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Plattformen rücken der Podcast-Community auf die Pelle


In der momentanen Podcast-Landschaft können die Nutzer mit der App ihrer Wahl ihre Podcast-Abos verwalten. Foto: CC-BY-NC 3.0 Netzpolitik.org

Die deutschsprachige Podcast-Community ist eigenständig und dezentral organisiert. Die meisten Podcasts werden über eigene Blogs präsentiert, sind per RSS-Feed abonnierbar, stehen oftmals unter Creative-Commons-Lizenzen, werden teilweise automatisch als Torrent hochgeladen und sind mit unterschiedlichen verfügbaren Apps und in verschiedenen Formaten auf den Endgeräten hörbar. Ohne jede Registrierung. Vollkommen selbstbestimmt und frei.

Lebendig, selbstbestimmt und frei

Die Community hat gute Player und Plugins zusammengeschraubt, es gibt unabhängige und kuratierte Podcast-Sammlungen wie die Hörsuppe, aus der Community heraus optimierte Podcast-Aufnahmesoftware, sogar Hardware wird produziert. Dazu diskutiert die Community in Foren, trifft sich halbjährlich auf Konferenzen, hilft dem Nachwuchs, stärkt Podcasts von Frauen und kümmert sich um Wachstum und Außenwirkung.

Die Communitymitglieder geben sich Rückhalt, stärken und helfen sich untereinander. Gleichzeitig sind die Hörerinnen und Hörer großzügig in der Unterstützung ihrer Lieblingspodcasts, wenngleich nur einige wenige Podcaster vom Einkommen leben können. Darüber hinaus herrscht, im Gegensatz zu vielen anderen Ecken des Internets, ein sehr guter Umgangston in den Kommentaren unter den Podcasts. Kurzum: Es gibt eine lebendige, wachsende, freie und gut funktionierende Community.

Neben den organisierten professionellen und semiprofessionellen Podcastern blüht auch eine deutschsprachige Szene, die mit nebenbei und oft unregelmäßig veröffentlichten Sendungen einfach die Lieblingsthemen der jeweiligen Produzenten an die Hörer bringt. Dazu gibt es ein großes Podcast-Angebot von öffentlich-rechtlichen, freien und privaten Radiosendern sowie akademische Podcasts von Universitäten.

Spotify und Audible drängen in Podcast-Nische

Doch nun dringen Streaming-Plattformen wie Soundcloud, Spotify oder Audible in den wachsenden Podcast-Markt vor. Das verwundert vor allem bei Amazons Tochter Audible nicht. Denn wer Hörbücher hört, den dürften auch Podcasts interessieren. Und wer Podcasts hört, der könnte sich auch für Hörbücher interessieren. Erst im April hatte Audible in den USA mit „Channels“ ein Angebot für Podcasts geschaffen.

Auch in Deutschland geht Audible auf Akquisetour. Das Unternehmen fragte einige bekannte Podcaster an, ob sie Formate für die Plattform produzieren wollen. Audible suchte darüber hinaus per „Call for Paper“ nach Podcastkonzepten. Erste bekannte deutschsprachigen Podcasterinnen und Podcaster sind mit einem so genannten „Audiomagazin“ auf der Plattform vertreten. Audible zahle fürstlich, heißt es hinter vorgehaltener Hand in der Community.

„Nicht schwanzwedelnd da reinrennen“

Podcaster Linus Neumann machte sich wegen der Avancen der Plattformen in der 189. Ausgabe von Logbuch Netzpolitik lautstark Sorgen um diese Community:

Podcasting ist das Einzige, was noch nicht von einer Massenpublishing-Plattform aufgefressen wurde. Wenn die Community jetzt schwanzwedelnd da reinrennt, dann entsteht dort irgendwann ein Sog, dem sich andere nicht entziehen können.

Diese Sorgen teilt auch Daniel Meßner, der unter anderem den Zeitsprung-Podcast produziert. Die positive Entwicklung der Community drohe verlorenzugehen, …

[…] wenn es zu einer Zentralisierung und Plattformisierung kommt. Außerdem schafft das Abhängigkeiten, die völlig unnötig sind, bei einem bislang noch freien Medienformat, bei dem von der Produktion bis zum Hosting alles in meiner Hand liegt.

Anders als die meisten Produzenten von regelmäßigen Video-Formaten sind Podcaster wegen der etwas geringeren technologischen Anforderungen weniger stark von kommerziellen Plattformen abhängig, die ihnen Regeln aufzwingen können. Man bindet sich bisher nicht auf Gedeih und Verderb an Facebook, Youtube oder andere Unternehmen.

Nicolas Wöhrl vom populären Physik- und Experimentepodcast Methodisch Inkorrekt sagt, dass jeder Produzent selbst entscheiden solle, für wen er produzieren möchte und könne:

Ich sehe die Chance, dass Podcasts als Medium ernstgenommen werden und auf die Stufe mit anderen Audioinhalten gestellt werden – wie Musik und Hörspiele, die ebenfalls auf den Plattformen gespielt werden. Kritisch sehe ich die Tatsache, dass sich dadurch die Podcastszene auf die einzelnen Plattformen aufsplittert.

Hoffnung auf Vergütung durch die Plattformen

Ein Aufhänger in der Diskussion bleibt die Vergütung der Podcasterinnen und Podcaster. Wöhrl hält es für verständlich, wenn die Produzenten bei dem technischen und vor allem zeitlichen Aufwand eine Vergütung anstrebten. Und Exklusivverträge böten die Möglichkeit eines konstanten Geldflusses. Er schränkt gleichzeitig ein: „Welche Form der Bezahlung akzeptabel ist, entscheidet am Ende der Hörer.“

Daniel Meßner findet „jede Form von Werbung in Ordnung, die offen und transparent als Werbung gekennzeichnet ist“, auch wenn er sich für seine eigenen Formate nur spendenbasierte Modelle wie Flattr oder Patreon vorstellen kann. An eine bessere Vergütung durch Plattformen glaubt er nicht:

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die Hoffnung auf mehr Reichweite und Finanzierung durch die Plattformen nicht erfüllen wird. Es werden sicher einige PodcasterInnen davon profitieren, aber Podcasts werden ein Nischenmedium bleiben – das ist aber kein Problem, sondern die große Stärke von Podcasts.

Die Community will den Zugang zu Podcasts erleichtern. Veranstaltung der @PodcastpatInnen auf der re:publica 2016. Foto: Heiko Linke

Auch Googles Podcast Directory könnte zum Problem werden

Tim Pritlove, Urvater und Motivator der Community, ist angesichts der Entwicklung noch einigermaßen entspannt: „Es gibt eine potenzielle Bedrohung. Mehr nicht.“

Es seien allerdings nicht nur Audio-Plattformen wie Audible, Soundcloud und Spotify, die ein Bedrohungspotenzial hätten. Auch Googles Vorstoß hin zum Podcast bringe Nachteile. Das Unternehmen ist dabei ein eigenes Verzeichnis zu schaffen, wird die Podcasts dann aber selbst auf die eigenen Apps wie Google Play Music ausliefern. Als Podcaster verlöre man hierbei Eigenständigkeit – von der Kontrolle über die eigenen Statistiken bis hin zur selbstgewählten Audioqualität. Zudem würden Innovationen der Community wie zum Beispiel die Kapitelmarken bei so einer Entwicklung hinweggefegt. Und wer sich aus diesen Gründen nicht bei Googles Verzeichnis anmelde, werde vermutlich weniger sichtbar sein. In Deutschland ist der Dienst allerdings noch nicht gestartet.

„Gegen solche Trends helfen eigene Entwicklungen wie die Schaffung eines großen unabhängigen Podcast-Verzeichnisses.“ Momentan gibt es die Verzeichnisse von iTunes sowie einige, die von Podcasts-Clients betrieben würden. Wie ein solches Verzeichnis aussehen könnte, hat Pritlove auf der re:publica 2014 vorgestellt. Die Podcast-Landschaft sei ein freier Raum, auch was die Entwicklung angehe. Hierin liege eine Stärke gegenüber den Bestrebungen der Plattformen.

„Vorsicht, Plattform!“

Grundsätzlich wichtig für Podcasts sei, so Pritlove, dass sich die Hörerinnen und Hörer den Client auf dem Endgerät selbst wählen könnten und nicht in Apps wie die von Audible oder Spotify gezwungen würden, in denen möglicherweise sogar Geoblocking das Anhören von bestimmten Podcasts verbiete. Für unproblematisch hält er allerdings das Hosting von Podcasts auf Plattformen, die eine freie Verbreitung gewährleisteten. Das würde Zugangsbarrieren abbauen – zumal, wenn die Angebote erlaubten, dass man später zum eigenen Hosting wechseln könne.

Wegen der Versuche der Plattformen, das Thema Podcasts zu erschließen oder diese als „Lockvogel“-Angebote zu nutzen, ruft Pritlove die Szene jetzt zur Vorsicht auf. Den Teufel an die Wand malen müsse man allerdings noch nicht.

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 August 3, 2016  n/a