch sie kämpfen nicht als Soldaten für ihr Land, sondern gegen Sold, also gegen Bezahlung, für eine fremde Macht. Das Söldnertum besteht schon seit langem. Autorin: Claudia Steiner

Credits
Autorin dieser Folge: Claudia Steiner
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprach: Rahel Comtesse
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Thomas Morawetz

Im Interview:
Prof. Dr. Martin Clauss, Technischen Universität Chemnitz.
Dr. Lennart Gilhaus, Institut für Alte Geschichte der Universität Bonn.
Dr. Johann Schmid (Aussprache wie Schmied), Oberst im Generalstab; Staatswissenschaftler am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) sowie Non-Resident Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. 


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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

SPRECHERIN 

Der Krieg ist ihr Handwerk. Doch Söldner kämpfen nicht als Soldaten für ihr Land, sondern gegen Sold, also gegen Bezahlung für eine ausländische Macht. So wie die berüchtigte Wagner-Gruppe, die zeitweise an der Seite der russischen Armee in der Ukraine kämpfte, aber auch im afrikanischen Mali im Auftrag der Regierung gegen Rebellen und Dschihadisten. Profi-Krieger werden rekrutiert, wenn zum Beispiel reguläre Armeen Verstärkung brauchen oder auch, weil sie spezielle Fähigkeiten haben, die nur für einen bestimmten Einsatz notwendig sind. 

Musik hoch

SPRECHERIN

Ihr rechtlicher Status ist im Zusatzprotokoll aus dem Jahr 1977 zu dem Genfer Abkommen von 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte geregelt. In Artikel 47 heißt es, dass Söldner keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten, also als Angehöriger der Kampftruppen, oder eines Kriegsgefangenen haben. Damit sind sie vom Schutz durch die Genfer Konvention ausgenommen. Im Fall einer Gefangennahme gelten für sie nur die grundlegendsten humanitären Grundsätze. Die Definition, wer als Söldner gilt, ist lang und kompliziert. So heißt es zum Beispiel, dass Söldner im Inland oder Ausland angeworben werden, um in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen und tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Wichtig ist unter anderem auch, dass es Söldner um Streben nach persönlichem Gewinn geht. Sie sind zudem keine Staatsangehörige einer der am Konflikt beteiligten Parteien. 

Musik: Coming closer red 1‘04

SPRECHERIN

Die Bundeswehr lehnt den Dienst von Söldnern bei Auslandseinsätzen ab. Es ist zudem strafbar, deutsche Staatsangehörige für Kämpfe im Ausland anzuwerben. Wer dennoch für einen ausländischen Auftraggeber in den Krieg oder einen bewaffneten Konflikt zieht, dem droht der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. 

SPRECHERIN

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gab es immer wieder Berichte über Deutsche, die für Kiew im Einsatz sind. Doch wie kann das sein? Bei den meisten dürfte es sich juristisch betrachtet nicht um Söldner handeln, sondern um ausländische Freiwillige, denen es um Hilfestellung und nicht um das Streben nach persönlichem Gewinn geht. 

ATMO Soldaten marschieren 

SPRECHERIN

Trotz der ausführlichen Definition im Genfer Abkommen ist die Abgrenzung oft schwierig. Es gibt Söldner im klassischen Sinne, die mit der Waffe in der Hand ins Gefecht ziehen, aber auch private Militärunternehmen und -Dienstleister wie die US-amerikanische Privatarmee Blackwater, deren Kämpfer zum Beispiel in Syrien im Einsatz waren. Inzwischen tritt Blackwater unter dem Namen Academi auf. Johann Schmid (sprich: Schmied) ist Oberst im Generalstab und Staatswissenschaftler. Er forscht am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zum Themenkomplex Hybride Kriegführung, lehrt an der Universität Potsdam und ist Non-Resident Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.  

 O-TON 1 

Das Profil reicht gewissermaßen vom Profikämpfer, auch ehemaligen Angehörigen auch westlicher Spezialkräfte beispielsweise, die nach ihrem aktiven Dienst in den Personenschutz eintreten oder sich in Ausbildung und Beratung fremder Streitkräfte betätigen, setzt sich fort über intelligente, regional ausgerichtete Rekrutierungsansätze, (…) oder über die Legionäre der französischen Fremdenlegion. (…) Und es endet in vielleicht einer Extrem-Version, der bewussten Rekrutierung in Gefängnissen auch unter Strafgefangenen durch die russische Wagner-Organisation, (…) wo also speziell für die Sturmangriffe auf Bachmut in Gefängnissen rekrutiert wurde. 

MUSIK Artificial developments 0‘22

SPRECHERIN

In der Geschichte gibt es Beispiele für erfolgreiche Söldnerführer, die ein Vermögen anhäufen. Auch heute sind die Vermietung von Kämpfern und das Erbringen von Militärdienstleistungen weltweit ein Milliardengeschäft. Johann Schmid (sprich Schmied): 

O-TON 2 

Mit 1,5 Millionen Beschäftigten bereits vor circa einem Jahrzehnt über 200 Milliarden US-Dollar Umsatz. In der Hochphase insbesondere, als die USA im Irak und in Afghanistan präsent waren, waren die Vereinigten Staaten auch der Hauptauftraggeber privater Militärunternehmen. 

Musik: Ancient troy 0‘23 

SPRECHERIN

Dabei ist das Söldnertum kein neues Phänomen. Im Laufe der Zeit kämpften unter anderem Griechen für Ägypter und Perser, Germanen für den römischen Staatsmann Cäsar und Wikinger für die Herrscher von Byzanz. Söldner sind so alt wie die Kriege selbst, sagt Johann Schmid. 

O-TON 3 

Söldner sind keine Erfindung des 20. oder 21. Jahrhunderts. Söldner sind bereits in der Antike zu beobachten, auch standen sie im Dienste Hannibals oder Karthagos während der Punischen Kriege. (…) Söldner prägten insbesondere vom ausgehenden Mittelalter, das heißt vom 14. Jahrhundert bis zur Französischen Revolution das Militärwesen in Europa ganz nachhaltig.

Musik:  Archaic power 0‘46

SPRECHERIN

Detaillierte Quellen über den Einsatz der Schattenarmeen gibt es zum Beispiel aus der griechischen Zeit. So beschrieb der Athener Xenophon den „Zug der Zehntausend“, den Marsch eines griechischen Söldnerheeres durch das Perserreich, in seinem Werk „Anabasis“. 401 vor Christus ließen sich tausende griechische Krieger rekrutieren, um an der Seite des persischen Prinzen Kyros zu kämpfen. Dieser wollte seinen älteren Bruder Artaxerxes II. vom Thron stoßen – doch das misslang, erklärt Lennart Gilhaus vom Institut für Alte Geschichte der Universität Bonn: 

O-TON 4 

Die Schlacht bei Kunaxa, das ist die berühmte Schlacht, bei der dann auch die griechischen Söldner eingesetzt wurden, wurde zwar gewonnen, aber Kyros als Thronanwärter starb. Und die Söldnertruppe war dann auf sich alleine gestellt und gegen alle Erwartungen gelang es dieser Truppe von eben über 10.000 Kriegern tatsächlich, ihren Weg durch Kleinasien, Armenien bis ans Schwarze Meer zu finden und dann eben auch wieder zurückzukehren in ihre griechischen Städte, und diesem Zug der 10.000 hat Xenophon eben auch ein literarisches Denkmal gesetzt.

Musik: Last old world (b) 0‘16

SPRECHERIN

Die Männer bekamen einen Grundsold. Doch in der Regel gab es Aussicht auf mehr: Beute. Lennart Gilhaus: 

O-TON 5 

Aber das Hauptverdienst der Söldner und das war auch der hauptsächliche Anreiz, Söldner zu werden, war Aussicht auf Plünderung. Und das war auch manchmal ganz explizit vorgesehen, dass eben die Söldner aus den geplünderten Gütern bezahlt werden sollten oder eben den Söldnern direkt bestimmt Siedlungen, Dörfer zu Plünderungen überlassen wurden, damit sie sich eben versorgen konnten.

SPRECHERIN

Dabei wurde nicht nur Hab und Gut, Getreide und Vieh geraubt, sondern die Söldner verschleppten auch Menschen, so der Bonner Historiker Gilhaus.  

O-TON 6 

Sie nahmen natürlich Sklaven auch aus den Dörfern, die sie überfallen haben, gerade wenn das nicht-griechische Dörfer waren und entführten daraus auch mit Vorliebe eben jugendliche Männer und Frauen, die ihnen dann auch sexuell dienstbar sein sollten. 

SPRECHERIN  

Einen guten Ruf hatten die Miet-Krieger nicht. Wenn Einsätze vorbei waren, Sold-Zahlungen ausblieben, fielen die streunenden Kämpfer oft über Dörfer her. Im Mittelalter zum Beispiel gibt es immer wieder Beschwerden von Nicht-Söldnern über die Truppen, sagt der Historiker Martin Clauss. Der Professor lehrt an der Technischen Universität Chemnitz: 

O-TON 7 neu 

Leute, die sich selber für ehrbare Ritter, ehrenvolle Kämpfer halten, die schauen dann auf diese Söldner herab, argumentieren, das sind Leute, die das eben nur des Geldes wegen machen. Auch die Ritter, die ehrbaren Ritter, werden bezahlt von ihren Herren, um in den Krieg zu ziehen. Also das Geld spielt überall eine Rolle. Aber bei den Söldnern wird halt immer gesagt, die machen es nur des Geldes wegen. (…) und damit geht dann oft auch so eine Abwertung einher. Nein, das sind eben so ehrlose Leute, sind ja auch Kriminelle. Dass man die schlecht kontrollieren kann, dass die sehr undiszipliniert sind. 

Musik:  Grey day 0‘41

SPRECHERIN

Ein weiterer Grund für den zweifelhaften Ruf von gekauften Kämpfern kann auch in der Art des Einsatzes begründet sein, denn Söldner agieren oft in Grauzonen. Johann Schmid. 

O-TON 8 

Also Söldner werden ja häufig gezielt als Stellvertreter oder als Proxies eingesetzt für Operationen in der Grauzone diverser Schnittstellen, also beispielsweise zwischen regulären und irregulären, offenen-verdeckten, legalen und illegalen oder auch kriminellen Bereichen, wo der Auftraggeber ganz bewusst nicht direkt in Erscheinung treten will, weil vielleicht die Legitimität der eigenen politischen Zielsetzung nicht immer gewährleistet ist. Und wenn dann noch Aufgaben hinzukommen, die vielleicht die Bewachung und Ausbeutung von Rohstoffquellen, denken wir an Gold- oder Diamantenminen, Öl- oder Gasvorkommen einhergehen, dann kann sich hier natürlich auch Gier breitmachen, was dann auch die Gewalteskalation weiter beschleunigen kann.

MUSIK:  Roundelay 0‘25 

SPRECHERIN 

Es liegt in der Natur des Söldnertums, dass die Miet-Soldaten bei unterschiedlichen Herrschern in Dienst standen. So waren beispielsweise im 12. Jahrhundert die Brabanzonen aus Niederlothringen für den römisch-deutschen König, den englischen König, aber auch den französischen König tätig. Martin Clauss. 

O-TON 9 

Im Hundertjährigen Krieg, da sind wir dann im 14. Jahrhundert, da gibt es eine Gruppe, die heißt die Grand Companie, also die große Kompanie. Das zeigt eben schon, das ist eine große Gruppe gewesen. Die haben ursprünglich mal für den französischen König gekämpft und (…) waren dann, wenn sie nicht beschäftigt waren, auch immer ein großes Problem. Das ist etwas, was wir bei Söldnern im Mittelalter immer wieder greifen. Wenn sie dann nicht im Krieg beschäftigt sind, dann stellen sie ein Problem dar, weil sie ja ihr Geschäft betreiben wollen. 

SPRECHERIN 

Auch der Engländer John Hawkwood schloss sich zeitweise der Großen Kompanie an, später agierte er eigenständig in Norditalien. Seine schlagkräftige Truppe brachte dem Engländer Ruhm ein. John Hawkwood, der in Italien den Namen Giovanni Acuto bekam, wurde ein reicher Mann. Martin Clauss: 

O-TON 10 

Diese Leute, die Hawkwood bei sich hat: Das sind sehr erfahrene, sehr professionelle Truppen, weil die viel Krieg gesehen haben, weil die das sozusagen gut können. (…) Das hat auch was damit zu tun, dass er es sich leisten kann, auszusuchen. Also er nimmt einfach nicht jeden auf in seine Kompanie, sondern kann auch da selektieren. Das heißt, das ist ein hohes Potenzial an kämpferischer Qualität. (…) Und dann war er sicherlich auch einfach - ich würde fast sagen - politisch sehr geschickt mit den entsprechenden Städten zu verhandeln und das alles so zu seinen Gunsten auszunutzen. 

SPRECHERIN

Nach seinem Tod im Jahr 1394 bekam John Hawkwood ein Grabmal im Dom von Florenz. Dass er im prächtigen Dom verewigt wurde, zeigt, wie bedeutend der Militärführer damals war. 

MUSIK:  Secret proofs red. 0‘29 

SPRECHERIN 

Nicht allen Söldnerführern gelang es, politisch so klug zu agieren wie John Hawkwood. Zu mächtige Söldnerführer, die sich gegen ihren Auftraggeber stellten, wurden verfolgt und ermordet. Beispiel: Albrecht von Wallenstein. Dessen Truppen kämpften im Dreißigjährigen Krieg für Kaiser Ferdinand II. gegen Dänemark und Schweden. Johann Schmid. 

O-TON 11 

Wallenstein war ja der Kriegsunternehmer par excellence, der im Auftrag des Kaisers Heere aufstellte, organisierte, versorgte und auch geführt hat. 

SPRECHERIN

Doch Wallenstein soll – trotz anderer Interessen des Kaisers – Friedensgespräche mit den Schweden aufgenommen haben. Es wurde ihm der Vorwurf des Hochverrats gemacht. Der Feldherr floh, um seiner Verhaftung zu entgehen. Am 16. Februar 1634 drangen schließlich kaisertreue Offiziere in ein Haus in Eger, im heutigen Tschechien ein, und erstachen Wallenstein. 

MUSIK:  Dark figures 1‘04 

SPRECHERIN

Auch dem ehemaligen Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, wurde seine Macht offenbar zum Verhängnis. Beim Überfall Russlands auf die Ukraine kämpften Wagner-Söldner zunächst gemeinsam mit russischen Soldaten. Wagner-Chef Prigoschin fühlte sich aber bald mächtig genug, um öffentlich Kritik an der russischen Führung zu äußern. Im Juni 2023 marschierte ein Teil seiner Truppe dann in Richtung Moskau. Prigoschin nannte die Aktion den „Marsch der Gerechtigkeit“. Die Meuterei endete damit, dass Prigoschin und seine Männer nach Belarus abziehen durften. Doch durch den versuchten Putsch machte sich Prigoschin Russlands Präsident Wladimir Putin zum Feind. Zwei Monate später stürzte der Söldnerführer unter ungeklärten Umständen mit seinem Privatflugzeug ab. Viele Beobachter gehen davon aus, dass der Wagner-Chef beseitigt wurde. Johann Schmid: 

O-TON 12 

Die Meuterei, der versuchte Marsch auf Moskau als Machtdemonstration hat vermutlich das Fass dann zum Überlaufen gebracht. 

MUSIK:  Dark operation red 0‘26 

SPRECHERIN 

Wenn der Krieg die Geschäftsgrundlage ist, ist das Interesse an Frieden in der Regel nicht besonders groß. Das war immer wieder ein Problem beim Einsatz von Söldner-Truppen, sagt Martin Clauss. 

O-TON 13 

Der Auftraggeber möchte ja in der Regel eine bestimmte Konstellation militärisch gelöst haben. Und wenn sie dann gelöst ist, dann soll eben auch die ganze Sache vorbei sein. Dann sollen die Söldner nach Hause gehen. Die Zahlungen sollen eingestellt werden. Und die Söldner auf der anderen Seite, gerade wenn zwei Söldnerheere gegeneinander agieren, haben dann ein Interesse daran, den Konflikt einfach immer, ich sag mal, auf kleiner Flamme am Laufen zu halten, damit eben immer das Geld weiter fließt. 

MUSIK:  Dark operation red 0‘22

SPRECHERIN 

Doch warum zogen junge Männer überhaupt für andere Herrscher in den Krieg? Eines der Hauptmotive waren gute Einkommensmöglichkeiten. Lennart Gilhaus: 

O-TON 14 

Wenn man eben ein junger Mann ist, vielleicht der zweite oder dritte Sohn, der kein Auskommen auf dem väterlichen Hof irgendwo im Hinterland der Peloponnes hat, dann wird man für kurze Zeit Söldner und versuchte, sein Auskommen zu finden. Aber für die wenigsten Menschen ist das ein Lebensweg, den man über viele Jahre eigentlich gehen möchte.

SPRECHERIN

Bei den Griechen gab es sogar professionelle Anwerber, meist ehemalige Soldaten, die mit ihrem Reichtum und ihren Erfolgen prahlten. Auch einige andere Völker ließen sich gerne anwerben – wie später etwa die Schweizer Reisläufer. Es handelte sich um junge Männer, die für die Feldzüge auf Reisen waren - daher der Name. Der Chemnitzer Historiker Martin Clauss. 

O-TON 15 

Das waren Fußkämpfer, sehr, sehr professionelle, sehr erfolgreiche, sehr effiziente Fußkämpfer, die dann irgendwann aufgrund dieser Professionalität das zum Geschäft gemacht haben. Also weil die einfach auf den Schlachtfeldern Europas in einer bestimmten Zeit, 14., 15., Anfang des 16. Jahrhunderts so erfolgreich waren, dass sie sehr viel Angebote bekommen haben. Das war sozusagen eine Marke. (…) Und das hat dann quasi als Geschäftsmodell so gut funktioniert, dass die Schweizer damit europaweit ein Stück weit die Schlachtfelder beherrscht haben.

SPRECHERIN

Reisläufer führten unter anderem für Frankreich, Spanien, Österreich, Ungarn und die Niederlande Krieg. Einige Familien stellten ganze Armeen zusammen und sandten diese in den Krieg. Sie verdienten mit den exzellenten Söldnern ein Vermögen. 

Musik:  March to war 2   0‘41

SPRECHERIN

Erste Zweifel an diesem erfolgreichen Geschäftsmodells kamen im Jahr 1709 mit der Schlacht von Malplaquet auf. Englisch-holländische und kaiserliche Heere standen französischen Truppen gegenüber. Schweizer Söldner leisteten auf beiden Seiten Dienst und töteten sich gegenseitig. 8.000 Eidgenossen sollen bei der Schlacht ihr Leben gelassen haben. Dieser Bruderkrieg sorgte für heftige Diskussionen. Seit 1859 ist Schweizern der Dienst in fremden Armeen offiziell verboten. 

Musik:  Vatikanhymne  0‘48

SPRECHERIN

Eine Ausnahme von dem Verbot ist die 1506 gegründete päpstliche Schweizergarde. Es gelten strenge Regeln für junge Männer, die Gardist werden wollen: Sie müssen unter anderem praktizierende Katholiken, Schweizer Bürger und beim Eintritt ledig sein. Zudem wird eine abgeschlossene Rekrutenschule der Schweizer Armee vorausgesetzt. Die Gardisten – bewaffnet mit Schwert und Hellebarde - erhalten kostenlose Unterkunft und Verpflegung im Vatikan, aber ein vergleichsweise geringes Gehalt – für die jungen Männer scheint meist der Ruhm der alt-ehrwürdigen Einheit eine Rolle zu spielen, um sich für mindestens 26 Monate zu verpflichten. 

MUSIK  hoch

SPRECHERIN

Das Söldnertum war lange Zeit die dominierende Form der Rekrutierung von Streitkräften in Europa – dies änderte sich erst mit der Französischen Revolution. Bei der sogenannten Leveé en masse, der Massenaushebung, handelte es sich um eine Form der Wehrpflicht, erklärt Johann Schmid.  

O-TON 16 

Damit wurden Soldaten billig, Massen verfügbar und das führte dann umgehend auch zu einer Radikalisierung der Kriegführung. Das ermöglichte gewissermaßen erst eine Kriegführung im Stile Napoleons, bei der man auf die Schlachtentscheidung setzen konnte und Schlachten annehmen und schlagen konnte, ohne Rücksicht auf Verluste, weil die wehrpflichtigen Soldaten im Vergleich zu Söldnern billig waren und einfach ersetzt werden konnte.

Musik: East attack 0‘18

SPRECHERIN

Neben Geld können übrigens auch ideologische Gründe für Söldner eine Rolle spielen, wie das Beispiel der Terrororganisation Islamischer Staat, kurz IS, zeigt. Johann Schmid: 

O-TON 17 

Das Phänomen, dass junge Männer, Frauen aus europäischen Ländern, auch aus Deutschland, auf eigene Faust in den Krieg ziehen, haben wir ja im größeren Maßstab 2014, 15 gesehen als Tausende junge Männer und Frauen aus Europa (…) dem sogenannten Islamischen Staat nach Syrien und in den Irak folgten, und sich als Kämpfer angeschlossen haben. Hier ist sicherlich nicht das monetäre Motiv im Vordergrund, sondern gewissermaßen die Möglichkeit, Macht, Ideologie oder einen spezifischen Lebensstil ausleben zu können oder auch mit Blick auf jenseitige Orientierungen. 

SPRECHERIN

Angeworben wurden die Muslime oft über Propaganda-Videos in sozialen Netzwerken, in denen der Tod als Märtyrer idealisiert wurde. Viele, auch westliche IS-Terroristen starben in Gefechten. Andere kehrten oft radikalisiert wieder zurück. Der Staatswissenschaftler Johann Schmid. 

O-TON 18 

Besonders problematisch in diesem Kontext ist, dass der Auftraggeber hier eine als Staat auftretende Terrororganisation ist, bei der Terror, Terrorismus, Folter und Mord zum Handwerkszeug gehören, mit der auch eine ideologische Radikalisierung islamistischer Prägung einhergeht und mit der letztendlich radikale totalitäre Zielsetzungen - Stichwort weltweites Kalifat - verfolgt werden. Und wo sich dann natürlich auch Betätigungsfelder nach Rückkehr aus dem Einsatz in Anführungszeichen nach Deutschland, nach Europa ergeben. Denken wir an die Terroranschläge in Paris auf das Bataclan, in Brüssel auf den Flughafen oder in Berlin auf den Weihnachtsmarkt. 

MUSIK: Contant fear red 0‘27 

SPRECHERIN

Viele Länder setzen heutzutage auf reguläre Armeen. Dennoch haben Söldner – in Zeiten des Outsourcings und Sparens – weiter eine Zukunft, besonders, weil Kriege und Konflikte zunehmend in hybrider Form ausgetragen werden. Johann Schmid: 

O-TON 19 

Das heißt, dass bewusst in Grauzonen diverser Schnittstellen operiert wird, also in den Schnittstellen beispielsweise zwischen Krieg und Frieden, zwischen Freund und Feind, zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zivilen und militärischen, staatlichen und nichtstaatlichen Verantwortungsbereichen, dass dabei insbesondere auch unorthodoxe Mittel- und Methoden-Kombinationen zum Tragen kommen können. (…) 

SPRECHERIN

Das heißt: Söldner werden auch immer wieder für Operationen einsetzt, für die Staaten zum Beispiel aus rechtlichen Gründen keine regulären Soldaten einsetzen können oder möchten. 

O-TON 20 

Und damit einher geht häufig das Streben der Hauptakteure dahinter nach Ambiguität, nach Verschleierung, nach plausibler Abstreitbarkeit einer eigenen Beteiligung und für derart unorthodoxes Operieren in der hybriden Grauzone von Schnittstellen,

Foreboding of war (alternativ) 0‘34

dafür sind Söldner-Formationen besonders geeignet, weil man sie passgenau aufstellen oder einkaufen kann, weil man sie als Stellvertreter einsetzen kann, um den Auftraggeber aus der Schusslinie zu nehmen und weil man sie eben auch für Aufgaben in der Grauzone einsetzen kann, für die reguläre Streitkräfte so hier nicht infrage kommen. 



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 April 2, 2024  23m