Anders & Wunderlich: Der Geschichten-Podcast

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Expl0584: The Bund


„Man in High Castle“ erzählt von einem Amerika, dass von Nazideutschland besiegt wurde. Ob sich das die Mitglieder von „The Bund“ in den USA der Dreißiger wohl so vorgestellt haben? Als es noch nicht provozierend war, „Sieg Heil“ zu rufen?

Download der Episode hier.
Beitragsbild: Rex Hardy Jr.
Opener: „Alt-right leader: ‘Hail Trump!’“ von CNN
Musik: „The Klezmer’s Freilach“ von Jeremy / CC BY-SA 3.0

„Heil Trump! Heil unserem Volk! Sieg Heil!“ ruft da im Opener ein euphorisierter Richard Spencer und – tadaa – schon wird er auf einmal international wahrgenommen. O.k. kein sehr lustiger Tagesanfang, zugegeben. Aber nachdem Herr Trump sich auch nicht so richtig vom rechten Pöbel – hier eben die Alt-Right-Bewegung – distanziert, kann man schon nachdenklich werden.

Heute geht es ja um Historisches. Deswegen schauen wir uns die verdrängte Geschichte von „The Bund“ an. Ein Kapitel „Amerika“, dass bei uns in Deutschland relativ unbekannt ist.

Die Menschen, die wir meistens „Amerikaner“ nennen, sind ja die Europäer, die sich im Norden des Kontinents eine große Fläche Land von den Indianern und den Mexikanern zusammen geklaut haben. Und diese Menschen kamen aus Irland, England, Polen, Frankreich, aber eben auch viele aus Deutschland.

Als die Regierung dieser US-Amerikaner beschließt, doch noch in den Ersten Weltkrieg einzugreifen, sind mehr als ein Viertel der Bevölkerung deutsche Auswanderer oder aber deutscher Abstammung. Und die Tatsache, dass jetzt deutsche Soldaten in Europa auf amerikanische Soldaten schießen, um deren Leben frühzeitig zu beenden, sorgt für… sagen wir einmal… Gewissenskonflikte.

Auf einmal war es gar nicht mehr so hip, deutsch zu sein. Die staatliche Propaganda zeichnete kein hübsches Bild von den „Krauts“ und eine Welle der Hysterie ergriff die USA. Der Nachbar namens Muller oder Mayer, der war auf einmal vielleicht ein Spion für den Kaiser.

In einigen Gemeinden wurde es verboten, deutsche Musik zu spielen oder Deutschunterricht zu erteilen, in anderen wurde die Jagd auf die „Dachshunds“ eröffnet. Das sind harmlose Dackel, aber halt irgendwie auch verdächtiger deutscher Abstammung. Auf Speisekarten wurde „Sauerkraut“ in „Liberty Cabbage“ – „Freiheitskohl“ umgetauft. (Vorläufer der „Freedom statt French-Fries“) In öffentlichen Bibliotheken wurden deutsche Bücher aussortiert. In einigen Fällen wurden Amerikaner zuuu offensichtlicher deutscher Abstammung gezwungen, die amerikanische Fahne zu küssen und in Illinois erschlug gar ein erregter Mob einen vermeintlichen deutschen Spion.

Ähnlich wie die Familie Sachsenburg-Gotha in England sich nun einfach in Windsor umbenannte, wurden auch in den USA jetzt viele verräterische Nachnamen anglisiert.

Dieser Aufruhr ist in keiner Weise mit dem Schicksal zu vergleichen, dass z.B. japanische Einwanderer im Zweiten Weltkrieg erleiden werden, aber als Deutsch-Stämmiger ist man auf jeden Fall ab jetzt sehr bedacht, über seine Herkunft in Zukunft Auskunft zu geben.

Der Erste Weltkrieg geht zu Ende, alle einigen sich darauf, dass Deutschland die Alleinschuld trägt. Die Verträge von Versailles und eine Demokratie, die nie in ihren eigenen Institutionen so richtig Fuß fasst, sorgen dafür, dass man in der Weimarer Zeit auch nicht mehr so richtig auf die Beine kommt.

Das sorgte noch einmal für eine Einwanderungswelle von Deutschen in die USA. Einige davon aus dem gleichen Holz geschnitzt wie die Ränge in der NSDAP selber. Junge Männer aus der Mittelklasse, die Angst vor einem sozialen Abstieg haben. Einige davon mit ersten Erfahrungen in Straßenkämpfen gegen Sozialisten, die meisten schon ausgewachsene Antisemiten.

Es entstehen schnell faschistische Vereine, wie z.B. die Teutonia in Detroit. Schon 1933 schließen sich diese zu den „Friends of New Germany“ zusammen. Das ist auch das Jahr der von den Nazis großspurig so getauften „Machtergreifung“. Und, auch wenn es heute verwundert: Die amerikanischen Medien waren anfangs nicht so richtig schlüssig, was man denn mit diesem Hitler so anstellen solle.

Wäre ja ganz gut, wenn der wieder Ordnung in den Laden bringt und verhindert, dass sich dieser Bolschewismus ausbreitet. Dieser Mussolini war ja auch ganz nett und nur halb so gefährlich und markig, wie er aussah.

Weil bei den „Freunden des Neuen Deutschlands“ einige Personen mitmischten, die ihren deutschen Pass gerne behalten wollten, kam es zwischen Washington und Berlin doch zu diplomatischen Problemen. 1936 schloss man also die Pforten und öffnete sie sogleich wieder. Als „The German American Bund“. Ja, B.U.N.D. nicht „Alliance“, Bund. Sitz New York. Geleitet von einem Fritz Kuhn, der in der Presse sofort als der „American Fuhrer“ gehandelt wurde.

Mitglied werden durfte man natürlich nur mit nachgewiesener deutscher Abstammung, eh’ klar. Junge Männer designten sich SA-Uniformen nach und die Hakenkreuzflagge hing gleichberechtigt neben den Star-And-Stripes bei den Versammlungen.

Speziell Wisconsin wurde für die Bewegung wichtig, hier lag der deutsche Bevölkerungsanteil fast bei 50% Hier fanden für die Mädels und Buben regelmäßige Sommercamps statt. So wie das Camp Hindenburg. Militärischer Drill, Exerzieren, Flaggenhissen, Kampfspiele – alles, was die HJ oder der BDM eben auch so im Freizeitspaß-Angebot hatten.

Bei diesen Camps trafen sich aber durchaus die Erwachsenen und man konnte so seinem Deutschtum und seinem Faschismus, seiner rassischen Kleingeistigkeit frönen.

Es wäre falsch zu behaupten, dass die Menschen nun in Scharen zu diesem „Bund“ strömten. In Wirklichkeit hatte er sehr schnell deutlich mehr Feinde als Freunde. Seien es Sozialisten, Juden oder einfach Menschen mit Großhirnfunktion. Die Gegendemonstrationen waren meist zahlreicher besucht als die eigentlichen Veranstaltungen des Bunds.

Aber: Mit dem Bund hatte Nazideutschland ein amerikanisches Gesicht. In keinster Weise war man mit der Regierung in Deutschland verbunden oder auch nur mit der NSDAP. Kein deutscher Diplomat ließ sich jemals beim Bund blicken, aber: Das störte niemanden! Nicht Fritz Kuhn, der sich für den deutschen Botschafter in den USA hielt und auch nicht bei der Presse, die immer wieder dankbare Fotos von Amerikanern mit Hakenkreuzen veröffentlichen konnte.

1941 erklärt Nazideutschland den Vereinigten Staaten den Krieg. Und das FBI nimmt sich sofort des Bunds an. Der selber geschäftig und eifrig erklärt, dass er immer eine Verbindung amerikanischer – und nur amerikanischer – Patrioten war. Was weniger falsch ist, als es klingt. Denn der soziale Kleber beim Bund war eher das Deutschtümeln, der Antisemitismus und der Militarismus als der Wunsch eine Naziherrschaft in den USA zu etablieren. Wie in „Man in High Castle“.

Was uns wieder auf die jugendlichen, weißen Nazitrolle bringt, die sich in diesem angeblichen „Alt-Right“-Movement versammelt haben. Oder eben auf Donald Trump, der seinen Wahlkampf mit Rassismus gewonnen hat. Ist der jetzt der neue Hitler? Nein, Quatsch mit Soße. Ist „Alt-Right“ eine wichtige Bewegung bei amerikanischen Jugendlichen? Ach was, das sind ein paar hundert Internet-Trolle, die es lieben zu provozieren.

Darum geht es nicht. Es geht nur darum, ganz leise und ganz vorsichtig anzumerken, dass der Gruß „Sieg Heil“ – „Hail Victory“ in den Vereinigten Staaten eine Geschichte hat, die auch schon fast hundert Jahre alt ist.

Für ein „Wehret den Anfängen“ ist es schon ein bisschen zu spät. Das haben wir Demokraten wieder verpennt. Wir können nur aufpassen, dass dieses neuerliche Aufflammen der Seuche mit Namen „Rassismus“ nicht wieder ein deutsches Gesicht bekommt. Und schnell – und endgültig – verheilt. /Verheilt?


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 January 11, 2017  11m